Es war ein Tag voller Überraschungen. Erst hieß es noch - alle nach Connewitz zum Gegenprotest, dann verkündete die Stadt, dass die Versammlung der rechtsradikalen Partei ADPM nicht wie geplant in Connewitz stattfinden darf. Kurz darauf rief das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ dazu auf, nicht gegen die Kundgebung auf dem Simsonplatz zu demonstrieren, um keine Bühne für André Poggenburgs Splitterpartei zu bieten. Und am Ende wurde es mit 500 teilnehmenden Personen trotzdem der bislang größte Protest.
Die Pressemitteilung der Stadt Leipzig ging kurz vor 14 Uhr raus. Das Ordnungsamt habe die für den heutigen Mittwoch, den 17. Juli, geplante Versammlung der rechtsradikalen Partei ADPM „unter Berücksichtigung der aktualisierten Gefahrenprognose“ von Connewitz auf den Simsonplatz verlegt. Es ist bereits das vierte Mal, dass der „Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeutschland“, ADPM, nicht in Connewitz demonstrieren durfte, und das dritte Mal, dass er stattdessen vor das Bundesverwaltungsgericht musste.Anlass für die Entscheidung des Ordnungsamtes waren nach Angaben der Stadt „die Aufrufe auf der Internetplattform Indymedia, denen bereits mit tatsächlichen Aktionen in Form von Sperrmüllanhäufungen auf den Straßen, angelegten Depots von Pflastersteinen und einigen Brandstiftungen im öffentlichen Raum im Bereich Connewitz tatsächlich gefolgt wurde“.
Der ADPM-Vorsitzende André Poggenburg verbreitete zudem auf Twitter die „Information“, dass es auf politische Gegner „nächtliche Überfälle mit Waffen“ gegeben und die Polizei ein „linkes Waffenlager“ ausgehoben habe. Die Polizei wiederum antwortete knapp: „Uns sind die von Ihnen konkret benannten Vorfälle nicht bekannt.“
Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ reagierte auf die Verlegung des Versammlungsortes mit einem Aufruf, Poggenburg „keine Bühne zu bieten“, also nicht gegen ihn zu protestieren. Bereits nach der Kundgebung im Juni hatte das Aktionsnetzwerk angekündigt, künftig möglicherweise auf Protestaufrufe wegen des ADPM zu verzichten. In den sozialen Netzwerken erntete „Leipzig nimmt Platz“ für diese Entscheidung auch Kritik.
Trotz des Aufrufs, nicht zu protestieren, fanden sich zahlreiche Gegendemonstranten am Simsonplatz ein. Es dürften ungefähr 500 gewesen sein – deutlich mehr als bei den vorherigen ADPM-Auftritten. Zudem versammelten sie sich diesmal sowohl auf beiden Seiten des Simsonplatzes als auch an der Harkortstraße. Derart von drei Seiten umstellt, blieb den maximal 50 Teilnehmenden der ADPM-Kundgebung daher nur der Weg aus Richtung des US-Konsulats durchs Musikerviertel.
André Poggenburg hat im Kern wieder nur ein Thema: der Gegenprotest habe keinen Mut. Der sei nur auf der „rechten Seite“ vorhanden. Per Megaphon heißt es wie bei der NPD als Antwort „Multikkulti-Endstation“. Video: L-IZ.de
Die Polizei zeigte ebenfalls massive Präsenz. Allein am Simsonplatz standen rund 50 Einsatzwagen. Auch Pferde waren kurzzeitig zu sehen. Einen Eindruck verschaffte sich auch der ehemalige Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz, der das Geschehen von der anderen Straßenseite aus entspannt verfolgte.
Auf der von knapp 50 Personen besuchten ADPM-Kundgebung gab es die üblichen Redebeiträge. Im Fokus stand vor allem der politische Gegner. „Linke Terroristen“ würden mittlerweile Teile der Stadt beherrschen, sagte etwa ADPM-Politiker Egbert Ermer, der ein T-Shirt mit der auf eine NS-Organisation anspielenden Aufschrift „Kraft durch Freunde“ trug.
Die als Gründerin der rassistischen Kleinstbewegung „Frauen fordern“ vorgestellt Gitte Kalder nahm sich den künftigen Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek vor. Dieser solle nicht ständig pauschal von „Nazis“ reden. Uta Nürnberger – früher unter anderem in der AfD und bei Thügida tätig und nun Landtagskandidatin für den ADPM – beklagte Angriffe auf Frauen durch Migranten, die von Linken verharmlost würden.
Auch die von diversen „Bürgerprotesten“ bekannten Nicos Chawales und „Ufo-Anwalt“ Jens Lorek durften reden. Parteichef Poggenburg forderte eine Sonderkommission für „Linksextremismus“ und zählte Punkte des ADPM-Wahlprogramms auf, die eine angeblich soziale Seite zeigten. Im Publikum stand unter anderem der Leipziger Neonazi Alexander Kurth.
Am Ende der Kundgebung gab es ein kleines Durcheinander. Nachdem Lorek angekündigt hatte, dass zum Abschluss alle Strophen des Deutschlandliedes gesungen würden, korrigierte Ermer, dass man nur die dritte Strophe – also die Nationalhymne – singen werde. Die beiden anderen Strophen sind nicht verboten, aber durch den Nationalsozialismus stark belastet.
Kurz vor der Landtagswahl möchte sich der ADPM offenbar nicht als Nazipartei bezeichnen lassen.
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