Beileidsbekundungen und Schweigeminuten nach Todesfรคllen gehรถren in FuรŸballstadien zur Normalitรคt. Sie gelten vor allem aktiven oder ehemaligen Spielern, gelegentlich auch herausgehobenen Personen aus der Fanszene. Beim Chemnitzer FC gab es am Samstag, den 9. Mรคrz, eine solche Trauerbekundung inklusive Musik und kurzem Redebeitrag. Das Besondere daran: Bei dem Verstorbenen handelt es sich um einen bekannten Neonazi aus den 90ern, Securityunternehmer und am Ende krebskranken Mann aus der Erzgebirgsstadt.

Chemnitz war im vergangenen Jahr wegen rechtsradikaler Demonstrationen und Ausschreitungen wochenlang in den Schlagzeilen. Nach dem Tod eines Mannes im August 2018 hatten zunรคchst vor allem Anhรคnger des Chemnitzer FC (CFC) jene Versammlungen organisiert, aus denen heraus Migranten, Journalisten und politische Gegner angegriffen wurden. Im Stadion des Viertligaclubs gab es am Samstag, den 9. Mรคrz, den nรคchsten Vorfall: ein Gedenken an einen toten Neonazi der 90er Jahre. Denn Thomas Haller ist vor wenigen Tagen an Krebs gestorben.

In den 90er Jahren hatte er die rechtsradikale Fangruppe โ€žHooligans Nazis Rassistenโ€œ (HooNaRa) gegrรผndet, die unter anderem den NSU unterstรผtzt haben soll. Haller selbst war immer ein eher typischer StraรŸenschlรคgertyp, groรŸ und breit gewachsen, massig trotz einer KรถrpergrรถรŸe von รผber 1,90 Metern. Dabei geschรคftssinnig im Gewaltbusiness und so schon in der Selbstbeschreibung der meisten Vertreter der Securitybranche an der Tรผr auch selbst รผberaus gewaltbereit. Zumindest im Bewusstsein, eben jene kรถrperliche Gewalt immer ausstrahlen zu wollen.

So hat ihn der Mitinhaber der L-IZ.de, Robert Dobschรผtz, Mitte der 2010er Jahre auch auf dem VW-Treffen nahe Bautzen kennengelernt: Haller war der aktive Chef der damals beauftragten Security im Partyzelt und an der Bรผhne, wie auch beim Chemnitzer FC und weiteren Kunden in dieser Zeit um 2005 herum. Und Dobschรผtz, nach Bandtour-Begleitungen und Wave-Gotik-Treffen-Job, in seinem zweiten Leben neben anderen Aufgaben auch Produktionsleiter zu Pfingsten bei einem riesigen ostdeutschen Autotreffen nahe Bautzen. Dessen Irrwitz und Klientel schon immer zwischen Viertelmeilenrennen und โ€žIch hab ne Zwiebel auf dem Kopfโ€œ-Micky Krause jede Dimension von elitรคrem Gesellschaftsdiskurs sprengte.

30.000 Menschen auf einem Platz und jeder von ihnen hatte nur eins vor: Feiern, Freizeit, Autofahren.

Haller war dort als Securitychef genau das, was man einen fleiรŸigen Deutschen und โ€ždie richtige Besetzungโ€œ nennt. Sehr darauf bedacht, die gestellten Aufgaben gemeinsam mit den mitgebrachten Mitarbeitern mรถglichst genau umzusetzen. Manchmal รผberrascht, aber da schon รคlter geworden, eher froh, dass es auch friedliche Lรถsungen gibt. Aber immer dienstbeflissen, mรถglichst akkurat, manchmal fast schon unterwรผrfig.

Niemals politisch, natรผrlich ordnete er sich auch einem tรผrkischstรคmmigen Securitygesamtleiter in der Nacht unter. Oder half dabei, Hooligans aus anderen Regionen des Landes bei auffรคlligem Gewaltverhalten in der Nacht zuvor, am Morgen vor die Tรผr zu schaffen. Danach gabs eine Zigarette zum Runterkommen.

Und dennoch bleibt er wohl immer ein Teil des Klimas der Angst und eines Geschรคftes damit, was es in den 90er Jahren und noch lange danach in diesem Land gab und gibt. Und gleichzeitig einer der Begrรผnder jenes Teils des sรคchsischen Tรผrstehergewerbes, welches aus Neonazistrukturen kam, um sich eine irgendwie annรคhernd bรผrgerliche Existenz aufzubauen.

Er war sicherlich kein Mensch, der wirklich รผberzeugt tolerant gegenรผber anderen war, wie wohl fast jeder, der es gewohnt ist, Konflikte kรถrperlich zu lรถsen. Wenn, dann nahm er eher an, dass Toleranz nun wohl dazugehรถre, um im Geschรคft zu bleiben. Dennoch kann man trotz vieler Fehler im Leben Thomas Hallers nachvollziehen, warum es Kreise beim Chemnitzer FC, in Chemnitz generell und Teilen Sachsens gibt, die seinen Tod betrauern. Zumal es das Biotop ist, aus dem er stammt und in dem ein Handschlag auch bei schlimmen Vorhaben etwas gilt.

Die Ereignisse vom Wochenende

Vor der Regionalligapartie gegen Altglienecke veranstaltete der CFC eine kurze Trauerbekundung fรผr diesen Mann. Wรคhrend die Fans auf den Rรคngen ihre Schals in die Hรถhe hielten, verbreitete der Stadionsprecher die โ€žtraurige Nachrichtโ€œ des Todes. Im Hintergrund lief Musik aus dem Film โ€žGladiatorโ€œ; auf einer groรŸen Leinwand war ein Foto des Gestorbenen zu sehen.

