Ich träume vom Frieden. Die Entwicklungen in Europa, in der Welt machen mir Angst. Viele Menschen suchen einfache Antworten auf komplizierte, komplexe Fragestellungen. Sie erwarten, dass sich Entwicklungen, an deren Beginn Entscheidungen stehen, die vor Jahrzehnten getroffen wurden, von heute auf morgen grundsätzlich ändern lassen können. Die Geschichte lehrt uns, dass diese Erwartung in der Barbarei endet. Ich wünsche mir Achtsamkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und eine gesellschaftliche Problemanalyse, die von Geduld und Sorgsamkeit und weniger von Ergebnishast und Effizienz geprägt ist.
Die Christen dieser Welt begehen in diesen Wochen den Advent. Advent bedeutet Ankunft, Hoffnung auf Ankunft. Man muss kein Christ sein, um dieser freudigen Erwartung etwas Tröstliches abzugewinnen. Man muss kein Christ sein, um auf Ankunft zu hoffen. Ich träume davon, dass sich jeder Mensch, egal welcher Hautfarbe, welcher Religion, welcher sexuellen Orientierung, welcher geografischen oder kulturellen Herkunft auf Ankunft freuen kann. Dass er die Aussicht hat, ankommen zu können. Das heißt nicht in erster Linie geografisch ankommen, sondern ankommen in einer Gemeinschaft. Ankunft heißt auch „angenommen werden“. Darauf hat jeder Mensch ein Recht.
Ich träume von Großzügigkeit im Umgang miteinander. Davon, dass Menschen Fehler eingestehen und einander verzeihen können. Sei es privat oder im Beruf. Viele Konflikte lassen sich entschärfen, wenn man gemeinsam einen Schritt zurücktritt und sich in die Augen schaut. Wenn man sein Gegenüber genauso wichtig nimmt wie sich selbst. Ein kurzer Moment nur, der die Perspektive verändert, den Blick auf die Möglichkeiten statt auf die Grenzen lenkt.
Ich träume davon, dass Menschen sich auf ihren Mut besinnen. Dass sie aufstehen und widersprechen, wenn ihnen etwas nicht passt, wenn sie nicht einverstanden sind. Das kann im Laden um die Ecke sein, wenn die Nachbarin in der Schlange an der Kasse abfällig über „die Fremden“ spricht. Das kann im Kollegium sein, wenn es mal wieder darum geht, „es denen da oben richtig zu zeigen“. Was denn wem zeigen? Wer sind die da oben? Und wenn man könnte, was genau würde man denen zeigen? Wie es besser geht?
Dann her mit den Vorschlägen! Auf zu gemeinsamen Lösungen! Im Wohnviertel findet bestimmt demnächst eine Bürgerversammlung statt, in die man sich einbringen kann. Und wenn nicht, dann ist das nächste Büro der Wahlkreisabgeordneten schnell aufzufinden. Seine Meinung zu äußern, kostet zuweilen Mut. Zu widersprechen auch. Aber nur beides im Zusammenspiel stiftet Diskurs. Ermöglicht demokratische Kultur.
Und davon träume ich schließlich: von einer demokratischen Gesellschaft, in der sich jeder angesprochen und gemeint fühlt. In der jeder sich als Teil des Ganzen versteht und gestalten möchte. Das kostet Mühe und ist zuweilen unbequem. Aber Demokratie ist kein Konsumgeschäft, sondern braucht den aufrechten, tätigen Bürger. Lassen Sie uns diesen Traum träumen und in den Tag überführen – gemeinsam!
Alle Träume, welch bereits veröffentlicht sind, finden Sie ab sofort hier in steigender Anzahl unter dem Tag l-iz.de/tag/traeume.
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