Zu einem dramatischeren, schmerzlicheren Kontrast konnte es an diesem Freitag, 15. Mรคrz 2019, nicht kommen: In Christchurch/Neuseeland ein verheerender Terroranschlag von rechtsradikalen Rassisten auf zwei Moscheen, bei dem wรคhrend des Freitaggebetes 49 Menschen ermordet und Dutzende zum Teil schwer verletzt wurden. In รผber 100 Staaten, in Deutschland in รผber 200 Stรคdten junge Menschen, vor allem Schรผler/innen, demonstrierend auf der StraรŸe, die um ihre, um unsere gemeinsame lebenswerte Zukunft kรคmpfen und von der an den politischen Schalthebeln sitzenden Generation ein sofortiges Ende der kollektiven Verantwortungslosigkeit fordern.

Auf der einen Seite also die schreckliche Botschaft einer todbringenden Zerstรถrungswut, auf der anderen Seite der hoffnungsvolle Schrei nach Zukunft. Spรคtestens seit dem grauenhaften Geschehen in Christchurch kann jede/r erkennen, was Nationalismus, Waffengewalt, Rassenhass erzeugen: Zukunft wird zerstรถrt, wenn Menschen sich anmaรŸen, das Lebensrecht anderer willkรผrlich und gewalttรคtig zu beschneiden. Wo aber der Mensch sich zum gottรคhnlichen Rรคcher aufschwingt, ist kein Platz mehr fรผr Menschlichkeit, Empathie, Vielfalt, Solidaritรคt.

Nun kann jeder sehen, wohin das Gerede von der โ€žUmvolkungโ€œ, vom โ€žBevรถlkerungsaustauschโ€œ, von der โ€žIslamisierung des Abendlandesโ€œ, das auch bei uns die Rechtsnationalisten (und leider nicht nur sie) Tag fรผr Tag durch das Netz jagen, fรผhrt: zu blasphemisch-hybrider terroristischer Gewalt gegen die, die man dafรผr meint verantwortlich machen zu mรผssen, aber vor allem gegen Muslime selbst. Am Ende des Rechtsnationalismus steht fast zwangslรคufig der Terror gegen alle, die dem Rassismus nicht folgen wollen. Das allerdings ist keine neue Erkenntnis. Das ist die bittere Lehre aus dem real existierenden Faschismus im 20. Jahrhundert in Mitteleuropa, vor allem in Deutschland. Der Furor des Nationalismus endet im Kugelhagel der Terroristen.

Darum ist es so wichtig, dass wir entschlossen, klar und ohne jeden falschen Kompromiss allen entgegentreten, die die Mรคr von der โ€žUmvolkungโ€œ verbreiten, die den Islam als Religion verteufeln, die allein auf nationale Identitรคt setzen, darin verirren und sich bei uns ausschlieรŸlich in Deutschtรผmelei ergehen, wenn es um die Grundwerte des Zusammenlebens geht.

Das ist das Meta-Programm von Pegida/AfD

Bjรถrn Hรถcke hat es schon zu Papier gebracht. Das Massaker von Christchurch ist ein Fanal. Die ideologischen Rรผckbindungen der mutmaรŸlichen Tรคter zeigen an: die gewalttรคtige, rechtsradikale Szene hat sich international lรคngst vernetzt. Am anderen Ende der Welt wird die Ermordung von Angela Merkel gefordert, und der Terrorist Anders Behring Breivik wird als Held und Vorbild gefeiert.

Dazu und zeitversetzt der absolute Kontrast: Zehntausende junge Menschen, vor allem Schรผlerinnen und Schรผler, klagen ihre Zukunft ein โ€“ allein in Leipzig รผber 2.000. Sie setzen nicht auf Zerstรถrung, sondern auf Bewahrung der Schรถpfung. Sie lassen sich nicht national verblenden, sondern sehen den Klimaschutz als globale Aufgabe. Sie gehen nicht den bequemen Weg folgenloser Gesprรคche in gepflegter Atmosphรคre, sondern zeigen den Leugnern des Klimawandels die rote Karte. Sie mischen mit ihrem Schulstreik das politische Alltagsgeschรคft auf und wenden damit die Strategie an, die am Anfang jeder Reformbewegung stehen (muss): die begrenzte Regelverletzung ohne jede Gewalt.

