Es liegt zwar ein bisschen knapp vor der Bundestagswahl am 24. September, das wird der Veranstaltung der Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. viel Aufmerksamkeit nehmen. Aber der G20-Gipfel in Hamburg fand halt mitten in der Urlaubszeit statt. Und danach haben die Hardliner unter den regierenden Politikern die Diskussion an sich gerissen und damit jeden Protest gegen eine Tagung der Mächtigen in Misskredit gebracht. Also vielleicht doch mal den 21. September im Kalender vormerken.

Dann lädt die Gesellschaft für Gemeinsinn e. V. zur Diskussion über die Ereignisse rund um G20 um 20 Uhr in den „Laden auf Zeit“ in der Kohlgartenstraße 51 ein. Das ist ein Thema gerade für junge Leute. Denn es waren junge Menschen, die zu den verschiedenen Demonstrationen gegen G20 nach Hamburg gereist waren.

Und all das, was der stockkonservative Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seine Kollegen nach Hamburg in die Wege geleitet haben, ist auf Zukunft gerichtet: Die massive Unterdrückung und Kriminalisierung von öffentlichem Protest.

In ihrer gemeinsamen Erklärung haben es die Innenminister von CDU und CSU am 1. September deutlich auf den Punkt gebracht. Den eh schon schwammigen Paragraphen zum Landfriedensbruch – der auch zu dutzenden Anklagen in Hamburg geführt hat – wollen sie noch ausweiten und künftig auch alle Demonstranten im Umfeld potenzieller Gewalttäter zum Fall für die Justiz machen. Solche Gummiparagraphen kannte man eher aus der DDR und anderen obrigkeitlich reglementierten Staatsgebilden.

Aber zumindest die CDU/CSU-Innenminister sind auf dem besten Weg, genau so eine Art Polizeistaat wieder ins Leben zu rufen. In ihrer Erklärung lautet der einschlägige Passus so: „Durch eine Erweiterung des Straftatbestands des Landfriedensbruchs werden wir dafür sorgen, dass sich künftig nicht nur diejenigen strafbar machen, die – auch zum Schaden friedlicher Demonstranten – selbst Gewalt ausüben, sondern auch diejenigen, die sich bewusst einer gewalttätigen Menge anschließen und die Angreifer unterstützen, indem sie ihnen Schutz in der Menge bieten. Vorbereitungs- und Rückzugsorte linker Gewalt wie die ‚Rote Flora‘ in Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin können wir in unserem Rechtsstaat nicht tolerieren.“

Das ist der Ton, der seit dem Juli angeschlagen wird. Mit dem auch übertönt wird, dass die Eskalation in Hamburg von Anfang an mit einer rigiden Polizeistrategie forciert wurde. Etliche der Anklagen, die die Hamburger Staatsanwaltschaft jetzt so medienwirksam inszeniert, drohen schon in der nächsten Instanz zu platzen, weil die Anklagegrundlage äußerst dünn ist.

Worauf die Willensbekundung der CDU-Innenminister abzielt, ist eine Gruppenstrafbarkeit, die es so bislang noch nicht gibt. Angeklagt werden dürfen nur Einzeltaten, die dem Verdächtigen auch zugewiesen werden können. Der Versuch,  jetzt auch friedliche Demonstrationsteilnehmer aus dem Umfeld einzelner Straftäter zu kriminalisieren, verstößt eindeutig gegen die Demonstrationsfreiheit, die im Grundgesetz gewährt wird.

Und da nützen auch alle markigen Sprüche nichts, die die Randale in Hamburg verdammen. Denn im ersten Schritt war die eingesetzte Polizei nicht dafür da, Demonstrationen und Protest gewaltsam zu verhindern. Das ist nicht ihr Job. Die einsetzbaren Polizeikräfte haben gerade so gereicht, um überhaupt die Sicherheit so eines Super-Gipfels in einer Großstadt abzusichern. Für alle Proteste im Umfeld hätte normalerweise das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gegolten: Absicherung, Begleitung und Eingriff tatsächlich nur bei drohender Eskalation.

