Am 18.03. wollte die extrem rechte Kleinstpartei "Die Rechte" in Leipzig demonstrieren. Bereits im Vorfeld hatte es dazu allerhand Wirbel gegeben. Etliche Gewaltaufrufe in den sozialen Netzwerken und Diskussionen vorab über Gewalt und Protest ließen die Anspannung an diesem Tag steigen. Im Ergebnis kann man folgendes festhalten: 150, zum Teil aus den LEGIDA/ PEGIDA Umfeld und deutlich erkennbar im 90er Jahre Nazistyle auftretende Nazis um Christian Worch, standen an einem weitgehenden ruhigen Tag mehr als 2.000 Gegendemonstranten entgegen. Am Ende ein weithin erleichtertes Aufatmen, dass es nicht zu Eskalationen kam.

Die Nazis: Nein, man muss hier nicht verharmlosend von Bürger*innen reden, wer mit T-Shirts der Marke “Aryan” rumläuft: “Nie, nie, nie wieder Israel” und “frei, sozial, national” ruft begibt sich weit außerhalb eines demokratischen Diskurses und ist ein Nazi. Worch, der in den 2000er Jahren um Leipzig als Fronststadt gekämpft hatte, traf wie so oft auf entschlossenen Widerstand und die eigene Teilnehmer*innenzahl blieb deutlich hinter den Erwartungen. Letzteres dürfte auch damit zusammenhängen, dass die lokale Naziszene nicht mobilisierte und sich vernehmbar ruhig verhielt.

Klassische Hooliganschläger, die regelmäßig bei LEGIDA auftraten hielten sich an diesem Tag zurück. Das Gros der Teilnehmer, fast ausschließlich Männer, kam nicht aus Leipzig.

Christian Worch bei der Schlussansprache auf dem Bayerischen Platz. Foto: L-IZ.de
Christian Worch bei der Schlussansprache auf dem Bayerischen Platz. Foto: L-IZ.de

Der Gegenprotest: Insgesamt 11 Gegendemonstrationen waren mehr oder weniger nah an der Demonstration der Rechten angemeldet. Dabei zeigte sich einmal mehr die Spannweite des Gegenprotestes, der über die Kirchen und Gewerkschaften, der Stadtspitze bis hin zu Oberbürgermeister Burkhard Jung, den Roter Stern Leipzig bis hin zu Leipzig nimmt Platz und der emanzipatorischen Linken reichte.

Hören Sie hier den Dank des Leipziger OBs Burkhard Jung nach dem 18. März 2017. Quelle: Stadt Leipzig

Die Teilnehmerzahl dürfte bei insgesamt um die 2.500 liegen, was aber angesichts eines sehr dynamischen Gegenprotestes schwierig war festzustellen. Auch wenn sich 2.500 Menschen viel anhört, die Polizei sprach von etwas über 1.000, ist das für Leipzig eine überschaubare Zahl.

Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die vorher geführte Diskussion zur Gewalt und die Befürchtung vor Eskalation auch eine demobilisierende Wirkung auf Teile der Bürgerschaft gehabt hat.

Dabei ist gerade der gesellschaftliche Minimalkonsens Rechten, Rassismus und Hass, entschlossen entgegenzutreten der Grund dafür, dass rechte Demonstrationen, egal ob sie sich nun als bürgerlich tarnen wie LEGIDA oder gleich unverhohlen als Revisionisten auftreten, es schwer haben.

13:30 Uhr: Gegenprotest an der Semmelweisstraße. Foto: L-IZ.de
13:30 Uhr: Gegenprotest an der Semmelweisstraße. Foto: L-IZ.de

Die Polizei: Unter den Eindrücken des Geschehens am 12.12.2015 als es zu massiven Auseinandersetzungen auf der Karl-Liebknecht Straße gekommen war, hatte die Polizei diesmal mehr Kräfte herangezogen und auch im Vorfeld und am Tag selber anders agiert. Insgesamt waren mehr als 8 Wasserwerfern, Räumpanzer, Hubschrauber und Reiter- sowie Hundestaffel und insgesamt über 2.500 Beamte im Einsatz.