Sie provozieren damit eine Gรผterabwรคgung zwischen preuรŸischer Gesetzestreue und Leben erhaltender Aktion. Frรผher sagte man: Deutschland hat deswegen keine erfolgreiche Revolution zustande gebracht, weil der Deutsche keinen Bahnsteig betritt, ohne die Bahnsteigkarte zu lรถsen. Jedoch: Ohne den Schulstreik, keine Aufmerksamkeit, keine Bewegung. Die Schรผler/innen haben es geschafft, die Klimapolitik zum zentralen Thema werden zu lassen. Sie halten uns den Spiegel vor. Auf einem Plakat war zu lesen: โ€žWรผrde das Klima Banken heiรŸen, wรคre es schon lรคngst gerettet.โ€œ

Die Schรผler/innen wehren sich gegen die politische Verlangsamung der notwendigen Interventionen. Sie fordern jetzt Entscheidungen โ€“ insbesondere den Kohleausstieg und das Ende der Braunkohlefรถrderung. Die Botschaft des erzwungenen Unterrichtsausfall ist deutlich: Was nutzt uns Bildung, wenn sie heute von den schon Ausgebildeten nicht angewendet und damit unsere Zukunft verbaut wird? Sie lenken den Blick weg von den Standardentschuldigungen wie den Arbeitsplรคtzen, die erhalten werden mรผssen, hin zu dem, was fรผr die Zukunft verheiรŸt: Ausstieg der Kohleverstromung und -fรถrderung, Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung, Entwicklung des lรคndlichen Raums unter Einschluss autonomer Energieversorgung, Mobilitรคt auf ร–VNP- und E-Basis.

An diesem Freitag ist deutlich geworden, worum es bei den Wahlentscheidungen in diesem Jahr geht: Zukunftszerstรถrung durch nationalistische Abschottung, durch Leugnung des Klimawandels und Kampf gegen kulturelle Vielfalt und demokratische Freiheiten; oder Zukunftsgestaltung durch demokratische Prozesse im gesellschaftspolitischen Diskurs, um so die politischen Entscheidungstrรคger zu verantwortlichem Handeln zu ermutigen.

Jeder ist aufgerufen, sich nicht nur an den Wahlen zu beteiligen, sondern schon jetzt und durchaus bewusst Grenzen รผberschreitend an der Erneuerung politisch-demokratischer Prozesse zu beteiligen. Dass dabei jeder Einzelne aufgerufen ist, seinen persรถnlichen Beitrag zum Klimaschutz beizutragen und dass wir uns dabei oft genug in eigenen Widersprรผchen verheddern, ist kein Grund zur Hรคme, sondern allenfalls Schutz vor รœberheblichkeit und Ansporn, nicht nachzulassen.

Jedenfalls pochen die Schรผler/innen zu Recht darauf, dass jetzt die Zeit fรผr Entscheidungen ist.

Fridays for Future in Leipzig: โ€žWer nicht hรผpft, der ist ein Autoโ€œ + Video & Bildergalerie

https://www.l-iz.de/politik/engagement/2019/03/Fridays-for-Future-in-Leipzig-%e2%80%9eWer-nicht-huepft-der-ist-ein-Auto%e2%80%9c-Video-Bildergalerie-264494

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

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Sehr geehrter Herr Wolff, diese Wort klingen seltsam aus dem Munde eines klugen Mannes, er sich andernorts mit den Verantwortlichen fรผr genau diesen Zukunftsverlust zumindest in Leipzig auf eine Bรผhne stellt, jenen, die die Immobilien und Flรคchen der Stadt an, um es vorsichtig zu sagen, auch bekannter MaรŸen halbseidene Geschรคftsmacher verscherbeln, die aus wahltaktischen Grรผnden alle Naturschutzvorschriften aushebeln, um rasch auf verbliebenen stรคdtischen Flรคchen mit der Brechstange sozialen Wohnungsbau zu demonstrieren, die Bรผrgerbeteiligung als einzige, man verzeihe die drastische Sprache, systematische Verarsche betreiben, den Verkehr umleiten, statt mit grรผndlich durchdachten und zukunftsfรคhigen Konzepten fรผr saubere Luft zu sorgenโ€ฆ Die Liste kann fortgefรผhrt werden. Ob es an der Zeit sein kรถnnte, sich, wenn schon, dann konsequent zu positionieren โ€“ diese Frage kann jedeR nur fรผr sich selbst beantworten. Und sollte dabei wissen, dass sie/er damit das Zรผnglein an der Waage ist bezogen auf die andere Frage: ob der berechtigte Protest der Kinder und Jugend ins Leere laufen wird oder nicht. Man kann nicht die Opfer ermutigen und sich mit Tรคtern gemein machen, ohne schuldig zu werden.

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