Nachdem der MDR und linke Journalisten aus der Region รผber den Vorfall berichtet hatten, verรถffentlichte der CFC eine Stellungnahme. Darin heiรŸt es, dass die โ€žErmรถglichung der gemeinsamen Trauer keine Wรผrdigung des Lebensinhalts des Verstorbenenโ€œ darstelle. Es sei โ€žein Gebot der Mitmenschlichkeit, den Fans des CFC und Hinterbliebenen die gemeinsame Trauer zu ermรถglichenโ€œ.

Bereits am Sonntagmittag zog Thomas Uhlig, der kaufmรคnnische Geschรคftsfรผhrer des Vereins, die Konsequenzen und trat zurรผck. Dies sei geschehen, โ€žum weiteren Schaden vom Chemnitzer FC fernzuhaltenโ€œ, erklรคrte er.

Fรผr Aufsehen sorgte auch eine Solidaritรคtsbekundung des ehemaligen RB-Leipzig-Spielers Daniel Frahn. Dieser hatte nach seinem Tor ein bei Rechtsradikalen beliebtes T-Shirt mit der Aufschrift โ€žSupport your local hoolsโ€œ gezeigt. Das sei seine โ€žArt der Beileidsbekundung an die Hinterbliebenenโ€œ gewesen, heiรŸt es in einer Stellungnahme. Frahn sei aber โ€žweit davon entfernt, sein Gedankengut zu teilenโ€œ. Der CFC belegte Frahn nach eigenen Angaben mit einer Geldstrafe.

Konsequenzen hat zudem eine Wortmeldung der SPD-Stadtrรคtin Peggy Schellenberger, die auch Fanbeauftragte des Vereins ist. Sie schrieb auf Facebook, dass Haller immer โ€žfair, unpolitisch und herzlichโ€œ zu ihr gewesen sei. Das habe ihn โ€žausgezeichnetโ€œ und er solle โ€žin Friedenโ€œ ruhen. Die Chemnitzer SPD kรผndigte daraufhin an, dass Schellenberger nicht mehr fรผr die SPD fรผr den Stadtrat kandidieren werde. Die Geschehnisse im Stadion โ€žmachen uns fassungslosโ€œ, hieรŸ es weiter.

Die Stadt Chemnitz verfasste ebenfalls eine Stellungnahme. Man habe das Geschehen mit โ€žBefremden und Unverstรคndnis zur Kenntnis genommenโ€œ. Jedoch bleibe Chemnitz eine โ€žweltoffene, tolerante und friedliche Stadtโ€œ.

Die Konsequenzen des Lebens von Thomas Haller liegen im jetzigen Skandal beim Chemnitzer FC von allein offen. Auch sie scheinen, im Angesicht aktueller Debatten รผber die Frage des Vorankommens in Ostdeutschland, ein Teil sรคchsischer Irrwege voller Gewalt nach 1990 zu sein. Ein Weg, der schon frรผh von der Politik nie ernst genommen wurde, denn NSU und alle weiteren Auslรคufer hatten gerade im Freistaat allzulang immer wieder offene Tรผren.

Soko Chemnitz nur ein Trick? โ€žZentrum fรผr Politische Schรถnheitโ€œ beendet Online-Fahndung nach Rechtsradikalen

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Es gibt 4 Kommentare

Das ist auch vollkommen ok so. Unser Sebastian wollte wohl nur aus fรผr mich verstehbaren Grรผnden mal sagen: schau โ€“ auch ohne die Milliarden, die der รถffentlich-rechtliche Rundfunk hat, sind wir relativ schnell dabei weiterzuberichten.

Oder um es anders zu sagen: keiner derjenigen, die gerade รผber diesen durchaus osttypischen Menschen aus direkter Perspektive berichten kรถnnen (ja, das ist dann ein seltsames Unikat), sind ua. wir.

Und natรผrlich halten wir uns zurรผck, da zwei Dinge gelten: Man spricht aus nachvollziehbaren Grรผnden nicht schlecht รผber Tote (1). Denn das konnte man ihnen auch zu Lebzeiten ins Gesicht sagen (wenn man Mut und Haltung hat). Da wir ihn kennen, also 2.

Und Haller hat es ausgehalten, wenn man es tat. Das vielleicht unterscheidet genau das ihn von den wirklich รผblen Typen, wie Hรถcke und seine ganzen Vorgรคnger, die wir hier erleben mussten.

Es ist mal wieder so eine Geschichte eines gewaltbereiten, letztlich auch deshalb immer getriebenen, Mannes, die wir uns nicht โ€œvon anderenโ€, die ihn nicht kannten erzรคhlen lassen wollen. Von denen gibt es nรคmlich wirklich viele. Aber manchen standen wir gegenรผber โ€“ und es geht letztlich immer um Respekt, Toleranz und echte Weltoffenheit.

Bei uns. Bevor wir es von den anderen verlangen.

M.F

Auch euren 2.Beitrag zum Thema hatte ich gelesen, nur kam der erst mehrere Stunden nach dem vom MDR erstellten und von mir verlinkten Artikel raus . . . zumindest im RSS. Beide sind sehr รคhnlich. Kein Vorwurf. Ich nutze gerne verschiedene Quellen ;-).

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