Die neue Geschäftsführung und der Betriebsrat von Halberg Guss, jetzt Gusswerke Leipzig, hatten am 19. Dezember 2018 die Belegschaft und diejenigen, die sich für den Erhalt der Arbeitsplätze eingesetzt haben, zu einer Weihnachtsfeier in der Betriebskantine eingeladen. Während der Feier bat mich Betriebsratsvorsitzender Thomas Juers spontan, doch ein paar weihnachtliche Worte an die Belegschaft zu richten.
Das habe ich getan und zu Menschen gesprochen, denen der Weihnachtsmann mehr sagt als das Christkind, obwohl das Kind viel älter ist als der Mann mit dem Rauschebart. Zu Hause habe ich das frei Gesprochene aufgeschrieben und ein bisschen erweitert. Damit grüße ich alle Blog-Leser/innen (wolff-christian.de) zum Weihnachtsfest, danke für vielfältige Besuche auf meiner Homepage und freue mich auf rege Debatten im neuen Jahr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht gibt es ja bei einigen von euch zu Hause noch eine Krippe; oder ihr kennt zumindest die Darstellung der Geburt Jesu auf einer Weihnachtspostkarte: in der Mitte das Jesuskind, um das sich Maria und Joseph, ein Ochse und ein Esel, die Könige und die Hirten scharen. Vielleicht denkt der ein oder andere: Was soll das eigentlich mit diesem Holzgestell in einem Stall, und darin liegt ein Kind? Wieso soll das wichtiger sein als der seit Kindesbeinen an vertraute Weihnachtsmann? Ja, was bedeutet das?
Denn das ist schon eine merkwürdige Gesellschaft, die uns im Stall von Bethlehem begegnet: Maria, ein ungefähr 14-jähriges Mädchen, das geschwängert wurde und wegen dieser „Schande“ eigentlich hätte gesteinigt werden müssen. Joseph, der sich fragt, ob er Schuld hat an der Misere der Schwangerschaft und der Geburt. Eigentlich hätte er Maria verlassen müssen, um seine Haut zu retten.
Ochse und Esel: Denkt nur einmal kurz daran, wen ihr alles als Esel anseht oder wen ihr in letzter Zeit als Hornochsen beschimpft habt – und doch sind Tiere manchmal verständiger als wir Menschen. Dann die Könige, weise Männer: das Establishment, die oberen Zehntausend, die das Sagen haben, die Merkels und Macrons. Und schließlich das Proletariat, die Hirten, in mehr als prekären Verhältnissen lebend – so, wie es manchem unter euch gedroht hätte, wenn dieses Werk geschlossen worden wäre.
All diese Figuren scharen sich in einem Stall um ein Kind; versammeln sich um einen Tisch. Und was erleben, was erfahren sie? Wir gehören zusammen, obwohl wir uns fremd sind! Keiner der Krippenfiguren ist in Bethlehem „einheimisch“. Alle kommen von irgendwo. Aber wir so verschiedenen Menschen sind aufeinander angewiesen, müssen uns tragen und ertragen! Das Kind in der Krippe bindet uns aneinander. Das Kind vermittelt heimatliche Gefühle mitten in der Fremde. Das ist der Grund, warum von den Krippengemälden ein solcher Frieden ausgeht, warum sie eine solche Ruhe ausstrahlen. Deswegen stellen Menschen an Weihnachten bei sich zu Hause eine Krippe auf – ein Fixpunkt des friedlichen Zusammenlebens, auch wenn zu Hause die Hütte brennt.
Doch leider ist das auch der Grund dafür, dass sich Widerstand gegen diesen Frieden, gegen dieses Zusammenstehen regt. Da ist nämlich noch einer, der nicht auf den Bildern erscheint: der König Herodes. Er fürchtet nichts mehr, als dass Menschen sich verständigen, Vielfalt leben und sich, obwohl völlig fremd, verstehen. Darum will er den Grund des Friedens beseitigen: das Kind. Herodes lebt vom Krieg, vom Spalten, vom Ausgrenzen. Da ist er den Rechtspopulisten von heute sehr ähnlich. So verfällt er der grausamen Idee, alle Kinder töten zu lassen und damit Zukunft zu zerstören.
So, wie bis heute Kinder als Kanonenfutter in Kriege geschickt werden. Herodes ist sich einig mit denen, die auch jetzt versuchen, Menschen auseinanderzudividieren, sie in Schwarz und Weiß, in Ausländer und Einheimische einzuteilen und wegen Hautfarbe, Religion, kultureller Herkunft gegeneinander aufzubringen. Doch die Krippenfiguren lassen sich nicht trennen. Sie bleiben stehen – so als entwickele das Kind in der Krippe wie ein Magnet eine ungeheure Anziehungskraft: die des Friedens und der Liebe.
Doch ehe es zu idyllisch wird: All diese Figuren haben auch Ängste. Nicht nur der grausame Herodes, auch Maria und Joseph, voreinander und vor der Zukunft. Die Hirten sind geradezu zerfressen von Ängsten um ihre Existenz, und die Könige auch – Angst, ihren Nimbus, ihre Macht einzubüßen. Natürlich zweifeln sie: Gehören wir wirklich zusammen? Können wir uns vertrauen? Mitten in diesen Ängsten hören sie eine Stimme, die Stimme Gottes, ausgerufen durch einen Engel: „Fürchtet euch nicht.“
Fürchtet euch nicht vor Vielfalt, vor Verschiedenartigkeit, vor fremden Weisen, vor anderen Religionen, vor: Menschlichkeit. Seht euch als Menschen, die aufeinander angewiesen sind. Und dann hören sie noch mehr von den Engeln – nämlich das, worauf es ankommt: Gott die Ehre, der Erde Frieden, den Menschen Gerechtigkeit. Das hat ihnen Ängste genommen, sie auf Trab und zusammen gebracht. Das soll uns auch heute in Bewegung setzen. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich, ab und zu die Ohren zu spitzen und auf die Stimme des lieben Gottes zu hören.
Das ist allemal sinnvoller, als dem schrecklichen Getöse der Trumps, Putins, Erdogans, der Bachmanns, Gaulands und Höckes zu folgen. Die nehmen euch keine Ängste, die verstärken sie nur und machen euch mürbe und kampfunfähig. Die geben die Parole aus: „Fürchtet euch! Habt Angst!“ Doch an und vor Weihnachten muss sich niemand fürchten. Wir können furchtlos ins neue Jahr gehen. Furchtlos aufstehen und einen Arbeitskampf führen, wenn es nötig ist – aber immer mit dem Ziel: alle um einen Tisch! Ich wünsche euch frohe Weihnachten und Gottes Segen im neuen Jahr.
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