Am 12. und 13. April traf sich in der Leipziger Mediacity die „femMit – Konferenz für mehr Frauen in Medien und Politik“. In mehreren Panelen diskutierten vor allem Politikerinnen und Frauen aus den Medien miteinander über die Frage: „Was muss sich in Politik und Medien verändern, damit mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht?“ Es ging zumeist um Quotenregelungen und den Mut, mehr zu fordern. Und auch Michael Kretschmer hatte wieder ein bisschen recht.

Der sächsische Ministerpräsident sagte nämlich den so selbstverständlich klingenden Satz: „Es muss für eine Frau genauso möglich sein, Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren, wie für Männer. Da sind überall praktische Lösungen gefragt.“

Ein Satz, der noch ein wenig nachklingt, wenn man dann in den (unterm Text verlinkten) Statements weiterliest und dann von Katharina Schulze, Grünen-Landtagsabgeordnete in Bayern, den Satz liest: „Frauen werden anders begutachtet.“

Die vielen Statements, die fast alle in die Richtung gehen, stimmen. Man kann sie einfach unterschreiben. Und dann?

Was ändert das?

Was würde es ändern, wenn es Quoten gibt? Eine Frage, die ja auch L-IZ-Leser/-innen schon oft gestellt haben. Dann kommen doch wieder nur Frauen auf die Posten, die den Männern in den Kram passen. Oder die sich mit männlichen Methoden durchgekämpft haben. Sich also auch wieder wie Männer in diesen Hierarchien benehmen.

Was mich selbst bei der Aussage von Karola Wille, der Intendantin des MDR, verwunderte.

„Wie kann es sein, dass Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als Männer?“, sagte sie. Und: „Wir haben die reale Gleichstellung von Mann und Frau, wie sie im Grundgesetz verankert ist, noch nicht erreicht.“ Das sei aber nur gemeinsam zu schaffen – umso bedauerlicher sei es, dass so wenige Männer an der femMit teilnehmen. „Unter uns Frauen zu bleiben, löst die Probleme nicht. Wir müssen miteinander diskutieren.“

Und dann stellt sich heraus, dass auch beim MDR krasse Gehaltsunterschiede bei Männern und Frauen in den gleichen Positionen herrschen, was ja jüngst auch wieder die Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu den freien Mitarbeiter/-innen der Öffentlich Rechtlichen zutage brachte.

Warum werden dann die Gehälter nicht einfach angeglichen? Und transparent für alle veröffentlicht?

Ich frag ja nur. Irgendjemand scheint das ja, bei aller Diskussionsbereitschaft, nicht zu wollen.

Das wäre dann wahrscheinlich Kommunismus oder so was.

Aber auch über die beliebte Schauspielerin Maria Furtwängler war ich erstaunt, die zitiert wird mit der Aussage, dass es eine permanente Anstrengung brauche, eine Welt zu schaffen, in der Männer und Frauen ihre Potenziale gleichermaßen entwickeln und ausleben können, und Vorurteile abzubauen. „Natürlich nehmen wir Männern etwas weg, wenn wir mehr Macht wollen, und das erzeugt immer eine Gegenreaktion. Es müsste gelingen, den Männern zu vermitteln, dass auch sie davon profitieren.“

Ehrlich?

Ich habe gequietscht an der Stelle. Das tat weh. Weil es zeigt, dass selbst kluge Frauen, die wissen, was faul ist an dem ganzen Laden, dennoch verinnerlicht haben, dass es doch irgendwie um Macht geht. Also um das alte bekannte männliche Modell einer Hierarchisierung unserer Gesellschaft mit Mächtigen (und Vielverdienenden) oben an der Spitze der Pyramide und Machtlosen (und Wenigverdienenden) unten, da, wo man malochen muss, um seine Brötchen zu verdienen.

Das Bild von Macht ist augenscheinlich tief eingebrannt in die Köpfe. Natürlich bestimmt es auch den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den wir Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk nennen, wo man sich Macht- und Geldpositionen über Jahre erarbeitet, erkämpft und erobert. Und wo jeder Verzicht auch am Stolz kratzt und Gesichtsverlust bedeutet.

Unsere Gesellschaft ist durchtränkt mit dieser Art zu denken.

Und meine Erfahrung ist: Das ist nun einmal das starre und sture Denken von Männern, denen es um nichts anderes geht als um Macht.

Wollen Frauen eigentlich „mehr Macht“, wie Maria Furtwängler sagt?

Meine Erfahrung ist: Nein. Nein, wirklich nicht. Keine einzige der klugen, sensiblen und fleißigen Frauen, die ich kenne, will Macht. Im Gegenteil. Sie meiden jeden Ort, an dem aufgeblasene, machtgeile Männer ihre bekloppten Tänzchen aufführen und balzen und mobben und sich aufblasen, bis sie platzen. Deswegen sehen unsere Parteien und Regierungen so aus, von den Managementebenen unserer großen Unternehmen und ihren Lobbyvereinen ganz zu schweigen. Ihr einziges Trachten ist Macht, Ruhm, Geld. Das Gefühl, wichtig zu sein. Sorry, das muss man so schreiben: WICHTIG.

Ein Tummelplatz für Narzissten, Blender, Korrumpierbare und Autokraten.

Und ich weiß an der Stelle, dass mir tausende kluger Frauen recht geben.

