Bitte bremsen! Einfach auf die KlĂśtzer treten, sonst kommt der Kipper auf die falsche Spur. In unserem Artikel âWarum die Narzissten triumphieren, wenn Politik keine Visionen mehr hatâ haben wir Ăźber Ratio geschrieben, nicht Ăźber den âHomo Oeconomicusâ, den âOlafâ im Kommentar als Beispiel fĂźr den rationalen Typ Mensch anfĂźhrte. Niemand ist irrationaler als der âHomo Oeconomicusâ.
âNun, an anderer Stelle wird der Homo Oeconomicus zu Recht als Fabelwesen dargestellt, an dem sich sinnloserweise Heerscharen an Wirtschaftswissenschaftlern abarbeiten. Falsche Theorien anbietend, weil die Grundannahme eben falsch ist. Und auf einmal soll er wieder das MaĂ der Dinge sein?! Der Homo oeconomicus? Der Rationale?â, schrieb âOlafâ.
Was stimmt, ist die Tatsache, dass die Wirtschaftswissenschaftler den âHomo Oeconomicusâ als rational agierenden Typus des Marktteilnehmers entwickelt haben. Als Modell. Noch namenlos taucht er so bei Adam Smith auf. Seinen Namen bekam dieser bestens Ăźber alle Marktverhältnisse informierte, rational entscheidende Mustermensch dann 1888 von John Kells Ingram: economic man.
Friedrich August von Hayek, der Urvater des Neoliberalismus, meinte dann, den âHomo Oeconomicusâ schon bei John Stuart Mill gefunden zu haben. Aber wirklich zu Ruhm und Macht hat erst die Hayeksche Schule diesen emotionslosen Modellmenschen gebracht, der allen, wirklich allen, neoliberalen Thesen zugrunde liegt.
Er funktioniert nur als theoretische Annahme in lauter theoretischen Modellen, in denen der modellhafte âMarktâ durch nichts verunreinigt wird â nicht durch NatureinflĂźsse, Ressourcenmangel, Politik, menschliche Emotionen und was der Dinge mehr sind, die unser Dasein als Mensch erst wirklich komplex machen.
Das Tragische am neoliberalen Wirtschaftsmodell ist seine grauenvolle Unterkomplexität. Es erklärt einen Teil (den âMarktâ) zum Ganzen, weil ja in einer Marktwirtschaft augenscheinlich alles irgendwie Marktprozessen unterworfen wird. Aber er blendet einfach alle StĂśrgeräusche aus und vollzieht dann noch einen Zaubertrick: Er macht aus einem modellhaften âHomo Oeconomicusâ eine Welt aus lauter âHomo Oeconomicussenâ, oder mal in Wirtschaftsdeutsch Ăźbersetzt: den rationalen Agenten im âMarktâ.
Selbst Wikipedia betont: Bitte nicht verwechseln!
âRationalität ist hierbei nicht gleichzusetzen mit dem Ăźblichen Begriff der Rationalität, sondern entspricht der Rationalität im Sinne der Präferenzenaxiome …â
Wer die Axiome liest (Links findet man unterm Text), der merkt, dass dieser Modellagent eine Fiktion ist, so etwas wie der ideale Marktteilnehmer, der Ăźber alle notwendigen Informationen verfĂźgt, um die richtige Entscheidung zu treffen. Wobei ârichtigâ in diesem Fall wieder keine moralische oder emotionale Dimension ist (das soll ja als StĂśrgeräusch gerade ausgeschlossen werden), sondern es geht um Nutzenabwägung. Der rationale Agent ist der Mann, der stets an den grĂśĂtmĂśglichen Nutzen bei all seinen Entscheidungen denkt. Donald Trump zum Beispiel.
Sie merken: Es wird sofort irrational, weil der âHomo Oeconomicusâ nicht anders kann. Es ist schon erstaunlich, dass er in donaldscher Reinkultur so tatsächlich auf Erden existiert. Aber das ist nur deshalb erstaunlich, weil dieser Bursche nun auch mal zeigt, wie man Macht und Politik ganz unter der eigenen Nutzenbetrachtung handhaben kann.
Wer die Ăźblichen Beiträge der Wirtschaftsmagazine liest, weiĂ, dass es in den groĂen Unternehmen dieser Welt von solchen âHomo Oeconomicussenâ wimmelt. Es ist ihr Biotop. Hayek hat ja keine neue Menschenart erfunden, sondern nur jenen Typus Mensch extrahiert, der â wenn alles in der Welt reiner Markt wäre â damit am besten, erfolgreichsten und nutzbringendsten umgehen kĂśnnte. Und da Hayek die Sache mit dem Nutzen nicht weiter unterschieden hat, gibt es nur den einen Nutzen, nämlich den fĂźr den âHomo Oeconomicusâ.
