Dr. Alexander Steinhilber, der Geschäftsführer des Bach-Archivs, hat um Auflösung seines Vertrages zum 1. September 2017 gebeten. Der Stiftungsrat des Bach-Archivs hat der Bitte „mit Respekt und Bedauern“ entsprochen. So die nüchterne Mitteilung am 15. August. Beide Seiten haben vereinbart, nichts über die Gründe zu verlautbaren. Doch wer 1 und 1 zusammenzählen kann, muss nicht lange herumrätseln: Offensichtlich hat Dr. Steinhilber von sich aus die Konsequenzen aus den nicht nachlassenden Versuchen der Stadt Leipzig gezogen, das Profil des Bachfestes zu verwässern, um es in einem allgemeinen Musikfestival aufgehen zu lassen. Dabei hat es Dr. Steinhilber in seiner kurzen Amtszeit vermocht, das Bachfest weiter zu profilieren und alle Versuche abzuwehren, das Bachfest zu einem x-beliebigen Festival verblassen zu lassen.
Wenn die Leipziger Volkszeitung (LVZ) nun munkelt, Steinhilber sei gegangen oder hätte gehen müssen, weil er das Gewandhaus nicht zu einer Pressekonferenz eingeladen habe oder weil er den „beliebten Japan-Sonderbeauftragten Akio Takano“ vorübergehend entlassen habe, dann zeigt das nur eines: dass die LVZ in diesem Konflikt mehr als Partei ist. Denn erstens ist es geradezu lächerlich, zum x-Mal die Nichteinladung des Gewandhauses zu einer Pressekonferenz ins Feld zu führen, so als ob es sich um eine unbotmäßige Majestätsbeleidigung handele, und zweitens musste Dr. Steinhilber im Fall Akio Takano aus arbeitsrechtlichen Gründen so handeln und hat immerhin eine saubere Lösung für die Weiterbeschäftigung von Akio Takano erzielen können, mit der vor allem der Betroffene selbst einverstanden ist.
Also geht es in Wahrheit darum, mit Dr. Steinhilber einen Geschäftsführer loszuwerden, der in seiner kurzen Amtszeit mit Übersicht und klarer Orientierung tapfer und erfolgreich für ein eigenständiges Bachfest eingetreten ist.
Auch wenn die Beteiligten jetzt keine Gründe für das Ende der Amtszeit von Dr. Steinhilber nennen: Alle, denen das Bachfest Leipzig am Herzen liegt, sollten mehr als alarmiert sein. Offensichtlich soll das Bachfest vom Thomaskirchhof auf den Augustusplatz verlagert werden. Das allerdings wäre eine höchst gefährliche Transaktion. Der Oberbürgermeister ist gut beraten, wenn er den Erfolg, den das Bachfest nicht nur in diesem Jahr hatte, und seine Bedingungen noch einmal reflektiert.
Jedenfalls werden er und die Kulturdezernentin sich warm anziehen müssen, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass sie im Verein mit dem Präsidenten des Bach-Archivs Leipzigs, Sir John Eliot Gardiner, hinter der Aktion stehen, mit dem Weggang von Dr. Steinhilber das Bachfest zum Schaden der Bachstadt Leipzig in seinem Profil und seiner inhaltlichen Ausrichtung in die Unkenntlichkeit eines allgemeinen Musikfestivals zu führen, sozusagen „Classic closed“.
Für diese Strategie wird Leipzig weltweit nur ausgelacht werden. Denn wer kann nur auf die Idee kommen, das jährliche Bachfest, mit dem der weltweit bedeutendste Komponist in den noch bestehenden originalen Aufführungsstätten und Formaten seit Jahren erfolgreich gewürdigt und kommuniziert wird und weswegen Menschen aus aller Welt nach Leipzig kommen, aufzugeben?
Vielleicht aber sollten alle Verantwortlichen auch darüber nachdenken: Derzeit mangelt es unserer Gesellschaft nicht an 140-Zeichen-Schall-und-Rauch-Botschaften und glamourösen Eintagsfliegen, also an säkularem Opium fürs Volk. Da steht es der Stadt der Friedlichen Revolution und mit einer Musiktradition sondergleichen gut an, mit dem Bachfest tragfähige Fundamente des Lebens freizulegen, derer wir dringend benötigen.
Fazit: Der kompetente Geschäftsführer Dr. Alexander Steinhilber verlässt Leipzig. Diejenigen, die das Bachfest seines Charakters entkleiden wollen, werden triumphieren. Jetzt können sie einen willfährigen Erfüllungsgehilfen im Bach-Archiv installieren. Alle, die das Bachfest Leipzig als bedeutendes, international etabliertes Festival erhalten und weiterentwickeln wollen, sind aufgerufen, ihre Stimme zu erheben – am besten noch heute (Mail an: obm@leipzig.de ).
Zur Sache siehe auch:
Gastkommentar von Christian Wolff: Hände weg vom Bachfest …
Offener Brief an den Präsidenten des Bach-Archivs Leipzig Sir John Eliot Gardiner
Schadensbegrenzung? – Ein Nachtrag zu Peter Korfmachers (LVZ) Bachfest-Resümee
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