Kommentar„Es ist offen gesagt ekelhaft, dass die Presse schreiben kann, was sie will. Jemand sollte das überprüfen.“ Das schleuderte Donald Trump am vergangenen Dienstag den anwesenden Journalisten im Weißen Haus entgegen – im Beisein des kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau und seiner Frau. Längst sind die Zeiten vorbei, dass eine solche Äußerung zu einem weltweiten Aufschrei geführt hätte. Zu viele haben sich schon an diese Ausfälle gewöhnt oder sind müde geworden, sie zu kommentieren, geschweige denn dagegen zu protestieren.
Nur: Der, der diesen Angriff auf die Pressefreiheit startet, ist nach wie vor Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika – und es sieht nicht danach aus, dass er es morgen nicht mehr ist. Mag er bis jetzt mit Gesetzesinitiativen gescheitert sein. Mögen sich manche seiner Versprechen als undurchführbar erweisen. Die Strategie Donald Trumps, die Demokratie auszuhöhlen, ist damit nicht ad acta gelegt.
Unerbittlich verfolgt er seine Absicht, die Freiheits- und Menschenrechte einzuschränken, um so seine den demokratischen Grundwerten widersprechende, brutal egomanische, nationalistische Politik durchzusetzen. Darum ist es mehr als gefährlich, Trump gegenüber eine Haltung einzunehmen, die nicht wenige anempfehlen: Trump wird mit seinen Ausfällen und seinen Dekreten nichts erreichen … die Justiz und der Kongress werden ihn schon stoppen.
Wer darauf setzt, wird sich schon bald verwundert die Augen reiben
Denn Trump kümmert sich wenig um das System von „Checks and Balances“. Er wird mit allen Mitteln versuchen, Obama Care zu zerschlagen; er wird die Mauer bauen, um die Grenze zu Mexiko zu schließen; er wird das Atom-Abkommen mit dem Iran aufkündigen. Vor allem aber wird er mit seinen Drohungen die Gier seiner Wähler füttern, alles und alle, was und die deren Wohlergehen in irgendeiner Weise bedroht, zu kippen und auszuschalten, und den damit verbundenen Verfall des Rechts und den Rassismus fördern.
Darum fallen Trumps (noch nur) Verbalexzesse, mit denen er die Pressefreiheit aufkündigt, auf so fruchtbaren Boden. So kippt ein Dominostein der Demokratie nach dem anderen. Erst ändert sich das gesellschaftliche Klima, dann das konkrete politische Handeln und schließlich das betreffende Gesetz. Kein Richter und kein Kongress werden das aufhalten – es sei denn, die Auseinandersetzung wird weiter/wieder offen, scharf und grundsätzlich geführt.
Leider steht Trump mit seiner Domino-Taktik nicht alleine
Derzeit fallen auch in Ländern wie Ungarn, Polen, Österreich, Tschechien ein Stein nach dem anderen – und der Verfall bekommt den Anschein des Normalen. Dass am Sonntag in Österreich ein Rechtsruck erfolgt, gegenüber dem das Bundestagswahlergebnis in Sachsen ein Säuseln ist, das wird gar nicht mehr als Bedrohung der Demokratie und Europas angesehen. Dass Ende Oktober in Tschechien mit dem Milliardär Andrej Babiš wahrscheinlich ein korrupter Trump-Verschnitt zum Ministerpräsident gewählt wird, wird europaweit mit Achselzucken aufgenommen.
Nicht wenige reden sich dieses Verhalten als Unaufgeregtheit schön. Das, so fürchte ich, wird sich rächen – vor allem auch deshalb, weil es ja nicht die führenden Köpfe der unterschiedlichen rechtspopulistischen „Bewegungen“ sind, die die Demokratie zu Fall bringen können. Es sind deren Anhänger/innen, die der Demokratie keine Wertschätzung mehr entgegenbringen und damit Menschen und Systeme befördern, in denen Freiheit und Pluralität zu Fremdwörtern werden.
Wohlgemerkt: Das alles vollzieht sich nicht von heute auf morgen, aber dennoch konsequent. Wenn wir dieser Entwicklung nicht entschlossen begegnen, und wenn wir uns mehr und mehr auf die das Recht zerstörenden Parteien und Bewegungen billigend einlassen und sie nach und nach als gegeben hinnehmen, dann Gute Nacht. Denn wenn dann die, die jetzt im Schutz der Freiheit und Demokratie dahindämmern, aufwachen, sind die Möglichkeiten, dem entgegenzutreten, die jetzt gegeben sind, wahrscheinlich nicht mehr vorhanden.
Darum wird es höchste Zeit, dass jede und jeder an seinem/ihrem Ort und mit seinen/ihren Möglichkeit sich den fallenden Dominosteinen entgegenstelle, die Demokratie neu wertschätzen und die Freiheit und Pluralität unaufgebbar leben. Die Trumps in den USA und in Europa sind keine Naturnotwendigkeiten. Sie sind ein Übel. Diesem Übel muss widerstanden werden.
Wie die Echokammern des Internets die Abschottung und Blasenbildung der Gesellschaft befördern
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