Die meisten unserer Feiertage sind zwar christlich begründet, eröffnen uns aber auch den Blick auf das Einmalige und Wichtige in unserem Leben, wie Fabian Vogt in seinem Büchlein „Feiert die Tage“ sehr anschaulich erzählt. Aber gleichzeitig dienen diese Feiertage auch staatlichen Reglements, die für Menschen ohne Kirchenbindung überhaupt keinen Sinn machen. Und deshalb soll am Karfreitag in Leipzig eben doch getanzt werden.
Die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung („gbs Leipzig“) richtet mit ihrer Heidenspaß-Party einen Appell an den sächsischen Landtag zur Streichung der Vergnügungsverbote am Karfreitag.
Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: „Ein weltanschaulich neutraler Staat darf seine Bürger nicht zur kollektiven ‚Jesus starb für unsere Sünden‘-Trauer verpflichten und ihnen das Tanzen, Sport und sonstige öffentliche Vergnügungen verbieten! Genau das steht aber immer noch im Sächsischen Sonn- und Feiertagsgesetz um den ‚ernsten Charakter‘ des Karfreitags zu schützen. Hiergegen demonstrieren wir mit einer Heidenspaß-Party in der Moritzbastei.“
Der Hintergrund: Bereits Ende 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der „Münchener Heidenspaß-Party 2007“ und die entsprechenden Bestimmungen des Bayerischen Feiertagsgesetzes für nichtig. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass am „stillen“ Karfreitag sehr wohl getanzt werden darf – sofern der Tanz Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum ist.
Deshalb beginne, so Steinhaus, die Heidenspaß-Party am Freitag, 30. März, um 20 Uhr mit einem amüsanten aber nicht minder ernsten Vortrag des vierfachen Bestseller-Autors Philipp Möller, der den Gästen noch einmal erklärt, warum für die Anwesenden gilt: „Gottlos glücklich – warum wir ohne Religion besser dran wären.“ (So auch der Titel seines aktuellen Buches.) Nach einer angedachten intensiven Diskussion geht es ab etwa 22 Uhr weiter mit ausgelassener Tanzerei bis in den Ostersamstag hinein. An den Reglern steht DJ Sergej Klang.
Maximilian Steinhaus erklärt, warum trotz der Entscheidung aus Karlsruhe weiterhin Protest nötig ist: „Zwar gibt es in Sachsen laut Gesetz die Möglichkeit, von dem Vergnügungsverbot eine ‚Befreiung‘ zu beantragen. Doch die Kirchen haben sich im Gesetz ein Mitspracherecht gesichert (§ 7 Absatz 2). Vor allem aber kann es nicht sein, dass sich die über 70 Prozent Nicht-Christen ihre Aktivitäten genehmigen lassen müssen, nur um die religiösen Gefühle einer christlichen Minderheit zu schützen. Die Politik sollte nicht immer nur die streitbare Legende vom christlichen Abendland bemühen, sondern auch endlich die geänderten Realitäten akzeptieren: Ostern ist – zumindest in Sachsen – längst kein christliches Fest mehr, sondern ein volkstümliches Familien- und Frühlingsfest. Daran ändert auch nichts, dass die Kirchenbänke ausnahmsweise mal wieder für ein paar Stunden voll sind. Selbst in Italien ist Karfreitag ein normaler Arbeitstag.“
Tanzen also auch als eine Art des Bekenntnisses.
Wer daher am Karfreitag schon vor 24 Uhr tanzen will, muss in die Moritzbastei kommen. Mit dem Betreten der Veranstaltungsräume bestätigen die Teilhmer/-innen,
- a) dass sie einer humanistischen Weltanschauung folgen,
- b) weder an Götter noch an Elfen, Kobolde oder Dämonen glauben und
- c) dass jede noch so kleine rhythmische Zuckung ihres Körpers auf der Heidenspaß-Party Ausdruck dieses weltanschaulichen Bekenntnisses ist.
So bringt es die Leipziger gbs auf den Punkt.
