Abseits der großen Politik, abseits medialer Aufmerksamkeit, abseits der Antennen aufmerksamer Zeitgenoss/innen, abseits kirchlicher Geistesgegenwart, aber dennoch mitten in Deutschland ereignete sich Anfang der vergangenen Woche am westlichen Rand von Nordrhein-Westfalen ein skandalöser Akt von Kulturbarbarei: Der Dom St. Lambertus von Immerath, ein neoromanischer Kirchenbau aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, musste dem Braunkohleabbau weichen und wurde abgerissen.
Das ist nur zu vergleichen mit der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli vor fast 50 Jahren auf Betreiben der SED-Kommunisten und damals mit voller Billigung der Universität Leipzig. Verantwortlich für diese neuerliche Schande sind der Energiekonzern RWE Power, die Landesregierung(en) von Nordrhein-Westfalen und die politische Unentschlossenheit, endlich aus der Braunkohleförderung auszusteigen. Obwohl inzwischen jedem klar ist, dass Energiegewinnung aus Braunkohle eher heute als morgen beendet werden muss, weil sie zu den größten CO² Produzenten und damit Klimakillern gehört, wird wieder einmal ein gnadenloses Zerstörungsprogramm in typisch deutscher Bürokratenmanier in die Tat umgesetzt.
Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Dom noch als Gottesdienststätte benötigt wird und dass er schon 2013 in offensichtlich vorauseilendem Gehorsam der katholischen Kirche entweiht wurde. Die Zerstörung des Domes aus rein ökonomistischen Gründen hätte durch die Kirche niemals hingenommen werden dürfen. Darum ist neben der Zerstörung als solcher anzuprangern: das große Schweigen der politischen Parteien, der Medien, der Kirchen – bis auf die Aktivisten von Greenpeace und einige wenige unerschrockene Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Wie können Bischöfe zulassen, dass so mit Sakralbauten umgegangen wird, an denen Menschen mit Leib und Seele hängen? Wie lange soll noch hingenommen werden, dass die unheilige Allianz von CDU, SPD, FDP und Gewerkschaften einem Konzern das Abbaggern von historischen Gebäuden und Kirchen politisch ermöglicht?
Die Wochenzeitung DIE ZEIT ist eines der wenigen Medien, die über den Brachialakt von Immerath überregional berichtet haben (http://www.zeit.de/2018/03/dom-immerath-abriss-rwe) Sie fragt: „Wer stoppt den Wahnsinn?“ Ja, wer stoppt diejenigen, die für eine Energiequelle von gestern, die Braunkohle, heute über Jahrhunderte gewachsene Ortschaften zerstören und diese samt ihren religiösen Symbolen dem Erdboden gleichmachen? Im Ergebnis ist das nichts anderes, als wenn die Taliban in Afghanistan Buddha-Statuen sprengen oder IS-Truppen das Kulturerbe von Palmyra schleifen.
Die gegenwärtige Debatte um Heimat, um Leitkultur, um die christlich-abendländische Tradition wird von den gleichen Leuten, die das polemisch, populistisch, ideologisch auf die gesellschaftspolitische Tagesordnung setzen wollen, Lügen gestraft. Denn wer für eine Energiegewinnung von gestern heute symbolträchtige Gebäude zerstören lässt, mit denen Menschen Heimatgefühle und kulturelle und religiöse Identität verbinden, der stellt unter Beweis, dass es ihm ausschließlich um einen ökonomischen Vorteil – allerdings von der Nachhaltigkeit einer Eintagsfliege – geht.
Für uns in Ostdeutschland scheint Immerath weit weg im Westen zu liegen. Doch nur 25 Kilometer von Leipzig entfernt steht die 800 Jahre alte romanische Kirche von Pödelwitz.
Auch dieser Ort soll von der MIBRAG abgebaggert werden und mit ihm die Dorfkirche. Politisch finden wir die gleiche Konstellation vor wie in Nordrhein-Westfalen: Eine Phalanx von CDU, SPD und Gewerkschaften deckt das schändliche Vorhaben der MIBRAG. Doch noch wohnen 40 Menschen in dem schmucken Dorf Pödelwitz. Noch werden in der Kirche Gottesdienste gefeiert. Darum sollte spätestens jetzt wenigstens die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens klarmachen: Wir werden nicht zulassen, dass die Kirche von Pödelwitz abgebaggert wird.
Schon jetzt sollte der Landesbischof samt zuständigem Superintendenten und Pfarrer/innenschaft unmissverständlich erklären: Diese Kirche wird nicht entweiht! Wir werden den Abriss der Kirche mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern!
Die für Pödelwitz zuständige Pfarrerin Friederike Kaltofen setzt Gott sei Dank jetzt schon die richtigen Signale. Darum: Bevor ein Bagger der MIBRAG in Richtung Pödelwitz vorrückt, werden hoffentlich viele Menschen in die Kirche einziehen. Und hoffentlich werden da auch der Landesbischof, der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister auftauchen und so lange bleiben, bis die Bagger unverrichteter Dinge wieder abgezogen sind.
Jede Leisetreterei ist ein Hinnehmen der zerstörerischen Seite eines Ökonomismus, der nichts mit verantwortlichem Wirtschaften zu tun hat. Der hybride Wahnsinn kann, er muss gestoppt werden.
Nachtrag: Auf eines sollten sich die möglichen Koalitionäre von CDU/CSU und SPD auf jeden Fall verständigen: Unabhängig davon, dass der Ausstieg aus der Braunkohleförderung Arbeitnehmer verträglich gestaltet werden muss – es darf zu keiner weiteren Abbaggerung von Ortschaften, Kirchen und Kulturstätten kommen.
In Pödelwitz stehen allein sieben anerkannte Kulturdenkmale – zum Abriss
In Pödelwitz stehen allein sieben anerkannte Kulturdenkmale – zum Abriss
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