Vor einigen Monaten hatte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner gefordert, dass die „Fridays for Future“-Aktivist/-innen die Klimapolitik „den Profis“ überlassen sollen. Die Angesprochenen antworteten nun mit einer Aktion an der Universität Leipzig, wo sie einen Gastvortrag Lindners störten. Für Freitag mobilisiert „Fridays for Future“ zum „Internationalen Streik-Tag“ in Aachen. Zudem möchten Leipziger Umweltschützer am Donnerstag vor den Stadtwerken Leipzig für den Kohleausstieg demonstrieren.

Etwa 25 junge Klimaaktivist/-innen haben am Dienstag, den 18. Juni, für wenige Minuten einen Gastvortrag von Christian Lindner an der Universität Leipzig gestört. Sie veranstalteten ein sogenannte Die-in, legten sich also „tot“ auf den Boden, und zeigten mehrere Banner, unter anderem mit der Aufschrift „Klimaschutz nur von Profiteur*innen umweltzerstörender Politik? Nur über unsere Leichen“.

Das Banner war gleichzeitig eine Anspielung auf eine viel diskutierte Aussage des FDP-Vorsitzenden. Im März hatte er von der „Fridays for Future“-Bewegung gefordert, Klimapolitik „den Profis“ zu überlassen. Zudem hatte Lindner, wie auch andere Politiker, die streikenden Schüler als „Schulschwänzer“ bezeichnet.

Einige der Anwesenden im Hörsaal der Universität applaudierten den Aktivist/-innen. Die Mehrheit lehnte die Aktion aber offenbar ab. Bereits nach wenigen Sekunden rief eine Person „Räumt sie weg!“. Später war „Verpisst euch, ihr Kommunisten!“ zu hören. Dieser Zwischenruf erhielt einige Lacher und viel Applaus.

Christian Lindner (FDP) erlebt eine Protestaktion an der Uni Leipzig. Foto: Wiebke Mahrt
Christian Lindner (FDP) erlebt eine Protestaktion an der Uni Leipzig. Foto: Wiebke Mahrt

Lindner forderte vergeblich ein Gespräch

Auch Lindner äußerte sich noch während der Aktion: „Hier stehen – dürft ihr. Hier liegen und schlafen – dürft ihr. Stören – dürft ihr nicht.“ Eine Diskussion sei „herzlich willkommen“. Diese lehnten die Aktivist/-innen jedoch ab, was Lindner als „undemokratisch“ bezeichnete. „Sie können doch nicht stumm protestieren ohne ein Gespräch zu suchen.“

Auf Twitter ergänzte Lindner später: „Mag sein, dass ich in der Klimapolitik mal missverständlich formuliert habe. Umso mehr hätte ich gern diskutiert.“

Die Gruppe „Students for Future“, die an der Aktion beteiligt war, erklärte den verweigerten Dialog so: „Auf eine darauffolgende Diskussion wurde bewusst verzichtet, da zum einen die Forderungen von Fridays for Future öffentlich bekannt sind und zum anderen Christian Lindners Einstellung zu den Studierenden und Schüler/-innen eindeutig ist.“ Auch die Gruppen „Extinction Rebellion“ und „Ende Gelände“ beteiligten sich an dem Protest.

Demo für Kohleausstieg der Leipziger Stadtwerke

Ebenfalls am Dienstag hatte sich „Fridays for Future“ öffentlich mit „Ende Gelände“ solidarisiert. Anlass der Erklärung seien Spaltungsversuche der Klimabewegung durch staatliche Institutionen gewesen. „Auch wenn wir verschiedene Aktionsformen haben, eint uns das gemeinsame Ziel und wir werden unseren legitimen Kampf für eine lebenswerte Zukunft so lange fortführen, bis ihr Schutz gewährleistet ist“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Am kommenden Freitag veranstaltet „Fridays for Future“ einen „Internationalen Streik-Tag“ in Aachen. Zudem ruft „Ende Gelände“ für diese Woche zu zivilem Ungehorsam im Rheinischen Braunkohlerevier auf: „Vom 19. bis 24. Juni 2019 blockieren wir mit unseren Körpern die Kohle-Infrastruktur im Rheinland.“

Bereits für Donnerstag, den 19. Juni, ist eine Aktion in Leipzig geplant. Der BUND Leipzig und weitere Gruppen wollen von 13:30 Uhr bis 15:00 Uhr vor dem Haupteingang der Stadtwerke in der Eutritzscher Straße 14b demonstrieren.