Die Giordano-Bruno-Stiftung versteht sich als Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, die sich am Leitbild des evolutionären Humanismus orientiert und der sich viele renommierte Wissenschaftler, Philosophen und Künstler angeschlossen haben. Aktuell unterstützen bereits mehr als 8.500 Fördermitglieder die Anliegen der Giordano-Bruno-Stiftung. Die Leipziger Regionalgruppe gibt den säkularen Humanisten, Konfessionsfreien und Atheisten in Leipzig eine Stimme, z. B. durch Aktionen wie „11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“, „Die nackte Wahrheit über Martin Luther“, die „Säkularen Tage“ (Alternativveranstaltung zum Katholikentag 2016) und den „March for Science Leipzig“.
Es gibt 6 Kommentare
Dieses “wenns Moslems wärn würdet ihr Rücksicht nehmen” ist doch wohl dumm und billig. Kenn ich eigentlich nur von den Besorgtbürgern, da zähl ich Sie eigentlich nicht zu, dazu ist das hier das falshe Medium. Welche Religion diesen Ruhetag verlangt, ist doch vollkommen egal. Und es hat auch nichts mit fehlender Rücksichtnahme zu tun, auch nicht mit “ich will unbedingt”. Es ist schlicht und ergreifend Schwachsinn, etwas zu illegalisieren, was nicht illegal ist. Kein einziger Gläubiger wird gestört, wenn in irgendeinem Lokal Musik läuft. Denn er wird nicht da sein. Das Leben des Brian zu zeigen wird auch keinen Gläubigen verletzen, er muss nicht ins Kino gehen. Es kann doch auch gern jeder der mag auf irgendetwas verzichten. Aber es zu verbieten ist nun mal eine Form der Diktatur, wenn auch nur für einen Tag. Noch mal, wenn etwas an 364 Tagen erlaubt und sogar ganz normal ist, wie kann es dann am 365. verboten sein? Klar, man muss sich nicht mit nem Ghettoblaster neben die Kirche stellen, aber will das schon? Wie wärs denn mal mit gegenseitiger Rücksichtnahme?
Ich weiß, im Zeitalter von “Ich will aber alles machen, was ich wann will und alle können mich mal …!”, ist Rücksicht sehr viel verlangt.
Aber andererseits – es geht um EINEN Tag, ja ist denn das eine Zumutung (und ich lasse jetzt mal “das Verbot” außer Acht!).
Es geht doch in erster Linie “nur” um Rücksichtnahme.
Ich bin jetzt mal sehr provokant – aber gerade hier in der “l-iz” wird ja immer gern auf Rücksicht und Toleranz hingewiesen und das mache ich jetzt auch mal!
Was wäre denn – und diese provokante These muss jetzt mal sein – wenn es um einen muslimischen Feiertag (den wir ja -noch- nicht haben) ginge, da würden doch hier ganz andere Artikel geschrieben werden.
Da würde garantiert an unser Einfühlungsvermögen, eine gewisse Rücksichtnahme und Weltoffenheit appelliert werden (siehe auch die reale “Kopftuch-Debatte”).
Man soll also bei ca. 8 bis 10 Prozent der sächsischen Bevölkerung ganz normal Rücksicht üben – bei ca. 30 Prozent der sächsischen Bevölkerung, muss das aber nicht sein!?
Nochmal ganz klar – es geht eher um Rücksicht und den möglichen Verzicht auf bestimmte Dinge, an einem Tag!
Ich wäre dazu bereit, egal welche Religion mich dazu anhält – das kann man nämlich auch mal als Gewinn und Chance begreifen und nicht NUR als Verbot.
Üben wir doch alle einfach mal etwas mehr Rücksichtnahme und zwar gegenüber jeder man – nicht mehr und nicht weniger!
Das seh ich anders. Es geht weder um einen Feiertag noch um Religion, sondern darum, dass etwas an diesem einen einzigen Tag verboten wird, was weder illegal noch schädlich ist. Und dazu gehört nicht nur tanzen oder Musik. Wie kann es sein, dass man Strafe zahlen muss für einen Film, der an jedem anderen Tag sogar ganz legal im TV läuft? Illegal für einen Tag? Also ich find das wenig logisch.
Schön, wenn man beim Party machen an Dritte denkt. Die absolute Ausnahme.
Es ist ein staatlicher Feiertag, dessen Grund in der christlichen Tradition liegt. Gibt es diese Tradition nicht mehr, kann auch der Feiertag entfallen. Da kann dann auch jeder nach Herzenslust Party machen. Oder still vor sich hin sinnieren. Völlig wurscht.
