„Politiker rechnen mit Lichtfest ab – nächste Feier ohne Meier?“, titelte die LVZ (auch online) am 13. Oktober. Ein Beitrag, der gegen den künstlerischen Leiter des Lichtfestes, Jürgen Meier, zielte, aber aus der Politik nur Vertreter der CDU und ausgerechnet der AfD zu Wort kommen ließ. Bewusst wurde darauf angespielt, es handele sich ja bei Meier um einen Westdeutschen. Völlig daneben jedoch fand die Übernahme rechter Argumentationsmuster dabei der Leipziger Professor für Romanische Literaturwissenschaft und Kulturstudien Alfonso de Toro. Sein Kontra dazu hier als Gastbeitrag.

Erschütterung einer demokratischen Streitkultur

Alfonso de Toro

Seit Wochen wird propagiert, wie nachhaltig Ostdeutsche von der Wendeerfahrung traumatisiert und wie sie permanent seit fast dreißig Jahren Opfer von Diskriminierung seitens Westdeutscher seien, was sich in täglicher mangelnder Anerkennung, in Herabsetzung und in Ausgrenzung äußerte.

Von der Diskriminierung und Ausgrenzung, die Westdeutsche seitens Ostdeutscher erfahren haben und heute noch erfahren, war bisher davon nicht die Rede (auch gut so!), diese kommt jetzt aber öffentlich und in einer sehr hässlichen Form in der Kritik gegen Jürgen Meier zum Vorschein, wie es im Bericht aus der LVZ vom 13./14.10.2018 über „Politiker rechnen mit Lichtfest ab – nächste Feier ohne Meier?“ dokumentiert wird.

Die Art dieser Kritik gegen den künstlerischen Leiter des Lichtfestes geht weit über das Lichtfest hinaus und verrät den aktuellen besorgniserregenden gesellschaftlichen Zustand Deutschlands und vor allem Sachsens; deshalb fühle ich mich geradezu genötigt, Stellung zu nehmen.

Als ob wir zurzeit nicht genug Ausgrenzung seitens Populisten und Nazis gegen Andersdenkende, Ausländer, Juden, Muslimen, Homosexuelle erführen, setzen Rechte aus der CDU und selbsternannte Gralshüter der Wende einen darauf: Nun diskriminiert man einen Künstler als „linksideologische[n] [Umdeuter]“ (Leipziger CDU) bzw. als „[einen] Kulturschaffenden, [der] auf der anderen Seite der Mauer sozialisiert [wurde].“ (Robert Clemen)

Und der Stadtrat Ansberg Maciejewski scheut sich nicht, Meier zu beleidigen: „Wer beim Lichtfest Erich und Margot Honecker beim Tanz auf die Videowand projiziert, hat nicht alle Latten am Zaun. Ekelhaft.“

Pressekonferenz zum Lichtfest 2018: Marit Schulz, Gesine Oltmanns, Burkhard Jung, Eva Meitner. Michael Koelsch und Jürgen Meier. Foto: Ralf Julke
Pressekonferenz zum Lichtfest 2018: Marit Schulz, Gesine Oltmanns, Burkhard Jung, Eva Meitner. Michael Koelsch und Jürgen Meier. Foto: Ralf Julke

Jede öffentliche Persönlichkeit, und gerade jene, die sich an aktuelle sensible Themen machen, sind selbstverständlich der Kritik ausgesetzt. Das ist Normalität in einer demokratischen offenen Gesellschaft, aber jemanden aufgrund seiner Herkunft auszugrenzen, ist verfassungswidrig, damit inakzeptabel, und zwar auch deshalb, weil derartige Äußerungen einen Geist der Feindseligkeit aufbauen, um den Unliebsamen zu diskreditieren und ihn/sie mundtot zu machen. So wird eine sinnvolle Diskussion, auch aufgrund von Beleidigungen, über Konzepte geradezu fahrlässig verhindert und eine sicher notwendige Debatte in eine verhängnisvolle Richtung gelenkt.

Das Argument: „Worum es 1989 gegangen ist, wissen die Menschen, die das SED-Unrecht überwunden haben, immer noch am besten“ (Robert Clemen), ist an Kleingeistigkeit und Provinzialismus nicht zu überbieten: Wenn nur Bio-Leipziger/Sachsen reden dürften, würde man einen Großteil der Leipziger aus dem gesellschaftlichen Leben ausschließen müssen.

Mit diesem Gedankengut hätte Hinrich Lehmann-Grube oder Burkhard Jung niemals OB werden dürfen, mancher Dezernent sowie Mitarbeiter im Rathaus müssten entlassen werden und der Schwabe Timo Werner sollte schnellstens seine Sachen einpacken. Gut beraten wäre man hingegen, wenn man derartige Positionen mit ihrer abstrusen Wirkung zu Ende denken würde, bevor man sie in die Öffentlich lanciert.

Jürgen Meier kenne ich als einen weltoffenen Künstler, der politisch keineswegs a priori festgelegt ist und schon gar nicht als einen „Linksideologen“ definiert werden kann. Was er versucht, ist mehr als evident und wertvoll (ohne dass es gleich heißt, dass seine Konzepte nicht kritikwürdig oder verbesserungsbedürftig wären); frei nach Benjamin: Die Vergangenheit so lebendig zu halten, dass diese mit der Gegenwart verbunden wird und eine Aussagekraft für die Zukunft erhält. Alles andere verwandle so ein mächtiges Ereignis wie die Wende, zu einem Museum und auf die Dauer zu abgedroschen Phrasen, zu purer Nostalgie. Die Wende hat das, weiß Gott nicht verdient!

Besorgniserregend ist in dieser Art der Kritik der nationalistische Geist der Intoleranz und der Unfreiheit der Kunst gegenüber, der zum Ausdruck gebracht wird, einem Geist, dem alle Parteien, die für Offenheit, Diversität und Toleranz eintreten, Einhalt gebieten müssen. Ich frage mich deshalb, wo die Stimmen der SPD, der Grünen, der Linken und der Liberalen in dem oben genannten Bericht geblieben sind, die immer für Meinungsfreiheit eintreten, hoffentlich auch in diesem Fall und nicht nur bei Sonntagsreden.

Das Schlimme bei dieser Art von Kritik ist, dass manche Politiker den nationalistischen Diskurs populistischer rechtsextremer Parteien (ich unterstelle unfreiwillig) übernehmen und trotz des Wahldebakels in Bayern und der zu erwartenden in Hessen und bald in Sachsen immer noch nicht begriffen haben, dass solchen Parteien nachzulaufen nur Unfreiheit und Unglück über eine freie Gesellschaft bringt und dass Parteien sich damit selbst den eigenen Graben schaufeln. Hier liegt die Sprengkraft dieser ausgrenzenden Argumentation.

Prof. em. Dr. Alfonso de Toro, Leipzig, 16.10.2018

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