Eigentlich ist es eher eine Meldung so um drei Ecken: Dem Magazin โ€žNew Yorkerโ€œ habe Linked-in-Mitgrรผnder Reid Hoffmann verraten, โ€ždass die Silicon-Valley-Elite sich auch Grundstรผcke in Neuseeland kaufte. Das Land gelte als Rรผckzugsort vor der Apokalypse.โ€œ So meldete es โ€žSpiegel Onlineโ€œ am Dienstag, 24. Januar. Da wird eine panische Angst sichtbar, die die Superreichen umtreibt.

Nicht mal nur die Angst vor der Apokalypse. Auch wenn das seit gut 40 Jahren unรผbersehbar ist. ร„ngste, die Menschen sich nicht einzugestehen wagen, verwandeln sich in kรผnstlerischen Stoff fรผr Bรผcher und Filme. Und seit 40 Jahren produziert Hollywood einen apokalyptischen Film nach dem anderen. Sicher, die Leute ziehen das Zeug in sich rein, rennen zu jedem neuen Weltuntergang ins Kino. Aber das formt natรผrlich auch die Selbstwahrnehmung einer Gesellschaft. Wer in einer Flut von Filmen Jahr fรผr Jahr den Untergang Amerikas erlebt, der fรคngt irgendwann an wie selbstverstรคndlich die Apokalypse fรผr ein realistisches Szenario zu halten.

Was dann wieder ungeheure Mittel freisetzt, die in die Zerstรถrungsmaschinerien und โ€“ als Bollwerk gegen die Vernichtung โ€“ unheimliche Sicherheitssysteme flieรŸen. Auch der รœberwachungswahn der westlichen Geheimdienste gehรถrt dazu, die Besessenheit aller mรถglichen Prรคsidenten von der Atombombe sowieso. Das โ€žGleichgewicht des Schreckensโ€œ ist zwar kein Gleichgewicht mehr โ€“ aber der Schrecken ist noch immer da. Und mit dem Aufstieg des Donalds Trump ist er vielen Leuten erst wieder ins Bewusstsein geraten.

Aber das heiรŸt ja nicht, dass Hollywood all die Jahre gezwungen war, ein Untergangsszenario nach dem anderen zu drehen. Man hรคtte sich auch ganz andere Serien von Filmen vorstellen kรถnnen, ebenso aufwendig gemacht, ebenso lustvoll inszeniert.

Nur: Hollywood hat augenscheinlich mehr Lust an einer infernalischen Vernichtungsszenerie als an einer saftigen endless story รผber das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Vorlagen fรผr richtig kรผhne Filme รผber das Leben gibt es genug. Aber in Hollywood entscheiden die Tycoone, welches Drehbuch verfilmt wird.

Es ist die stille Panik der Reichen, die sich hier in Szene setzt (und gleichzeitig glorifiziert). Denn die Lust am Untergang lebt ja nicht in den verlassenen Geisterstรคdten des mittleren Westens oder in den chaotischen StraรŸen New Yorks. Sie lebt in den Strategiespielen der Investoren, die die Maschine immer wieder bis zum Hype und zum Kollaps hochjagen, die sich daran erfreuen, ganze Unternehmensimperien und sogar Staaten in die Knie zu zwingen. Das ganz groรŸe Geld hat ein Problem: Es kennt keine Empathie.

Und wenn sich irgendwann einmal ein paar Soziologen und Psychologen trauen, diese so hoch gefeierten Narzissten auch mal gesundheitlich unter die Lupe zu nehmen, dann werden sie in Abgrรผnde schauen. Denn Macht verdirbt nicht nur den Charakter โ€“ sie zerstรถrt auch die Fรคhigkeit, mit anderen Menschen zu fรผhlen, zu leiden, ihnen nahe zu sein.

Schon lange haben sich ganze Industrien auf die Angst der richtig Reichen vor den anderen Menschen spezialisiert. Nicht nur Konzerne, die teure รœberwachungstechnik produzieren, sondern auch Baufirmen, die geschlossene Villenviertel bauen, closed areas, in denen sich all jene verbarrikadieren, die das Geld dazu haben. Drumherum: Zaun, Mauern, Sicherheitskontrollen.

Man ahnt schon, warum die wirklich Durchgeknallten jetzt glauben, in Neuseeland noch ein sicheres Plรคtzchen finden zu kรถnnen, wenn sie im Norden alles zerstรถrt haben. Denn diese Art Geldmachen, wie sie seit 40 Jahren propagiert wird, zerstรถrt unsere Welt. Sie zerstรถrt sogar die Grundlagen des Geldmachens, denn sie verschlingt nicht nur die Trรคume der Menschen, sondern auch sรคmtliche Ressourcen.