Also kämpft gegen den Feiertag und gegen alle anderen historisch gewachsenen christlichen Feiertage auch, denn das ist der Kern, um den es geht, steigert das Bruttosozialprodukt und den Gewinn “Eures” Unternehmens, dann könnt Ihr nach Herzenslust feiern.
Nachdenken ist sowieso eine überbewertete Freizeitbeschäftigung.
Es geht doch nicht darum, unbedingt feiern zu wollen, sondern um ein unsinniges Verbot. Warum werden kirchliche Verbote staatlich angeordnet? Und warum zählt der Wunsch eines gläubigen Christen mehr als der eines Nicht-Gläubigen? Was hindert Gläubige daran, an diesem Tag andächtig in der Kirche zu sitzen und zu beten? Musik in einer Kneipe sicher nicht, denn dort wird dieser wohl nicht auftauchen. Es sollen sich also gefälligst alle den Anordnungen der Kirche unterordnen, selbst wenn sie mit dieser nichts zu tun haben? Und warum kritisiert man Staaten, die religiös geprägt sind, während man der Kirche im eigenen Land die Macht eines Staates in die Hand gibt? Man wirft Nicht-Gläubigen Respektlosigkeit vor, aber ist nicht vielmehr diese Gängelung der Gläubigen Respektlos? Warum erwarten diese von mir, mich ihren Ansichten und Gewohnheiten unterzuordnen, obwohl ich rein gar nichts damit zu tun habe? Rücksichtnahme und Respekt sind doch keine Einbahnstrasse und sollten doch wohl selbstverständlich sein, und zwar tagtäglich. Nicht nur an bestimmten Tagen und in eine Richtung. Und ja, ich arbeite an dem Tag, wie an fast jedem anderen Feiertag auch. Ich gestalte mein Leben weder nach einem Kalender noch nach irgendwelchen Bräuchen. Ich feiere weder Weihnachten noch meinen Geburtstag, wenn ich jemandem etwas schenken möchte, brauch ich dafür keinen Anlass,die Person ist mir Anlass genug. Und wenn mir nach feiern ist feiere ich, immer mit Respekt und Rücksichtnahme anderen gegenüber. Mein Leben, meine Entscheidung.
Das ist doch wunderbar, endlich – an einem Tag im Jahr mal Tanzen können und einen “Heiden-Spaß” haben, was ja scheinbar an den restlichen 364 Tagen nicht möglich ist.
Es sei den Damen und Herren herzlichst gegönnt!
Ich hoffe nur, dass die “über 70 % der Nicht-Christen”, dann auch Karfreitag und Ostermontag ihrer Arbeit nachgehen (oder dazu bereit wären) – das wäre dann wenigstens konsequent!
“Die Linke” in Sachsen hat das Tanzverbot ja auch kritisiert – und wenn sich jemand mit Tanzverboten auskennt, dann ist das ja wohl “Die Linke” …. zumindest hat die Vor(vor?)gängerpartei oft genug selbst, in das eine oder andere “Tanzbedürfnis” junger Menschen eingegriffen (zumindest, wenn ich mich an meine Jugend in der DDR erinnere).
Könnte man nicht einfach mal darüber nachdenken, dass es vielleicht tatsächlich genügend Gründe gäbe, mal “runter zu kommen” und nicht permanent “Party” sein kann und muss!?
Dieses ewige “Anheizen” von Stimmungen und provozieren von Auseinandersetzungen – es nervt so dermaßen.
Wenn wir dann einmal dabei sind, sollten wir doch überlegen -konsequenterweise-, wie es mit den anderen “kirchlichen Feiertagen” aussieht – am besten alle abschaffen …. dann haben wir endlich noch ein paar Tage mehr, um auf Arbeit und Tanzen zu gehen!
Damit hier kein Irrtum aufkommt, ich bin nicht konfessionell gebunden, besuche auch Ostern und Weihnachten keine Kirche.
Aber dieses Anspruchsdenken um jeden Preis, das nervt – die freien Tage werden gern mitgenommen, aber immer schön die eigenen Bedürfnisse durchdrücken (womit auch “die Kirche” gemeint ist).
Dabei würde es manchen ganz gut tun, nicht zu Tanzen, sondern sich mal ein wenig zu besinnen.
Aber wenn man im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein scheint, dann muss man das natürlich nicht – und dort treffen sich dann “Die Linke” und “Die Kirche” ganz schnell – Ironie des Schicksals!