โWir genieรen unser Inseldasein, scheren uns wenig um das, was um uns herum passiert. Eine Welt und ihre mรผde gewordene Moral kracht zusammen. Maulhelden treffen sich, die, sollten sie Macht bekommen, sich als Mรถrder und Folterknechte entpuppen. Wir reden schรถn, was furchtbar ist, Herr Paul.โ Mit dieser prophetischen Kurzanalyse der gesellschaftspolitischen Groรwetterlage reagiert die Hauptfigur in Peter Hรคrtlings* letztem Romans โDer Gedankenspielerโ, der alternde Architekt Johannes Wenger, auf die Bemerkung seines Pflegers Paul: โSie sehen aus, als ob Sie tรคglich Wellness betrieben.โ
So sehen leider viele aus โ nicht nur die โMaulheldenโ, die sich die Mรผdigkeit der Moral zunutze machen, um abseits von Grundwerten Menschen daran zu gewรถhnen, dass es auf moralische Maรstรคbe, die mein eigenes Handeln formen und infrage stellen, nicht ankommt. Auch diejenigen, die um den รคuรeren Schein des Inseldaseins wissen, verhalten sich oft so, als sei โalles gutโ.
Doch nichts ist gut, will der von Hinfรคlligkeit gezeichnete Wenger seinem Pfleger zu verstehen geben. Er jedenfalls nimmt den Seehofers, Sรถders, Dobrindts und ihren medialen Phonverstรคrkern die Botschaft nicht ab, die sie jeden Tag den Menschen eintrichtern: Wir sorgen dafรผr, dass wir unter uns bleiben, und schaffen auf unserer christlich-abendlรคndischen Insel alles, was der Wellness dient.
Nur so ist zu erklรคren, dass Noch-Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Vorstellung seines sog. โMasterplan Migrationโ so geredet hat, als gebe es keinen Koalitionsvertrag, keinen Kompromiss, kein abgestimmtes Regierungshandeln โ nur eine seehofersche โIch-Regierungโ. Damit macht er sich selbst zum hybrid-machtgeilen, aber durchaus bedauernswerten Greis, der sich mangels eigener รberzeugungskraft dazu entschlossen hat, das Geschรคft der โMaulheldenโ von der AfD und der autokratischen Anti-Europรคer in Ungarn, รsterreich und Italien zu betreiben und gleichzeitig alle in Sicherheit zu wiegen, die sich (noch) auf einem Wellness-Trip wรคhnen.
Doch im Gegensatz zum hinfรคlligen Wenger in Hรคrtlings Roman glaubt Seehofer seinen Einflรผsterern und seinem รผbersteigerten Ego, dass er fรผr die Polit-Wellness unentbehrlich ist. Im Roman von Peter Hรคrtling aber antwortet Pfleger Paul: โIch stimme Ihnen zu, Herr Wenger. Doch was kann unsereiner tun?โ Wenger antwortet: โUnsereiner? Einer genรผgt, Herr Paul, der mit Vernunft und Wehmut anderen mitteilt, was uns verloren gehen kรถnnte.โ Pfleger Paul: โDas ist zu wรผnschen.โ
Ja, wenn wir verhindern wollen, dass die Maulhelden immer mehr Einfluss gewinnen, dann kommt es auf den einen Bรผrger, die eine Bรผrgerin โ ob junger Pfleger oder alter Architekt โ an, die durch wache Zeitgenossenschaft der Ermรผdung der Moral widerstehen und die Lรผge vom Inseldasein entlarven.
* Peter Hรคrtling starb vor einem Jahr, am 10. Juli 2017, im Alter von fast 84 Jahren. Sein letzter Roman โDer Gedankenspielerโ erschien 2018 im Verlag Kiepenheuer & Witsch Kรถln.
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Mir wird schlecht wenn ich dieses blรถde Grinsen sehe. Einer der widerwรคrtigsten Menschen, die unsere Politik zu bieten hat, da wird selbst der greise Gauland neidisch bei so viel Schlechtigkeit. Vor lauter Entsetzen รผber den Einzug der AfD in den Bundestag haben wir total รผbersehen, dass dieser schon lang vorher mit Rassisten besetzt war. Ein schwerer Fehler, der uns jetzt alle viel kostet.