LZ/Auszug aus Ausgabe 55Es war ein großes Spektakel. Parteibonzen, Regierungsvertreter und Mitglieder der Leipziger Universität trafen sich, um den Sieg über diese – ihrer Meinung nach klar verabscheuungswürdige – Ideologie zu feiern. Endlich konnten sie den von ihnen ersehnten Schlussstrich unter die Gebäudefrage ziehen. Ein paar Andersdenkende trauten sich dagegen zu demonstrieren, doch die Staatsmacht hielt sie auf Abstand zur „Universitätskirche St. Pauli“.
Und überhaupt waren es recht wenige Demonstranten, die sich da zusammengefunden hatten. Viele Bürger hielten diesen unsäglichen Akt zwar für falsch, aber sie glaubten ohnehin nicht mehr daran, mit ihrem Protest noch etwas ändern zu können und kamen daher gar nicht. Bei einigen schwang auch die Angst mit, sich an diesem Thema die Hände zu verbrennen, wenn man eine vom Mainstream abweichende Haltung vertritt. Zu eindeutig hatte die Regierung zu erkennen gegeben, dass sie ihren Willen durchsetzen will und die Universität kein echtes Mitspracherecht hat.
Das gesamte Rektorat war schon einmal aus Protest gegen die Einmischung in ihre Angelegenheiten zurückgetreten. Heute weiß das fast keiner mehr, und es will auch niemand darüber sprechen. Inzwischen wurde also auch die Universität schon auf Linie gebracht und billigte das Vorgehen nicht nur, nein, sie begrüßte es sogar und wiederholte eifrig die von der Obrigkeit vorgegebenen Floskeln. Kritiker mahnten, selbst wenn man der von der Partei verordneten Ideologie (oder wie wir heute sagen: „Leitkultur“) folgt, sei der Akt nach den geltenden Gesetzen rechtswidrig. Es hatte sich eine Bürgerinitiative gegründet, über 3.000 Unterschriften wurden gesammelt.
Umfragen hatten ergeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Idee nicht gutheißt. Doch es half alles nichts: Der Chef-Ideologe hatte verkündet „Das Ding muss her!“. Und so kam es schließlich: Am 3. Dezember 2017 wurde die Aula der Leipziger Universität zur „Universitätskirche St. Pauli“ geweiht.
Ursprünglich sollte es nur ein Andachtsraum sein. Doch es dauerte nicht lange, und schon ließen Kirchenfunktionäre und -sympathisanten verlautbaren, dass das gesamte Gebäude eine Kirche sei. Ein Ort des Wissens wurde in einen Ort des Glaubens umgewandelt. Dem „geistigen Zentrum“ wird nun stets auch ein „geistliches Zentrum“ zur Seite gestellt. Das Grundgesetz sieht ganz klar vor, dass Kirche und Staat getrennt sein sollen. Eine Vermischung ist gerade verboten – sowohl bei den Finanzen als auch institutionell. Trotzdem wurde mit Hochschulbaugeldern eine Kirche errichtet, die baulich, organisatorisch und personell („Universitätsprediger“!) mit der Universität verbunden ist. Dieser Bau bzw. dessen Nutzung verstößt ganz klar gegen unsere Verfassung, gegen die Pflicht des Staates zur weltanschaulichen Neutralität.
Gottesdienste in einem Ort der Wissenschaft durchzuführen, ist „Barbarei“ an der intellektuellen Redlichkeit. Zum 50. Jahrestag der Sprengung verbreitet die Kirche genau dieses Kampfwort noch stärker als die Botschaft Jesu. Und Politik und Universität sind unbedarft genug, es zu übernehmen. Daran zeigt sich mal wieder, wie sehr die Kirche den öffentlichen Diskurs verzerrt. Natürlich kann man die Sprengung für falsch halten und daran erinnern. Aber fair wäre es nur, wenn die Partei-, Regierungs- und Universitätsmitglieder nur ein einziges Mal mit gleichem Nachdruck an die zahlreichen Kirchenopfer erinnern würden. Stattdessen stilisiert man die Sprengung hoch zu einer Generalabrechnung mit der DDR.
Unerwähnt bleibt dabei aber, dass selbst die DDR Staatsleistungen an die Kirche gezahlt hat. Unerwähnt bleibt auch, dass die Kirche kein Hort der Opposition gewesen ist, sondern als Institution den Staat eher gestützt und sich mit vielem arrangiert hat. Das schreibt kein „Kirchenhasser“, sondern der Stasi-Unterlagen-Beauftragte Roland Jahn. In Thüringen und Sachsen-Anhalt bat die Evangelische Kirche 2017 um Vergebung, weil es Fälle gab „in denen Pfarrer und Pfarrerinnen und kirchliche Mitarbeitende mit staatlichen Stellen konspiriert, Vertrauen verletzt und Anderen Schaden zugefügt haben und dass wir unsere Verflochtenheit in diese Schuld bis heute nicht bekennen.“
All das – darauf verwette ich mein bestes „gottlos glücklich“-T-Shirt – wird am 30. Mai 2018 keine Rolle spielen.
Genauso wenig wie die Frage, von welchen Kriterien es abhängen soll, ob der Staat überhaupt Kirchen sprengen darf. Das gesprengte Gebäude gehörte nicht mehr der Kirche, sondern stand im Eigentum des Staates. Nach der Auflösung des Dominikanerklosters wurden 1543 alle Gebäude des Klosters im Zuge der Säkularisation der Universität Leipzig übereignet. Wenn die Katholiken ihre St. Bernhard-Kirche in Brandenburg/Havel entwidmen und danach sogar bei ebay anbieten, maßt der Staat sich doch auch nicht an, der Kirche vorzugeben, wie sie mit ihrem Eigentum umzugehen habe.
Die Kirche wurde auch nicht einfach „willkürlich“ beseitigt, sondern zugunsten eines modernen Universitätsneubaus. Das ist nach herrschender Staatsrechtsdogmatik immerhin ein legitimer Zweck. Also müsste man eine Abwägung vornehmen. Für den Braunkohletagebau wurden und werden auch in der BRD schon mehrfach Kirchen zerstört. Wo bleiben da die Denkmale, die Festakte, die Millionen für den Wiederaufbau, die öffentlichen Empörungen, die Anklagen gegen den gesamten Staat?
Ganz so einfach ist das also nicht. Doch statt differenzierter Auseinandersetzung gehen Staat und Kirche nun wieder Hand in Hand und verbreiten den Geruch der Siegerjustiz. Wenn der CDU-FREI-Staat Sachsen aber besser sein will als der „Unrechtsstaat“ DDR, dann sollte er sich wenigstens selbst an seine Verfassung halten.
Maximilian Steinhaus engagiert sich in der Giordano Bruno Stiftung Leipzig.
Mehr unter www.giordano-bruno-stiftung.de, www.gbs-le.de
Keine Kommentare bisher
Danke für den Gastbeitrag!
Ich hatte auch, etwas überspitzt formuliert, das Gefühl einige wenige “engagieren” sich laut und plötzlich zahlen alle für eine neue Kirche…