Am 21. Juni wird in Lindenau ein Stolperstein für die Diakonisse Marie Runkel verlegt, die 1941 in die Mordmaschinerie des NS-Regimes geriet. Eine überfällige Geste nennt es Michael Kühne, Rektor des Leipziger Diakonissenhauses. Und eine Ausstellung zum Leben der Gewürdigten wird auch eröffnet. Auch eine Gedenkandacht ist geplant und ein Fachvortrag zum Thema NS-„Euthanasie“.
Die Diakonisse Marie Runkel gehörte von 1913 bis 1941 fast 30 Jahre dem Leipziger Diakonissenhaus an und widmete hier ihre Arbeit der Pflege hilfebedürftiger Menschen. Als sie in den 1930er-Jahren selbst psychisch erkrankte, fiel sie dem nationalsozialistischen Vernichtungssystem zum Opfer und wurde am 17. März 1941 im Alter von 62 Jahren in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet.
Mit einem Stolperstein möchten das Ev.-Luth. Diakonissenhaus Leipzig und das Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig nun an ihr Schicksal erinnern und für sie einen würdigen Gedenkort schaffen.
Die Verlegung des Stolpersteins findet am Donnerstag, 21. Juni, um 9 Uhr am Eingang des Diakonissenmutterhauses (Georg-Schwarz-Straße 49) statt. Jeder Interessierte ist herzlich dazu eingeladen, an dieser öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen.
Die Stolpersteinverlegung wird durch den Künstler Gunter Demnig vorgenommen und mitgestaltet von Auszubildenden der Krankenpflegeschule des Diakonissenkrankenhauses. Im Anschluss ist ab ca. 9:30 Uhr eine Gedenkandacht zur Erinnerung an die ermordete Diakonisse Marie Runkel in der Kapelle des Diakonissenhauses geplant. Verbunden wird dies mit einem Vortrag zum Thema „NS-‚Euthanasie‘ und Schizophrenie damals und heute“. Referent ist der Medizinhistoriker Dr. Florian Bruns vom Universitätsklinikum Halle.
Zur Erinnerung an Marie Runkel wurde auch eine kleine Ausstellung über ihr Leben und ihre Ermordung erarbeitet. Erstmals wird sie an diesem Gedenktag im Foyer vor der Kapelle für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Inhaltlich ausgestaltet wurde diese Ausstellung von der Kulturwissenschaftlerin Dr. Fruzsina Müller, die sich seit 2016 eingehend mit der Historie des im Leipziger Stadtteil Lindenau ansässigen Diakonissenhauses beschäftigt. Unterstützt wurde sie hierbei von Hagen Markwardt von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein.
„Die Verlegung eines Stolpersteins für unsere Schwester Marie Runkel ist eine längst überfällige Geste, mit der wir an ihr Schicksal erinnern und uns in Trauer und voller Demut verneigen möchten“, erläutert Dr. Michael Kühne, Rektor des Leipziger Diakonissenhauses. „Denn wie bei den meisten Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde wurden, gibt es für sie bis heute weder einen Grabstein noch einen Ort, wo sie ihre letzte Ruhe fand.“
Das Leben von Marie Runkel
Geboren am 8. November 1878 in Merseburg, arbeitete Marie Runkel nach dem Besuch der Bürgerschule 13 Jahre lang als Dienstmädchen. Ab 1907 erlernte sie im Leipziger Diakonissenkrankenhaus sowie in anderen medizinischen Einrichtungen den Krankenpflegeberuf. Am 29. November 1913 wurde sie zur Diakonisse eingesegnet.
Fortan arbeitete sie als Krankenschwester an der Leipziger Augenklinik, in der Michaelisgemeinde und im Krankenhaus Döbeln. Im Jahr 1918 trat sie kurzzeitig aus dem Diakonissenhaus aus und 1921 wieder ein. Sie übernahm die Gemeindepflege in Böhlitz-Ehrenberg, wo sie bis zum Ausbruch ihrer psychischen Erkrankung im Jahr 1935 tätig blieb.
Im November 1935 wurde Marie Runkel in die Leipziger Universitätsnervenklinik eingewiesen. Von dort aus kam sie am 5. Dezember 1935 in die Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen. Hier wurde eine Schizophrenie bei ihr diagnostiziert. Am 21. Februar 1941 erfolgte „aufgrund einer Anordnung des zuständigen Herrn Reichsverteidigungskommissars“ eine Verlegung in die staatliche Heil- und Pflegeanstalt nach Zschadraß, wo sie nur kurz blieb.
Bereits am 17. März 1941 erfolgte eine erneute Verlegung in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet wurde – gemeinsam mit 81 weiteren aus Zschadraß deportierten Menschen, die allein an jenem Tag der nationalsozialistischen Mordaktion an psychisch kranken und behinderten Menschen („T4“) zum Opfer fielen. Ihre Asche wurde vermutlich hinter dem Tötungsgebäude einen Hang hinabgeschüttet.
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