Sie würden nicht mal eine Minute darüber nachdenken, sich in diesen Stierkampf zu stürzen. Deswegen meiden sie alle diese „Karriereleitern“. Ein eigenes Thema wären die Gegenreaktionen der eitlen Männer, wenn Frauen sich um lukrative Posten bewerben. Männer sorgen gern schon vorher dafür, dass eine möglicherweise kluge und durchsetzungsstarke Frau erst gar nicht in die engere Wahl kommt. Und wenn sie dann doch im Amt ist, wird sie gemobbt. Auf plumpe Männerart. Da guckt der Sexismus aus allen Ritzen, obwohl es eigentlich etwas anderes ist.

Es ist gerade bei solchen von Macht berauschten Männern auch die tiefsitzende Angst vor Kontrollverlust. Männliche Hierarchien sind Kontrollsysteme. Sie haben mit Kooperation und Gleichberechtigung nichts zu tun. Sie funktionieren mit lauter klar definierten Abhängigkeiten. Und Männer sind auch höchst talentiert darin, solche Hierarchien zu kapern, auch in feindlicher Übernahme. Und hinterher merzen sie alles aus, was sie in ihrer Machtabsolutheit stört. Dann verwandeln sie auch demokratische Systeme in Autokratien. Beispiele kann sich jeder selbst zusammensuchen. Es wimmelt davon.

Natürlich müsste ich Männer in Anführungszeichen setzen: „Männer“. Denn es ist eine bestimmte Spezies Mann, die so ein Biotop bevorzugt, die sich darin auch pudelwohl fühlt und sich selbst in peinlichsten Situationen nicht schämt. Das sind Biotope, in die auch sensible, kluge und kreative Männer nicht wollen. Sie verzweifeln eher, wenn ausgerechnet sie in solche Positionen gedrängt werden – und weichen lieber seitwärts aus. An Orte, wo Gleichberechtigung etwas Selbstverständliches ist. Die gibt es auch noch. Erkennbar daran, dass dort auch Frauen gern arbeiten.

Denn es ist eben kein Fortschritt, wenn jetzt Frauen anfangen, mit „Männern“ in den üblichen Hierarchien um die Macht zu raufen. Man kann diese Hierarchien auch nicht reformieren. Sie sind Ausdruck männlichen Kontrollzwangs. Was zum Beispiel dazu führt, dass in dieser Hierarchie viele Positionen so angeordnet sind, dass sie jede Veränderung verhindern können – egal, ob von unten, von außen oder gar von oben. In solchen Hierarchien verzweifeln Menschen, die Dinge wirklich mit Herzblut und Verantwortung tun wollen. Denn anders können Dinge ja gar nicht gut gemacht werden. Das braucht andere Abstimmungen und andere Resonanzen.

Aber das Wort Verantwortung deutet es schon an: Hierarchien nehmen ihren Mitarbeitern nicht nur Verantwortung, machen sie manchmal auch verantwortungslos, sie demotivieren sie auch gründlich, weil sie ihnen keine eigene Entscheidungskompetenz zubilligen.

Etwas, was gerade klugen und verantwortungsvollen Menschen geradezu Panik bereitet. Sie fühlen sich in solchen Strukturen nicht wohl.

Bevor sich also unsere Strukturen politischer Entscheidungsfindung nicht ändern, werden auch Quotenregelungen nicht viel ändern. Aber ich zweifle, dass man das Problem lösen kann, wenn man weiter in hierarchischen Machtstrukturen denkt. Macht korrumpiert Menschen. Und zwar alle. Sie schafft auch rechtliche Strukturen, die Machtungleichgewichte zementieren. Denn Gehaltsunterschiede sind Machtungleichgewichte.

Hat femMit jetzt etwas gebracht? Ich habe das Gefühl: Nein. Vielleicht braucht es wirklich noch lange, bevor wir in der Lage sind, eine Gesellschaft zu denken, die in der Lage ist, Teilhabe ohne Machtgefälle zu organisieren, ohne die Bevorzugung von Spezialisten der Kontroll- und Dominanzlust, denen meistens die Fähigkeit zur Problemlösung fehlt. Samt der Fähigkeit, irgendjemandem, egal welchen Geschlechts, auch nur ein, zwei Hierarchieebenen tiefer zu vertrauen. Verantwortung zerbröselt damit natürlich zu einem substanzlosen Stoff. Kein Mensch denkt dann, wenn einer dieser Machthungrigen davon spricht, „Verantwortung zu übernehmen“, dass der nun wirklich losrennt und mit seinen besten Leuten zusammen eine Lösung für das Problem erarbeitet, das ihn beinahe das Amt gekostet hat.

Das scheint so abwegig, dass man gar nicht mal daran zu denken wagt, wie eine Verantwortung aussehen könnte, in der man vom Träger derselben nicht nur wohlfeile Worte, sondern echte, nachvollziehbare Arbeit erwarten würde.

Wir stehen ganz am Anfang. Übrigens auch in der Sicht von Medien auf Macht und Frauen. Aber das wurde augenscheinlich kaum diskutiert. Was ich schon sehr erstaunlich finde. Gerade in einer Zeit, in der autokratische Männer auf allen Kanälen jede Menge Aufmerksamkeit bekommen, also das narzisstische Bild von Macht und Macher immer wieder bestätigen.

Die Statements aus der Konferenz.

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