Mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen wird in Leipzig auch in diesem Jahr an das Grauen der Reichspogromnacht erinnert. Sie hatte in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 mit all ihrem Schrecken – brennende Synagogen, Gewalt gegen jüdische Mitbürger, Zerstörung ihrer Geschäfte und Wohnungen – die Stadt erreicht. Und das Ereignis jährt sich in diesem Jahr zum 80. Mal.

So wurde unter anderem die große Synagoge der Jüdischen Gemeinde an der Gottschedstraße, Ecke Zentralstraße, die am 10. September 1855 eingeweiht worden war, in Brand gesteckt.

Am Ort der zerstörten Synagoge erinnert seit 1966 ein Gedenkstein an die furchtbaren Ereignisse vom November 1938. Seit 2001 zeichnet ein Mahnmal den Grundriss des zerstörten Gebäudes nach. 140 leere Bronzestühle symbolisieren hier den Verlust der jüdischen Gemeinde.

Am Freitag, 2. November, wurde am Neuen Rathaus ein Großplakat enthüllt, das nicht nur an diesen Tag erinnert, sondern auch daran, dass der 9. November 1938 nicht aus dem Nichts kam. Er hatte einen langen Vorlauf. Und der ist aufs Engste verknüpft mit der Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen in den 1920er Jahren und der Radikalisierung der gesellschaftlichen Ränder.

Ein ganz heutiges Thema, wo wieder einmal radikale Politiker die politische Sprache aufheizen, Krieg und Völkermord verharmlosen und stattdessen Minderheiten zu Feinden erklären und abwerten.

Plakat am Neuen Rathaus. Foto: Ralf Julke
Plakat am Neuen Rathaus. Foto: Ralf Julke

„Unmenschlichkeit beginnt mit Worten“, kann man jetzt auf dem Plakat mit der brennenden Synagoge lesen.

Mit Worten werden Menschen zu Außenseitern gemacht, werden Brandreden gehalten, wird gezündelt und verächtlich gemacht. Wenn aber die gesellschaftliche Diskussion immer hasserfüllter wird, ist es meist nur noch ein kleiner Schritt, bis einige Leute sich berufen fühlen, aus hasserfüllten Worten auch Taten zu machen. Oder gar – wie die Nationalsozialisten – eine demokratische Gesellschaft zu zerstören und ihre Verachtung für „minderwertige“ Menschen zur Staatsdoktrin zu machen.

Und die heutigen nationalistischen Parteien sind genau auf diesem Weg.

Statt Lösungen für die Zukunft zu suchen, bieten sie ihren Anhängern finstere Feindbilder und brachiale Lösungen, die den Konsens unserer Demokratie zerfressen. Auf einmal scheint Menschenverachtung wieder akzeptabel zu sein.

Was sie nicht ist. Nicht mal im Kleinen.

Auch in Leipzig ging in der Nacht vom 9. zum 10. November die große Synagoge der Jüdischen Gemeinde in der Gottschedstraße/Ecke Zentralstraße in Flammen auf.

Oberbürgermeister Burkhard Jung sagt dazu: „Die Pogromnacht ist in diesem November 80 Jahre her, es gibt kaum noch Zeitzeugen, die aus eigener Erfahrung über die Schrecken von damals berichten können. Gleichzeitig zeigt sich heute, wie Fremdenhass, Pöbeleien und eine zunehmend verrohende politische Kultur auch in Deutschland wieder um sich greifen.

‚Unmenschlichkeit beginnt mit Worten‘ – das galt vor 80 Jahren und das gilt auch heute. Halbwahrheiten, Lügen und üblen Beschimpfungen muss sich jeder Einzelne von uns entgegenstellen. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind keine abstrakten Begriffe. Sie sind nur so stark und wehrhaft, wie jeder von uns sie macht.“

In Leipzig lebten 1935 schätzungsweise 15.000 jüdische Frauen, Männer und Kinder, die nach Inkrafttreten der „Nürnberger Rassegesetze“ verfolgt wurden. Die NS-Herrschaft und den Holocaust überlebten nur sehr wenige von ihnen, im Mai 1945 zählte die jüdische Gemeinde nur noch 20 Mitglieder. Heute erinnern unter anderem 480 „Stolpersteine“ an die Wohnorte ehemaliger jüdischer Leipzigerinnen und Leipziger.

Rund um den 9. November gibt es in Leipzig eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die daran erinnern, was die Pogrome der Nationalsozialisten vor 80 Jahren angerichtet haben und wie viel Leid die menschenfeindliche Politik über die Menschen gebracht hat.