Aber augenscheinlich wollte man solche Bilder, wie sie dann die braven Bürger an den Bildschirmen zur Weißglut trieben. Motto: Jeder Protest gegen die Tagungen der ach so friedlichen Mächtigen der Welt (Typen wie Trump, Erdogan und Putin z. B.) muss ja eskalieren. Also muss der Protest künftig unmöglich gemacht werden.

Genau darüber soll am 21. September diskutiert werden. Wenn ein Abend überhaupt reicht.

Denn die Fragestellung ist tatsächlich sehr weit gespannt, wie die Einladung formuliert:

„Der G20-Gipfel und die damit einhergegangenen Krawalle im Hamburger Schanzenviertel werfen nach wie vor drängende Fragen auf. Schloss der Hamburger Oberbürgermeister damals noch übertriebene Härte der Polizei kategorisch aus, sind nun bereits 95 interne Ermittlungen gegen Polizisten angelaufen. Wie kann das sein?

Und dann wurde den Protesten auch noch der politische Hintergrund abgesprochen. Martin Schulz meint gar: ‚Wer randaliert ist nicht links, sondern einfach nur bescheuert.‘ Ist Randale also immer unpolitisch?

Die bundesrepublikanische Geschichte zeigt uns hingegen, dass große soziale und ökologische Veränderungen wie die Rentenversicherung, die 68er-Revolte oder der Atomausstieg auch durch gewalttätigen Protest gegen den Staat erzwungen wurden. Daher wollen wir wissen:

Ist die Gewalt gegen den G20-Gipfel legitim?
Wie gehen wir um mit der gewohnheitsmäßigen Brutalität des schwarzen Blocks?
Ist ein Konzert in der Elbphilharmonie das passende Symbol in Zeiten sozialer Härten?
Welche Rolle spielt Gewalt in unserer Gesellschaft?

Darüber wollen wir sprechen und G20 abseits von jeder Hysterie in die politische Landschaft einordnen. Dazu werden wir ein besonderes Format wählen, um aus dem Publikum aktive Teilnehmer und Mitdenker zu machen. Wir werden auf ein Podium verzichten und auf Augenhöhe miteinander diskutieren. Die Diskussion wird von zwei Moderatoren begleitet und eine Kontrabassistin wird durch Einsatz ihres Instruments kritische Punkte untermalen sowie nicht endenwollende Redebeiträge kommentieren. Zusätzlich werden wir das Thema online auf unserer Webseite auf- und vorbereiten, so dass in Dossiers und Gastbeiträgen vorab wie im Anschluss spannende Punkte und griffige Argumente gesammelt werden können und die Diskussion im nachhinein nicht einfach verpufft. Auch konkrete Aktionen wie offene Briefe oder Anfragen an Parlamentarier sind denkbar.“

Denn 27 Jahre nach der Friedlichen Revolution taucht tatsächlich die Frage auf, ob friedlicher Protest überhaupt noch geduldet wird oder zunehmend wieder kriminalisiert wird und damit wieder die Einschüchterung um sich greift, mit der sich so schön durchregieren lässt. Und mit der vor allem dafür gesorgt wird, dass die Mächtigen sich treffen, ohne dass ihre Vorhaben noch einen wahrnehmbaren Widerspruch bekommen.

Denn statt über die (Nicht-)Ergebnisse des Gipfels diskutiert Deutschland jetzt über die Randale, die irgendwie kam wie bestellt.

Die Veranstaltung findet am 21. September um 20 Uhr im „Laden auf Zeit“ in der Kohlgartenstraße 51 statt. Titel ist: „G(ewalt) 20 – Kein Grund zu randalieren?“

Die „Erklärung der Innen- und Justizministerinnen und -minister von CDU und CSU“ (PDF)

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