Im Vorfeld hatte die Polizei Sachsen mit einem Statement für Diskussionen gesorgt, dass ein konsequentes Vorgehen androhte und Böses erahnen lies. Im Vorfeld eine Machtdemonstration am Tag selber ein geteiltes Bild. Die Polizei war zumindest in Teilen, unterstützt durch Kommunikationsteams, erkennbar um Deeskalation bemüht. Ausnahmen bildeten hier Einheiten aus Thüringen und Bayern, die sich mehrfach kampfbereit in angemeldete Gegendemonstrationen begaben.

Ebenso wurde entlang der Strecke mehrere Versuche Spontanversammlungen anzumelden unterbunden und zum Teil der Weg zu angemeldeten Kundgebungen zweitweise erschwert bis verunmöglicht.

Unter den kritischen Blicken der Beamten wurde diskutiert - bleiben oder gehen? Foto: L-IZ.de
Unter den kritischen Blicken der Beamten wurde diskutiert – bleiben oder gehen? Foto: L-IZ.de

Das Geschehen: Nach der Auftaktdemo von Leipzig nimmt Platz, die an der Distillery endete, verlagerte sich der Gegenprotest in die Straße des 18.Oktober und Richtung bayrischer Bahnhof. Das Gros der Gegendemonstranten traf am bayrischen Bahnhof auf die Rechten und machte dort lautstark die Ablehnung deutlich. Ähnlich auch am deutschen Platz. Immer wieder versuchten einzelne Gruppen auch auf die Strecke zu gelangen um so den Aufmarsch der Rechten zu unterbinden, was einzeln auch gelang. Auch hier blieben Eskalationen weitgehend aus.

Die Politik: Während sich die Mehrheit der Parteien in Leipzig einig und zum friedlichen Gegenprotest aufrief wollte sich die CDU Leipzig daran wie so oft nicht beteiligen, weil es keinen friedlichen Gegenprotest gebe. Die Realität belehrt die CDU eines besseren. Sie werden nicht daraus lernen. Die Haltung der Parteien auch wenn man sie im Einzelnen und bestimmten Fragen noch so hart kritisieren kann trägt mit dazu bei, dass Rechte anders als in Dresden eben nicht die Deutungshoheit im öffentlichen Raum erringen. Für die Grundwerte der Demokratie einzustehen sollte darüber hinaus für demokratische Parteien selbstverständlich sein.

Die Frage der Gewalt: Die eigentlich entscheidende Frage war: wie mit Gewalt umgehen. Es gab vorab mehrere Appelle, Stellungnahmen und Aufrufe zur Deeskalation. Dabei darf man ruhig die Frage aufwerfen und diskutieren über welche Art Gewalt gesprochen wird.

Potential war auf allen Seiten vorhanden. Foto: L-IZ.de
Potential war auf allen Seiten vorhanden. Foto: L-IZ.de

Die Nazis, deren Anhänger vielfach wegen Körperverletzungen vorbestraft waren hatten ein gewalttätiges auftreten. Ihre Sprache war Gewalt. Auch die Polizei als manifestes Gewaltmonopol des Staates übt Gewalt aus und schließlich gab es auch von Seiten des Gegenprotestes Aufrufe der Gewalt militant zu begegnen.

Und sowohl die Demonstrationen, als auch das Auftreten der Polizei dürften einschüchternd gewirkt haben. Bereits die Androhung Gewalt auszuüben ist in diesem Sinne Gewalt. Schließlich unterscheidet die Jurisprudenz aus guten Gründen zwischen willensbeugender und willensauschließender Gewalt. So kurios es anmutet, hat die in Leipzig vorab geführte Debatte über Gewalt und Militanz mit dazu geführt, dass es keine größeren Eskalationen gab einerseits und andererseits die Nazis gar nicht erst in Richtung Süden abbiegen durften.