Das ist wie in Edwin Abbotts âFlächenlandâ: Was begreift eigentlich ein Wesen von der dreidimensionalen Welt, wenn es nur in einer zweidimensionalen lebt?
Es nimmt die andere Dimension nicht einmal wahr. Es hat gar kein Sensorium dafĂźr.
Deswegen kommt die dreidimensionale Wirklichkeit in der neoliberalen Wirtschaftstheorie auch nicht vor. Es ist dort schlicht unvorstellbar, dass Menschen sich â im Sinne der âreinen Markttheorieâ â eben nicht als ârationale Nutzenmaximiererâ verhalten (was Ăźbrigens die Normalverhaltensweise von Menschen ist, man glaubt es kaum.). Das ist die âRationalitätâ, die diese Wirtschaftstheorie meint. Und die gerade unsere Welt zerstĂśrt, weil diese ârationalenâ Spieler keine Empathie kennen, Gerechtigkeit ebenso wenig, Verantwortung fĂźr andere Menschen, gar Markt-Verlierer?
Kannste vergessen.
Es sieht wie eine gnadenlose Rationalität aus. Sie handeln wie Maschinen, ordnen alles, wirklich alles ihrer Nutzenmaximierung unter. Und nutzen ihre Marktmacht auch gnadenlos dazu, alles plattzuwalzen, was ihrer ziemlich zweidimensionalen Nutzenmaximierung im Wege steht. Staatliche Regularien zum Beispiel, geltende Gesetze, Steuervorschriften, wirtschaftliche Konkurrenten, alternative Geschäftsmodelle, Gewerkschaften, Landschaftsschutzgebiete, kritische Medien … Wir kĂśnnten ja mit der Aufzählung hier so weitermachen.
Nur: Mit Rationalität hat das alles nichts zu tun. Oder nur bedingt â als eine sehr reduzierte Spielart.
Aber bevor wir uns jetzt auf die vielen Spielarten von Rationalität einlassen (von denen die meisten wieder nur zweidimensional reduzierte Modelle sind, die versuchen, mathematische Logik in alle mĂśglichen Welt-Verhältnisse hineinzuinterpretieren), gehen wir einfach mal auf den wichtigsten Punkt ein: Rationalität ist KEINE Zielerreichungs- oder gar ProblemlĂśsungsmethode. Deswegen ist auch fast alles gequirlter BlĂśdsinn, was Wikipedia zum Stichwort âRationalitätâ liefert.
Rationalität ist eine Erkenntnismethode, eine wissenschaftliche Art, die Dinge zu untersuchen und ihre Wirkungsweisen zu begreifen.
Vor der Anwendung kommt immer die Analyse, die Untersuchung, das Begreifen des Gegenstandes, mit dem man sich eigentlich beschäftigt.
Was in der Wirtschaftswissenschaft zum Beispiel ziemlich schnell zu der Erkenntnis fĂźhrt, dass das âMarktmodellâ nur ein idealisiertes Konstrukt ist, das es nirgendwo in der Realität gibt. Nicht mal als Schatten seiner selbst. Es ist ein â sträflichst â reduziertes Modell dessen, was Menschen im permanenten Austausch miteinander tun und welche Folgen das hat und wie es das Spielfeld permanent verändert. Fast zur Regel geworden ist ja, dass der viel gerĂźhmte âHomo Oeconomicusâ in den letzen Jahren das Spielbrett einfach immer wieder umgeworfen hat und lauthals verkĂźndet hat: âIch scheiĂe auf eure Regeln …â
Vorm Platzen der Bankenblase 2008 ja in allen groĂen Banken des Westens passiert.
Man denkt da an diesen einen, vergeblich mahnenden und quengelnden Finanzminister in Deutschland, den die Herde der dienstbaren Geister des âHomo Oeconomicusâ mit Geheul durch die Gassen und fast in den Wahnsinn trieb â bis er den ganzen Bettel hinschmiss und aus allen Ămtern floh. Der Bursche hieĂ Oskar Lafontaine, dessen Handeln oft genug recht irrational erscheint, der aber â im Vergleich mit dem âHomo Oeconomicusâ â ein sehr rationaler Mann ist. Zumindest im Begreifen der Dinge und der Forderung nach einem staatlich regulierten Markt. Bei der LĂśsung fehlt es dann wieder.