Der Erich-Zeigner-Haus e.V. hat ein wenig von dem, was um diesen Tag herum in Leipzig stattfindet, zusammengefasst:

Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine putzen“ zum 80. Jahrestag am 9. November 2018 – Putzpaten gesucht!

In diesem bedeutsamen Jahr ruft auch der Erich-Zeigner-Haus e.V. zum bereits 11. Mal zur gemeinsamen Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine putzen“ am 9. November auf. Die Intention der Veranstaltung ist das Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Diese Pogrome bildeten einen weiteren Höhepunkt der beispiellosen Verfolgung und Entrechtung von Mitbürgerinnen und Mitbürgern im gesamten ehemaligen Deutschen Reich. Im Rahmen dieser deutschlandweiten Gedenkaktion beteiligen sich an diesem Tag zahlreiche Städte an den Mahnwachen und dem symbolischen Stolpersteine Putzen.

In Leipzig finden unterschiedliche Veranstaltungen an diesem Tag statt. So beginnt die städtische Gedenkveranstaltung 9:30 Uhr an der Synagogengedenkstätte in der Gottschedstraße. Um 11:00 Uhr findet die symbolische Auftaktveranstaltung des Erich-Zeigner-Haus e.V. an den Stolpersteinen der jüdischen Familie Frankenthal am Dittrichring 13 statt, wo unter anderem der Oberbürgermeister Burkhard Jung, der Superintendent a. D. Friedrich Magirius und SchülerInnen aus aktuellen Jugendprojekten des Vereins die Stolpersteine putzen werden.

„Insbesondere am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht wollen wir als Organisatoren der Gedenkaktion an allen Stolpersteinen ein öffentliches Zeichen setzen, damit die Verbrechen unter dem NS-Regime nicht in Vergessenheit geraten und uns auch in der Gegenwart mahnen“, so Henry Lewkowitz, Geschäftsführer des Vereins.

Bei der symbolischen Putzaktion handelt es sich um sogenannte „Tagespatenschaften“ für verlegte Stolpersteine in Leipzig. Aktuell liegen in Leipzig über 400 Stolpersteine an ca. 180 Orten und erinnern an die Verfolgung, Entrechtung und Ermordung Leipziger BürgerInnen. Nach Anmeldung für einen Verlegeort kümmern sich PatInnen am Tag des 9. Novembers in den Zeiträumen zwischen 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr und 16:30 Uhr bis 18:00 Uhr um „ihren“ jeweiligen Verlegeort, reinigen die Steine und halten Mahnwachen ab, die individuell gestaltet werden können.

Wir empfehlen das Vortragen der jeweiligen Biographie, das Reinigen der Stolpersteine sowie das Entzünden einer Kerze. Das tatsächliche Reinigen der Stolpersteine ist bedeutsam, da die Messingoberfläche mit der Zeit durch äußere Umweltbedingen zu oxidieren beginnt und die leuchtend goldenen Steine zwischen den Pflastersteinen untergehen. Zum Einen bringt das Reinigen die Farbe zurück, aber dient gleichzeitig dem Gedenken an die Opfer, denn um die Inschriften zu lesen und die Steine reinigen zu können, müssen sich die Menschen symbolisch vor den Opfern verbeugen.

Damit auch in diesem Jahr wieder alle Stolpersteine gereinigt und allen Opfern gedacht wird, benötigt der Verein aktives und zahlreiches Engagement aus der Zivilbevölkerung. „Wir wollen auch wie in den vergangenen Jahren es wieder schaffen, dass alle Stolpersteine durch Putzpaten gereinigt werden“, so Susanne Borschke Projektbegleiterin und Mitarbeiterin im Erich-Zeigner-Haus e.V. „Wir stehen vor der Situation, dass wir viele neue Putzpatenschaften bereits vergeben haben, aktuell fehlen noch ca. 70.“

Hintergrund ist, dass altersbedingt viele Putzpatenschaften abgegeben werden müssen, sodass der Verein in diesem Jahr eine komplette Neuorganisation der Putzpatenschaften organisiert. Die Gedenkaktion „Mahnwache und Stolpersteine Putzen“ wird dabei vom Kulturamt der Stadt Leipzig unterstützt. Hierbei spielt es auch keine Rolle, ob Sie als Einzelperson, Klassenverband, Arbeitsgemeinschaft, Freunde oder als Familie diese Patenschaft übernehmen.

Melden Sie sich gerne über das Kontaktformular auf unserer Homepage www.erich-zeigner-haus-ev.de/9ternovember an, wo sie auch einsehen können, welche aktuellen Verlegeorte noch ohne Pat*Innen sind oder per Email an Kontakt@erich-zeigner-haus-ev.de.

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