Ein selbstverwalteter Freiraum für Wohnen, Kultur und Politik – davon träumten Aktivisten im Leipziger Süden mehr als zweieinhalb Jahre. Doch die Situation rund um das „Black Triangle“ war von Anfang an kompliziert, da die Deutsche Bahn die Besetzer nicht dulden wollte. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Hausfriedensbruchs. Die Polizei hat das Grundstück an der Arno-Nitzsche-Straße nun durchsucht, aber keine Personen angetroffen. Am Mittwochabend, 16. Januar, soll als Reaktion auf den Einsatz eine Demonstration in Connewitz stattfinden.
Nach etwas mehr als zweieinhalb Jahren ist das „Black Triangle“ im Leipziger Süden seit heute nicht mehr besetzt. Die Polizei durchsuchte am Dienstagmorgen, den 15. Januar, das etwa 10.000 Quadratmeter große Areal in der Arno-Nitzsche-Straße, das sich im Besitz der Deutschen Bahn befindet. Offenbar hatten kurz zuvor sämtliche Aktivisten das Gelände verlassen.
Die Eigentümerin des Grundstücks hatte das ehemalige Umspannwerk über Jahre verfallen lassen. Im Sommer 2016 begannen Besetzer mit der Sanierung und richteten einzelne Räume zum Wohnen und zur kulturellen Nutzung her. So gab es Konzerte, Filmvorführungen und Kochabende ebenso wie Bandproberaum, Sauna und Werkstatt. Wie viele Menschen im „Black Triangle“ wohnten, ist unbekannt.
Strafantrag wegen Hausfriedensbruch
Von Anfang an forderte die Bahn die Bewohner auf, das Gelände zu verlassen. Das Unternehmen versuchte zudem, auf dem juristischen Weg eine Räumung zu erzwingen. Die Gerichte lehnten dies jedoch ab, da die Bahn die Anwesenden nicht namentlich identifizieren konnte.
Laut Polizei hatte die Bahn den Besetzern zuletzt eine Frist bis zum 28. Dezember 2018 gesetzt. Nun folgte auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses die Durchsuchung des „Black Triangle“. Damit sollte die Identität der Personen festgestellt werden. Die Bahn hatte zuvor einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt.
Die Polizei war nach eigenen Angaben mit etwa 150 Beamten vor Ort. Um auf das Grundstück zu gelangen, musste sie eine aus Autos errichtete Barriere entfernen. „Innerhalb des Gebäudes konnten keine Personen festgestellt werden“, teilte die Polizei am Nachmittag mit. „Allerdings erweckte ein Raum aufgrund laufender Heiz- und Lichtquelle den Eindruck, er sei in aktueller Nutzung gewesen und unmittelbar zuvor verlassen worden.“
Polizei und Staatsanwaltschaft wollen nun weiter ermitteln. Die Deutsche Bahn habe „Sicherungsmaßnahmen veranlasst“, um ein erneutes Betreten zu verhindern.
Kritik und Demoaufruf
Die Linkspartei bewertete den Polizeieinsatz als „Versuch einer Eskalation und Provokation“. Laut Stadträtin Juliane Nagel (MdL) gab es in den vergangenen Monaten mehrere Gespräche mit Eigentümerin und Besetzern. „Wir fragen uns, warum der Weg der Kooperation, der bereits beschritten war, nun einseitig abgebrochen wurde“, ergänzt Adam Bednarsky, der Vorsitzende der Linken in Leipzig. „Offensichtlich geht von den aktiven Menschen vor Ort keinerlei Gefahr aus.“
Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion im Stadtrat, spekulierten zudem über ein politisches Motiv des Polizeieinsatzes. „Polizeipräsident Merbitz nutzt sein Amt aus, um sich für die Landtagswahl in Sachsen zu profilieren“, schrieb Pellmann auf Twitter. Ähnlich formulierte es die Linksjugend.
Bernd Merbitz (62, CDU) wird als scheidender Polizeipräsident Leipzigs im Wahlkreis des ehemaligen Fraktionschefs der CDU, Frank Kupfer, zur Landtagswahl am 1. September 2019 antreten. Der WK 36 (Nordsachsen 3) gilt mit 43,3 Prozent (39,4 gesamt in Sachsen 2014) als CDU-Hochburg, Kupfer konnte 2014 noch mit 46,6 Prozent die Direktstimme holen.
Die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt lobte die Polizei hingegen: „Richtig so! In unserem Rechtsstaat ist kein Platz für rechtsfreie Räume. Jeder hat sich an die Gesetze zu halten. Das gilt auch für selbsternannte Besetzer sowie für Links- wie Rechtsextremisten.“
Für Mittwochabend ist bereits eine Demonstration am Wiedebachplatz in Connewitz angekündigt. Ein entsprechender Aufruf „solidarischer Kiezbewohner*innen“ kursiert auf Indymedia. „Wir wollen das Gelände zurück und es tatsächlich basisdemokratisch und emanzipatorisch nutzen und gestalten“, heißt es darin. Die Polizei wird wohl mit einem Großaufgebot im Einsatz sein.
Zur Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft
Interview mit dem Black Triangle: „Die Instandbesetzung ist weit vorangeschritten“
Interview mit dem Black Triangle: „Die Instandbesetzung ist weit vorangeschritten“
Es gibt 3 Kommentare
@Axel: Das ist eine Sache die sich mit gewidmetem Bahngelände rechtlich nicht vereinbaren lässt.
Weiterhin einen Konzern wie die Bahn im Staatsbesitz mit einem Immobilienspekulanten zu vergleichen ist ja lachhaft. Auf so eine Idee kommen die nicht und außerdem müsste das Eisenbahnbundesamt zustimmen.
Gar nicht zu reden von der extremen Belastung des Gebäudes durch Blei, was in einem Umspannwerk der DR vorhanden waren.
Das heißt bevor da überhaupt was passiert muss das Gelände saniert werden und was da möglich ist beschreibt der Bebauungsplan (genehmigt durch den Stadtrat) und nicht ein “Kollektiv” den nur das Bedürfnis ihres Klientel zählt.
@Frank: Schöne Theorie. Dann werfe ich mal Art. 14 GG mit in den Ring.
Strich Gesetzestext ist es Hausfriedensbruch, keine Frage. Ein jahrelang verfallendes, ungenutztes und unverplantes Gelände statt als Spekulationsobjekt o.ä. (s.a. Jahrtausendfeld) kreativ “umzunutzen” ist da sicherlich die bessere/sinnvollere Art, auch wenn sich über die gewählten Wege wunderbar (gesetzlich) streiten lässt. Wie es aussieht war man ja seitens der Besetzer durchaus an einer gemeinsamen Lösung interessiert, ist nur einseitig wohl nie gewollt gewesen.
In einer Stadt mit immer knapperen Freiräumen für kreative oder alternative Lebensweisen hätte sich sicherlich eine (Übergangs-)Lösung finden lassen, bis die DB was mit dem Gelände anfangen kann (verkaufen, verpachten, bebauen….was auch immer). Man hätte eine Vereinbarung schließen können, dass das Gelände soundso bis 202x genutzt werden kann, einen symbolischen Pachtzins festgelegt und alle hätten gewonnen.
Wem ist nun mit dem wahrscheinlich weiteren Verfall und der Verwahrlosung des Geländes gleich noch mal geholfen?
Vor dem Gesetz sind alle gleich. Punkt.