Aber wie oben erwähnt: Die Rationalität braucht man beim ERKENNEN der Wirklichkeit. Danach braucht man mehr: nämlich Vernunft. Die eben auch die Fähigkeit einschlieĂt, kluge und sinnvolle Entscheidungen in Situationen zu treffen, in denen der Akteur nicht mal die Chance hat, alle nĂśtigen Informationen fĂźr eine âabsolut richtigeâ Entscheidung zu bekommen. Zum Beispiel, weil die Rahmenbedingungen zu komplex sind, zu viele Variablen haben, nicht bloĂ diese lächerlichen Entscheidungen zwischen a und b, mit denen die Wirtschaftswissenschaftler ihr Modell meistens verkaufen.
Was ja bekanntlich eine gewisse Margaret Thatcher auf die Spitze trieb, die einfach kraft ihrer Wassersuppe verkĂźndete âThere is no alternativeâ.
Genauso denkt der âHomo Oeconomiciusâ. DĂźmmer gehtâs nimmer.
Denn der Normalfall der menschlichen Entscheidungen auf dem multidimensionalen Spielbrett, auf dem er agiert, ist eine unendliche Anzahl von EntscheidungsmĂśglichkeiten oder eben Alternativen. Von den unmĂśglich dummen bis hin zu den abenteuerlich offenen. Denn das unterscheidet die platten Geister der neoliberalen Politik von den wirklichen Visionären: Die Ersten kennen nur EINEN Weg, nämlich den der kurzfristigen und maximalen Nutzenmaximierung. Sie sind unfähig, Ăźber den Tag, die eigenen Kinder oder Enkel hinauszudenken. Sie leben im absoluten Jetzt und bringen es auch schon mal fertig, das âEnde der Geschichteâ (Fukuyama) herbeizureden, weil sie sich einfach nicht vorstellen kĂśnnen, dass Geschichte immer nur das ist, was von unendlich vielen MĂśglichkeiten tatsächlich passiert ist. Sie leben im geronnenen Jetzt, haben aber null Vorstellung von allem, was gleich oder später noch kommen kĂśnnte.
Deswegen gibt es fĂźr sie auch keinen Klimawandel, keinen drohenden Ressourcenkollaps, keine Bedrohung unseres Wohlstands durch wirtschaftliche Blindheit. Sie denken nur an den jetzigen Nutzen, das, was sie jetzt âaus der Sache rausschlagenâ kĂśnnen. Alle anderen Spieler, die sich Sorge machen um das Morgen, die Welt und den ganzen Rest, wirken in den Augen dieser reduzierten Idealtypen nur lächerlich.
Donald Trump war in seinem HĂśhnen und Verunglimpfen absolut ehrlich â als auftrumpfender âHomo Oeconomicusâ. In seiner Welt ist er vollkommen im Recht. Denn dort ist die Nutzenmaximierung fĂźr Donald Trump das einzige legitime Ziel.
So, wie es in den zweidimensionalen Welten all der anderen âHomo Oeconomicusseâ das einzig legitime Ziel ist, den maximalen Nutzen dieser Personen zu erreichen.
Sie ahnen es. Das Ergebnis kann keine rational gedachte Welt sein, sondern nur ein Schlachtfeld von Egoisten oder Narzissten (was in diesem Fall in der Regel eins ist), von denen man entweder ßberrollt oder ignoriert wird. Fßr einen rationalen Diskurs sind sie gar nicht zu sprechen. Das ist Chinesisch fßr sie. Oder Altägyptisch.
Einen Vorteil hat dieser Ăśkonomische MusterschĂźler: Er muss nicht viel nachdenken. Er entscheidet sich immer und sofort fĂźr die LĂśsung, die ihm den grĂśĂtmĂśglichen Nutzen bringt. Da Ăźberlegen die nachdenklichen Gegenspieler in der Regel noch, ob sie das ihrer Belegschaft, den Kunden, der Umwelt oder den Indianern am Amazonas antun dĂźrfen. âBedenkenträgerâ heiĂt das im verächtlichen Vokabular der Ăśkonomischen Musterknaben.
Aber bevor es an diese Stelle zu frustrierend wird, setzen wir einen Punkt.
Zumindest nachgedacht haben sollte man ßber das, was dieser Modellmensch in der Welt anrichtet. Dann lernt man vielleicht auch, ihm frßher Grenzen zu setzen. Bevor er seine platten Träume in die Tat umsetzt.
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Keine Kommentare bisher
Menschen sind keine Modelle. Kein Homo Oeconomicus und kein Eckrentner.
Der Mensch ist auch alles andere rational.
Man kann natĂźrlich auch sagen, dass bei Wikipedia gequirrlte ScheiĂe steht.
Dann muà man allerdings auf Abkßrzungen wie Rationalität, Vernunft, Emotion verzichten, sondern muà ausformulieren.
Der Wähler ist nicht rational, genau so wenig, wie Trump vermutlich kein Homo Oeconomicus ist.