Am Nachmittag demonstrierten circa 60 Personen gegen das 500. Martin-Luther-Jubiläum und thematisierten den Lutherischen Antisemitismus. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Partei Die PARTEI. Der Demonstrationszug zog ab 13 Uhr vom Connewitzer Kreuz zum Neuen Rathaus. Zentrale Forderung war die Umbenennung des Martin-Luther-Rings in Martin-Sonneborn-Ring.
Deutlich weniger Menschen als die erwarteten 50.000 Besucher sind zum Kirchentag dieses Jahr nach Leipzig gekommen. Die Zahlen der inhaltlich wie organisatorisch Mitwirkenden liegt beim Kirchentag auf dem Weg in Leipzig bei 15.000 Karten, so die offizielle Verlautbarung seitens des Kirchentages am heutigen Samstag. „Wir haben auf das Dreifache der Zahlen hingearbeitet“, so Hartwig Bodmann, Geschäftsführer des Vereins Reformationsjubiläum 2017. Hochgerechnet seien es dennoch mit allen Besuchern wohl 41.000 gesamt in Leipzig.
Woran das liegt kann vielfältige Gründe haben. Einer könnte womöglich auch das 500. Martin-Luther-Jubiläum sein.
Dass der Reformtor Martin Luther durchaus keine reine Weste hat, räumte auch Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au ein: „Seine Judenfeindlichkeit würde ihn jedenfalls sehr disqualifizieren“, sagte sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Den Lutherischen Antisemitismus thematisierte ebenfalls die Partei Die PARTEI am Samstagmittag ab 13 Uhr mit einer Demonstration unter dem Motto „Wer Juden hasst, hat Luther verstanden.“
Bundestagskandidat Tom Rodig (Die PARTEI) konnte Luthers Ideen nichts abgewinnen. „Mit seiner Christlichen Alternative für Deutschland“, kritisierte Rodig, „hat der Doktor Luther uns ein zweifelhaftes Erbe hinterlassen.“
„Das wirklich allerschlimmste ist dem Doktor Luther seine Propaganda von der protestantischen Arbeitsethik“, skandalisierte der Spitzenkandidat. „Sie sagen Arbeit ist Gottesdienst, Faulheit ist Sünde und jeder ist seines Glückes Schmied – welche krude Verfehlung.“
Als Alternative zur Alternative predigte Rodig ein neues Konzept: die Religion für Ex-Lutheraner, Irrglaubenbeseitigung, Glaube in Offenbarung und Naturbeherrschung – kurz RELIGION. Der neue Messias ist der Europapolitiker Martin Sonneborn (Die PARTEI). „Er versammele die verlorenen Seelen“, warb der Religionsanhänger Rodig, „um uns unter seinem Banner mit großen Schritten in das Paradies der allumfassenden Parteiherrschaft zu führen.“
Die Bereitschaft für den neuen Messias Sonneborn geht mittlerweile so weit, dass Parteivertreter offen die Umbenennung des Martin-Luther-Rings in Martin-Sonneborn-Ring fordern. Eine Petition liegt bereits bei der Stadt Leipzig vor. Bis Samstagnachmittag hatten bereits über 1.200 Menschen das Vorhaben unterstützt.
„Leipzig geriert sich immer wieder als Stadt der Toleranz und der Menschlichkeit“, zitierte Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) aus der Begründung, „wie heuchlerisch wirkt es aber gerade für aufgeklärte Menschen, wenn eine Straße im Herzen der Stadt seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten den Namen eines Mannes trägt, dessen Handeln und Tun zu einem nicht geringen Teil auch auf die Verunmöglichmachung des Lebens eines Teils der Bevölkerung abzielte.“
Die Veranstaltung endete gegen 15 Uhr am Neuen Rathaus. Es gab keine Zwischenfälle mit Kirchentagsbesuchern.
Über “Glauben oder Wissen” lesen Sie mehr in der aktuellen Ausgabe der LZ, Ausgabe Mai 2017
Leipziger Zeitung Nr. 43: Leipzig zwischen Wissen und Glauben
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