Vor kurzem fuhr ich an einem Dreigespann an jungen Männern vorbei, allesamt modisch gekleidet mit schlechtsitzenden Jeans und einer Art sportivem Schuh, etwas, das wir früher als „Essensgeld-Turnschuh“ zu bezeichnen pflegten. Allesamt auch in einem Alter, das zumindest mit einer Zeugungsfähigkeits-Grundannahme in Verbindung gebracht werden muss. Die Männer gingen nebeneinander her, alle drei hatte eine bedenkliche Doppelkinnförderhaltung eingenommen und wischten fahrig auf den Displays ihrer Smartphones herum.
Es begab sich, dass eine junge Frau ihren Weg kreuzte. Ein richtiger Hingucker, mit allem, was geht: blond, langes Haar, verstörender Waist-to-Hip-Index. Allein: Sie sahen sie nicht an, weil sie sie gar nicht sahen.
In keiner Weise obliegt es mir, dieses Geschehen zu bewerten. Waren es drei junge Männer ohne Anspruch? So weit würde ich nicht gehen. Schließlich wissen wir nicht, was sie am Handy gerade herbeigewischt hatten: die neueste Rede des Bundespräsidenten vielleicht oder die aktuellen Zahlen alleinerziehender Sachbearbeiterinnen beim Bundesamt für Statistik? Oder checkten sie einfach ein paar Mails einer katholischen Familienberatungsstelle?
Man weiß es schlichtweg nicht. Und wir wissen auch nicht, ob die junge Frau „scheinbare Klassefrau“ war oder eine richtige. Aber verfehlt haben sie einander trotzdem.
Was aber hätte nicht alles passieren können! Man hätte sich tief in die Augen schauen können, irgendeine Schweinerei im Kopp, diese im Laufe des Nachmittags wieder vergessen und sich am nächsten Saturdaynight-Begängnis zufällig wiedersehen können, um dort anzuknüpfen, wo die Gedanken … sagen wir .. angefangen haben. Oder man hätte einfach nur geguckt und bisschen gelächelt. Das kann man Chefs als „Quality-Mittagspause“ verkaufen oder selber noch etwas davon zehren. Oder man hätte gedacht: „Die erinnert mich an die Freundin meiner Schwester … Verdammt, das IST ja die Freundin meiner Schwester!“
So aber wird das nichts mehr mit den Augen der Großstadt. Mit dem Zeitalter der Smartphones ist „vorbei, verweht, nie wieder“ zum „gar nicht“ oder vielleicht auch zum „ganz anders“ geworden.
Es ist wie es ist.
Aus rein orthopädischen Gründen wird es vielleicht bald die Google-Brille für alle geben. Die Google-Brille als HWS-Bandscheibenvorfall-Prävention sozusagen. Oder wenigstens Blindenhunde auf Rezept für Smartphone-Fußgänger.
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