Sie wollen den Aufsichtsrat der Stadtwerke dazu auffordern, aus der Fernwärmelieferung aus Lippendorf ab 2023 auszusteigen. Das dortige Kohlekraftwerk sei „die siebtgrößte CO2-Schleuder Europas“. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte im vergangenen Dezember einen Ausstieg im Jahr 2023 angekündigt. Nun berichtet die LVZ allerdings heute aus noch unbekannten Quellen, dass es für die morgige Abstimmung innerhalb der Stadtwerke eine Mehrheit für eine Vertragsverlängerung bis 2030 geben soll.

Der BUND hat für diese Aktion extra eine Sonderseite „Leipzig steigt aus“ ins Netz gestellt, wo man sich über die Möglichkeiten informieren kann, wie der Protest gegen die Kohleenergie aussehen könnte. Darunter findet sich auch die Möglichkeit, einen Wechsel zu anderen Energieanbietern vorzunehmen oder dies den Stadtwerken vorab als Absichtserklärung mitzuteilen.

Das GuD-Kraftwerk der Stadtwerke Leipzig. Foto: L-IZ.de
Das GuD-Kraftwerk der Stadtwerke Leipzig. Foto: L-IZ.de

Worum geht es bei dem Liefervertrag?

Bereits im Dezember vergangenen Jahres waren zudem die Zahlen bekannt geworden, welche die Stadtwerke Leipzig noch mit dem Kohlemeiler verbinden. So bezieht Leipzig derzeit noch 200 MW an Wärmeleistung aus dem Kraftwerk Lippendorf. Jeder der beiden Kraftwerksblöcke kann bis zu 800 MW erzeugen – und zwar zuallererst für Strom. Die Wärme fällt als Abprodukt ab. So gesehen war es bislang eine Win-win-Situation für beide Seiten, als Leipzig die Fernwärme aus Lippendorf abnahm.

Dass Lippendorf aber irgendwann in den nächsten Jahren vom Netz geht, ist sicher. Dafür aber muss eine Stadt wie Leipzig vorsorgen. Und so formulierte Burkhard Jung zu diesem Zeitpunkt: „Wir können nicht warten, bis irgendwann jemand beschließt, dass jetzt ausgeschaltet wird“, so Jung. „Dann ist es nämlich zu spät.“

Und wenn die Meiler dort ausgehen, hat das ganz bestimmt nichts mit dem Leipziger Liefervertrag zu tun, eher mit der Tatsache, dass mittlerweile so viel volatiler Strom durch Wind- und Solaranlagen erzeugt wird, dass die Leipziger Stadtwerke auch einen riesigen Wärmespeicher für 150 MW planen, um die überschüssigen Strommengen „nach dem Tauchsiederprinzip“ in Wärme zu verwandeln und damit zu speichern.

200 Millionen Euro wollen die Stadtwerke bis 2023 in das Projekt stecken. 2023 ist deshalb ein markantes Datum, weil dann der aktuelle Liefervertrag für Fernwärme nach Leipzig erst einmal ausläuft. Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft äußerte in diesem Zusammenhang, dass die zudem nötige zusätzliche Gasturbine erst einmal gebaut werden könnte, Leipzig aber auch über 2023 hinaus noch Fernwärme aus Lippendorf bezieht.

Das läge an den Konditionen, die ausgehandelt werden können, hieß es damals.

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