Das Positive am Anfang: Die lange Kaffeetafel am Samstagnachmittag in der Leipziger PetersstraรŸe, organisiert von evangelischen und katholischen Kirchgemeinden. Es werden Tausende gewesen sein, die sich im Laufe der vier Stunden an die Tische gesetzt und miteinander gesprochen haben. Das hat funktioniert. Warum? Weil hier Beteiligung gefragt war, Organisation von unten. Ein รผberzeugendes Beispiel dafรผr, was ehrenamtliches Engagement bewirkt. Kosten? So gut wie keine. Hier hatte der Kirchentag Gastgeber und viele Gรคste.

Die Performance โ€žZum Lichtโ€œ โ€“ ein geistreiches, witziges, lehrreiches Spektakel auf hรถchstem Niveau, das dem Anlass voll gerecht wurde. Warum? Weil die Macher alles dem Inhalt unterordneten und Professionalitรคt mit der ehrenamtlich-musikalischen Potenz der Kirche verbunden haben.

Die Konzerte, in denen die Botschaft, Tradition und das Heute miteinander verbunden wurden und damit ein wichtiger reformatorischer Impuls in einer universal zu verstehenden Sprache hรถrbar gemacht wurde. Das gleiche gilt fรผr die Posaunenchรถre, das Rรผckgrad der Kirchenmusik.

Doch ansonsten waren die โ€žKirchentage auf dem Wegโ€œ ein ziemlicher Flop

Das allerdings war vorhersehbar: Da versucht die Evangelische Kirche, deren Anfangsimpuls das โ€žPriestertum aller Glรคubigenโ€œ war, einen Kirchentag โ€žvon Obenโ€œ zu organisieren. Wer immer dafรผr verantwortlich ist: das konnte nicht funktionieren โ€“ zumal in einer Zeit, in der in den Kirchgemeinden durch strukturelle MaรŸnahmen und personelle Ausdรผnnung die Menschennรคhe und Motivationskraft verlorengehen.

Also wurde mangels kirchgemeindlichen Engagements von Oben durchgestellt. Organisation schlรคgt Motivation. Damit hat sich der Kirchentag von den Kirchgemeinden entkoppelt. So hatte โ€“ jedenfalls in Leipzig โ€“ der Kirchentag keine Gastgeber. Wo es aber keine Gastgeber gibt, bleiben auch die Gรคste aus. Nur sehr wenige Menschen kamen von auรŸerhalb nach Leipzig โ€“ und noch weniger Bรผrgerinnen und Bรผrger nahmen das Veranstaltungsangebot in Anspruch.

In vielen Sรคlen herrschte gรคhnende Leere, und auch der Marktplatz hรคtte sehr viel mehr Besucher/innen zum Erรถffnungsgottesdienst und der Performance โ€žZum Lichtโ€œ fassen kรถnnen.

Wenig war also in der Stadt vom Kirchentag zu spรผren und zu sehen. Wer รผber den Thomas- oder Nikolaikirchhof ging, konnte kaum einen sichtbaren Hinweis auf den Kirchentag sehen. Kirchentagsfahnen? Fehlanzeige. Auch ist die Kommunikation der Veranstaltungen kaum ins Stadtbewusstsein gedrungen. Von einer Reformationsbotschaft ganz zu schweigen.

Die evangelische Kirche hat es in der sog. Reformationsdekade nicht geschafft, die Errungenschaften der Reformation zu schรคrfen: Freiheit, Bildung, Verantwortung.

Stattdessen wurden die โ€žKirchentage auf dem Wegโ€œ zu einem alarmierenden Signal fรผr den Niedergang, in dem sich die Kirche befindet โ€“ nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Denn sie hat es nicht vermocht, das in den Mittelpunkt zu rรผcken, was dringend nรถtig ist: GlaubensBildung zu betreiben, um freizulegen, woraus wir Menschen schรถpfen kรถnnen, wenn wir sinnvolles Leben suchen. Das allerdings erfordert dreierlei: Pflege der eigenen Traditionen, umfassende Bildung und Festhalten an der Gerechtigkeit.

Vor 20 Jahren war letzteres das groรŸe Thema des Leipziger Kirchentages: โ€žAuf dem Weg der Gerechtigkeit ist Lebenโ€œ. Auch jetzt ist es ein entscheidendes Thema: Wie werden wir der Wรผrde eines jeden Menschen als Geschรถpf Gottes gerecht. Wie befรคhigen wir jede Kirchgemeinde dazu, eine glaubwรผrdige und nachvollziehbare Antwort auf die Frage zu finden: Warum muss es uns eigentlich geben? Was sind wir den Menschen schuldig, die mit uns das Leben teilen?

In den vergangenen Tagen kam in mir ein Bild auf, vor dem ich selbst erschrecke: Die Kirche ist wie ein groรŸes Kaufhaus, aber die Kunden bleiben aus. Doch das kรผmmert die Geschรคftsfรผhrer/innen wenig. Sie sind damit beschรคftigt, die Schaufenster zu dekorieren โ€“ und das sehr unprofessionell.

Bleibt am Schluss nur die Hoffnung, dass eine selbstkritische Bilanz der โ€žKirchentage auf dem Wegโ€œ dazu fรผhrt, das verbleibende Jubilรคumsjahr dazu zu nutzen, uns viel mehr um die Kundschaft zu kรผmmern, die Tรผren zu รถffnen und vor allem unsere Angebote offenzulegen. Es ist ja nicht so, dass die Kirche nichts zu bieten hat. Ihre Botschaft von der Freiheit, der Ehrfurcht vor dem Leben, vom Frieden und einem gerechten Miteinander ist wichtiger denn je โ€“ allein schon deswegen, weil alle diese Ziele schon verheiรŸen sind.

Doch diese Angebote mรผssen wir schon selbst kommunizieren und dรผrfen uns nicht โ€“ wie in Leipzig โ€“ auf die Stadt verlassen, dass sie es irgendwie richten wird. Die Stadt Leipzig hat in erstaunlicher Weise diesen Kirchentag in Leipzig unterstรผtzt. Doch eigentlich sollte nicht die Stadt das Beste fรผr die Kirche suchen, sondern umgekehrt: Wir Christen sollen fรผr der Stadt Bestes sorgen.

P.S. Auch der Kirchentag in Berlin muss sich kritisch anfragen lassen, welches Signal davon ausgeht, wenn im Jahr des Reformationsjubilรคums der vom Kirchentag organisierte Wahlkampfauftritt von Barack Obama fรผr Angela Merkel zum Highlight wird.

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