Kurz nach 12 in Deutschland. Die Rechten sind an der SBahn-Station MDR angekommen. Foto: L-IZ.de
Kurz nach 12 in Deutschland. Die Rechten sind an der SBahn-Station MDR angekommen. Foto: L-IZ.de

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht haben in ihren Entscheidungsgründen auf die erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Leipziger Süden abgestellt und dabei auch den 12.12.2015 zur Bewertung explizit herangezogen. Vereinfacht ausgedrückt weil es am 12.12.2015 in der Südvorstadt zur Eskalation kam und Gewaltaufrufe die Debatte der sozialen Netzwerke anfänglich bestimmten, durfte die Stadtverwaltung Leipzig als Versammlungsbehörde die Demonstration der Rechten aus den Süden in den Nordosten der Stadt verlegen.

Ein gerechtfertiger Eingriff auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit? Ich bin da entschlossen unentschlossen. Auch wenn vielfach gefordert wurde die Nazidemo, deren Ziel reine Provokation war zu verbieten, ist dies nicht der richtige Weg. Auch wenn die Nazis den freiheitlichen Rechtsstaat zum Feind erkoren hat, genießt sie doch die gleichen Rechte, auch Grundrechte, auch dann wenn es im Einzelfall schwer zu akzeptieren ist.

Und dieser Rechtsstaat ist auch deswegen ein Rechtsstaat weil er auch seinen Gegner die gleichen Rechte einräumt. Dies sollte man auch bei den zum Teil unsäglichen Debatten über Terror nie vergessen.

Unter dem Eindruck der Gefahr für die öffentliche Sicherheit (gemeint ist im juristischen Sinne: Die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, die Rechtsgüter des Einzelnen (Leben, Leib, Gesundheit, Eigentum, die Institutionen des Staates) erfolgt ein Eingriff auf das Versammlungsrecht. Auch wenn das an diesem Tag eine Lösung war, kann dies nicht der Weisheit letzter Schluss sein weil es im Grunde genommen zu zwei Ergebnissen führt: mehr Polizei und mehr Gewalt.

Ein Videozusammenschnitt vom 18. März 2017 in leipzig. Video: L-IZ.de

Anders herum betrachtet wird man feststellen müssen: umso mehr Menschen, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen und damit den Rechten entgegentreten umso eher kann die Versammlungsbehörde eine Lösung über die Verhältnismäßigkeit in Betracht ziehen.

Treffen mehrere Grundrechtsträger (Nazidemo und Gegendemos) aufeinander sind die Grundrechte so in Abwägung zu bringen, dass beide ihre größtmögliche Reichweite entfalten. Zu diesem Prinzip der praktischen Konkordanz werden in die Abwägung eingestellt: Größe der Versammlungen, Bedeutung des Ortes für die jeweilige Versammlung, Motto, Geschichte, Anmeldezeitpunkt. Anders gesagt, die Stadt kann die Demonstrationen auch verlegen und beschränken, nicht weil mit Gewalt zu rechnen ist, sondern weil einfach deutlich mehr Menschen auf der einen als auf der anderen Seite auf der Straße sind. Und das wäre dann wirklich ein Gewinn für Alle.

Auch bei der Frage der Militanz, die eben nicht synonym für Gewalt steht, wird man folgendes festhalten dürfen: Das in Leipzig Rechte nicht (mehr) offensiv auftreten hängt auch damit zusammen, dass auf jedes offensive Auftreten sei es mit Symboliken oder körperlich, eine entsprechende Antwort folgt. Und dieses Gefühl in einer Stadt, in der es trotz dessen Vorurteile und rassistisch motivierte Gewalt gibt, am Tag sich klar als Antirassist bekennen zu können ohne in Angst zu leben, hängt auch damit zusammen.

Ob wir irgendwann in einer Gesellschaft ohne Diskriminierung leben werden, ist keine Frage die der Staat, ein Parlament oder eine Behörde entscheidet. Über diese Frage entscheiden wir, jeden Tag mit unserem Verhalten mit.

Danke an Alle, die sich engagieren, die Diskriminierung nicht unwidersprochen lassen und damit dazu beitragen, dass wir die Zukunft nicht fürchten müssen.

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