Nachdem das Künstlerkollektiv „Zentrum für Politische Schönheit“ eine Online-Fahndung nach Rechtsradikalen gestartet hat, gibt es nun eine neue Wendung: Das alles sei nur ein Trick gewesen. Die Teilnehmer der Demonstrationen in Chemnitz sollten ihre Namen in die Suchfunktion der Webseite soko-chemnitz.de eingeben, um möglichst viele Daten über Einzelpersonen und Netzwerke zu verraten. Inwiefern die Aktivisten damit tatsächlich neue Erkenntnisse sammeln könnten, lässt sich derzeit nicht einschätzen.
Das „Zentrum für Politische Schönheit“ (ZPS) hat seine Online-Fahndung nach Teilnehmern der rechtsradikalen Demonstrationen und Ausschreitungen in Chemnitz beendet. Die mal mehr und mal weniger anonymisierten Fotos angeblich Beteiligter sind auf der Homepage www.soko-chemnitz.de nicht mehr zu sehen. Stattdessen finden sich nun Informationen zu den laut ZPS eigentlichen Hintergründen der Aktion.
Demnach war das Ziel des Künstlerkollektivs vor allem, Informationen über die Suchanfragen auf der Homepage zu sammeln: „Wir bauten eine Webseite mit einem einzigen Ziel: Ihr liefert uns Euer gesamtes Netzwerk selbst aus und zwar ohne es zu merken. Das wichtigste Element dieser Seite: die Suchfunktion. Über die Suche habt Ihr uns mehr mitgeteilt, als öffentlich zugängliche Quellen je verraten hätten.“
Datensammlung
So hätten zahlreiche Besucher der Homepage zunächst den eigenen Namen eingegeben, um herauszufinden, ob sie sich auf dem Online-Pranger befinden – und anschließend in 62 Prozent der Fälle die Namen von Familienangehörigen. „Mittels Netzwerkanalyse und Datenvisualisierung waren Freundeskreise, Knotenpunkte, Mitläufer und Aufenthaltsorte relativ einfach auswertbar“, heißt es weiter.
Was genau nun mit den gesammelten Daten passieren soll, blieb zunächst unklar. Das ZPS beschreibt die Homepage als „Angebot für die Strafverfolgungsbehörden des Freistaates Sachsen und den Allgemeinen Arbeitgeberverband Sachsen“. Auch ist unklar, ob eine Auswertung in der genannten Größenordnung tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings hat das ZPS bereits angekündigt, die Daten eventuell an den Verfassungsschutz weiterzugeben.
Rechte Solidarität
In den vergangenen Tagen hat es eine breite Berichterstattung und kontroverse Reaktionen auf die Aktion des ZPS gegeben. Während manche Medien die Künstler lobten, sprach „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt von „Terror“. So hatte auch der AfD-Politiker Björn Höcke das ZPS bezeichnet, nachdem dieses auf einem Grundstück neben seinem Wohnhaus ein Holocaust-Mahnmal aufgestellt hatte.
Die neurechte Kampagnenplattform „Ein Prozent“ kündigte an, allen Betroffenen zu helfen, und forderte dazu auf, jene Unternehmen zu kontaktieren, die das ZPS direkt oder indirekt unterstützen. In zahlreichen Beitragen widmete sich auch die rassistische „Bürgerbewegung Pro Chemnitz“ der Aktion. Angeblich seien mehrere Fotos aus der Datenbank der „Soko Chemnitz“ verschwunden, nachdem die Rechtsanwälte der „Bürgerbewegung“ tätig geworden seien.
Die aktuelle Ankündigung, eine große Menge gesammelter Daten auswerten zu wollen, hält man für unglaubwürdig: „Also keine Angst, diese neuerliche Erklärung von denen ist ziemlicher Unfug und gefährdet niemanden.“ Ob diese Einschätzung wirklich zutrifft, wird sich wohl bald zeigen. Das ZPS möchte die Daten veröffentlichen.
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