Heute vor 75 Jahren, am 22. Februar 1943, wurden die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie der Medizinstudent Christoph Probst von den Nazis ermordet; Willi Graf, Alexander Schmorell und der Münchner Professor Kurt Huber wurden später hingerichtet. Früher als viele andere hatten die Mitglieder der „Weißen Rose“ den verbrecherischen Ansatz der nationalsozialistischen Ideologie durchschaut und erhoben Protest gegen die Judenvernichtung und Hitlers sinnlosen Angriffskrieg.
Unmissverständlich und in schmerzender Klarheit entlarvten die Studierenden in ihren Flugblättern das Nazi-Regime in seiner terroristischen Obszönität: „Jedes Wort, das aus Hitlers Mund kommt, ist Lüge. … Mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund.“
Den Ausgangspunkt ihres Widerstands und ihrer politischen Forderungen nach Freiheit, nach der Wiederherstellung der Ehre Deutschlands, nach Demokratie sahen sie im christlichen Glauben: Wohl ist der Mensch frei, aber er ist wehrlos wider das Böse ohne den wahren Gott, er ist wie ein Schiff ohne Ruder, dem Sturm preisgegeben, wie ein Säugling ohne Mutter, wie eine Wolke, die sich auflöst. Gibt es, so frage ich Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen um die Erhaltung Deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung …?
Gottvertrauen, die biblischen Maßstäbe des Lebens, Jesu Botschaft von der Gerechtigkeit, von der Barmherzigkeit, von der Feindesliebe, von der Ehrfurcht vor dem Leben vermittelten den jungen Menschen der Weißen Rose das Fundament, von dem aus sie das ins Maßlose gesteigerte Unrecht des Naziregimes erkennen und brandmarken konnten. Doch nicht nur das: Mit diesem Gottvertrauen konnten sie aller Verzweiflung und allem Kleinmut widerstehen:
Hat Dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen? Wir müssen das Böse dort angreifen, wo es am mächtigsten ist, und es ist am mächtigsten in der Macht Hitlers.
Der Glaube als doppelte Quelle: die des Widerstands und des Trostes. In einer Tagebuchnotiz bemerkte Hans Scholl im August 1942:
Wenn Christus nicht gelebt hätte und nicht gestorben wäre, gäbe es wirklich gar keinen Ausweg. Dann müsste alles Weinen grauenhaft sinnlos sein. Dann müsste man mit dem Kopf gegen die nächste Mauer rennen und sich den Schädel zertrümmern, so aber nicht.
Ja, der Glaube verleiht – ganz im Gegensatz zu manchem Vorurteil – unserem Denken Klarheit und bewahrt uns vor blinder Raserei. Darum konnten die Mitglieder der „Weißen Rose“ ihren Kopf hochhalten. Das geschah auch in dem Verhör, dem sich Sophie Scholl nach ihrer Verhaftung unterziehen musste. Dieses wird in dem großartigen Film „Sophie Scholl“ (2005 mit Julia Jentsch) eindrucksvoll dargestellt. Sophie Scholl stellt den Nazi-Parolen des Gestapo-Beamten Robert Mohr das entgegen, woraus sie ihre Standhaftigkeit zieht: „Sitte, Moral und Gott“. Mohr zischt ihr wütend-hilflos entgegen:
Gott – gibt es nicht!
Wenn wir heute an die Geschwister Scholl erinnern, dann soll uns das sehr sensibel machen gegenüber den neuheidnischen Machenschaften der rechtsradikalen Szene. Was sich am Aschermittwoch bei einer Kundgebung der sächsischen AfD in Nenntmannsdorf bei Pirna ereignet hat, musste einem wie ein „Remake“ aus den 30er Jahren erscheinen. Über tausend Menschen johlten den rassistisch-völkischen Parolen eines Björn Höcke oder André Poggenburg zu und klatschten frenetisch.
Mit den Hasstiraden wollen diese Herren offensichtlich den Boden für neue, innergesellschaftliche Kriegsbereitschaft bereiten (Flüchtlinge sind in ihren Augen „feindliche Invasoren“, mit denen man sich quasi in einem Kriegszustand befindet – so der neue Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag Peter Boehringer (AfD)).
Darum führt die AfD einen militanten Kampf gegen Bevölkerungsgruppen wie die türkischen Bürgerinnen und Bürger und betreibt systematisch ein Ende der kulturellen und religiösen Vielfalt. Darum auch der Schulterschluss zwischen AfD und Pegida. Niemand sollte den Fehler begehen, diese Hetze als unappetitliche Politfolklore abzutun. Wir müssen das sehr, sehr ernst nehmen und klar Position beziehen.
Denn was die Protagonisten der AfD von sich geben, gibt erstens ihre Überzeugung wieder und zweitens ist es Ausfluss dessen, was von Rechtsradikalen immer unverhohlener gefordert wird: „Schluss mit dem Schuldkult“, der Schlachtruf für die von der AfD geforderte „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Björn Höcke). Dahinter steht der Wunsch, bruchlos und unbeschwert anknüpfen zu können an die Zeit nationalistischer Verblendung und Gedenken zum Erliegen zu bringen.
Dem kann man nur den Satz aus dem „Aufruf an alle Deutschen“ der „Weißen Rose“ entgegenstellen: “Trennt Euch rechtzeitig von allem, was mit dem Nationalsozialismus zusammenhängt.” (die Hervorhebung ist original!)
Das ist heute unsere Aufgabe – in Sachsen allemal!
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