Wir haben ja nicht ohne Grund an dieser Stelle mehrere Bรผcher besprochen, in denen kenntnisreiche Autoren beschreiben, wie unsere heutige Art des Wirtschaftens unsere Welt zerstรถrt.

Das Problem ist: Es fehlen die Regularien. Sie wurden sรคmtlich in den vergangenen Jahrzehnten demontiert. Und das hat gerade jenen Unternehmen unerhรถrte Gewinne und Marktmacht beschert, die die Ressourcen am rรผcksichtslosesten ausplรผndern.

Und zu diesen Ressourcen gehรถren nicht nur Rohstoffe, Fischschwรคrme, Wรคlder, Felder, ร–l, Luft oder Wasser. Zu diesen Ressourcen gehรถren auch die Kreativitรคt und die Professionalitรคt der Menschen. Unsere heutigen Politiker reden die ganze Zeit von Bildung, mit der die Kluft zwischen Arm und Reich geschlossen werden kรถnnte. Aber wer gebildet ist, wer richtig viel investieret hat in die Erlangung einer guten Qualifikation, der merkt schnell: dass sie nichts wert ist.

Es sei denn, er dient sich genau dem ressourcenverschleudernden System an, das unsere Lebensgrundlagen zerstรถrt. Wozu รผbrigens auch die vielen hochgezรผchteten Algorithmen aus dem Silicon Valley zรคhlen, deren tiefster Sinn vor allem ist: menschliche Arbeit รผberflรผssig zu machen. Menschen also einfach aus dem System zu schmeiรŸen. Die ganze Energie der milliardenschweren Kolosse Facebook, Apple, Amazon, Uber und wie sie alle heiรŸen, ist darauf gerichtet, vorhandene Wirtschaftsmodelle zu zerstรถren. Modelle, die mit Menschen arbeiten.

Kein Moment wird darauf verwendet, darรผber nachzudenken, wie eine Welt aussehen kรถnnte, die Menschen tatsรคchlich zur hรถchstmรถglichen Bildung befรคhigt und sie ganz selbstverstรคndlich teilhaben lรคsst an allen gesellschaftlichen Prozessen. Eine umfassende digitale Kommunikation kรถnnte dazu die Voraussetzung sein.

Aber wir reden ja heute nicht ohne Grund immer wieder รผber Teilhabe, weil dieser Prozess, wie wir ihn gerade erleben, darauf angelegt ist, immer mehr Menschen von einer Teilhabe am Wesenskern ihrer Welt auszuschlieรŸen. So haben es die Cleverles nicht nur im Silicon Valley gelernt. So wird Betriebswirtschaft an fast allen westlichen Hochschulen gelehrt: menschliche Arbeitskraft ist (zu) teuer und man macht das Unternehmen vor allem dadurch fit, dass man menschliche Arbeit รผberflรผssig macht.

Da ist man ganz schnell beim รผberflรผssigen Menschen. Den keiner mehr braucht. AuรŸer ab und zu ein durchgeknallter Wahlkรคmpfer, der lauthals verspricht: โ€žIch hole euch da raus aus dieser โ€ฆโ€œ

Falsches Denken aber fรผhrt nicht nur dazu, dass immer mehr Menschen sich aussortiert und abgewertet fรผhlen und politisch Amok laufen. Es fรผhrt zu einer riesigen ressourcenverschlingenden Maschine, die auf nichts und niemanden mehr Rรผcksicht nimmt. Mark Zuckerberg will ja gern der Nachfolger von Donald Trump werden. Da lรถst ein Narr den anderen ab, wenn das so kommt.

Und das Erstaunliche ist: Gerade Narren fรผhlen sich derzeit berufen, den Retter der Welt spielen zu wollen. Weil sie glauben, den Zauberstab gefunden zu haben.

Und wenn die Narren aus dem Silicon Valley nun glauben, in Neuseeland noch eine rettende Insel zu finden, dann haben sie nicht einmal begriffen, was sie schon alles angerichtet haben. Und dass sie besser beraten wรคren, ihr Ingenieurkรถpfchen dazu zu verwenden, die rasende Maschine zu bremsen und eine echte, zukunftsfรคhige Welt zu bauen, mit der es die Menschheit (und zwar die ganze) tatsรคchlich schafft, die nรคchsten Generationen zu รผberleben, vielleicht sogar die sicheren Folgen des Klimawandels zu meistern und die Biosphรคre zu retten. Das sind echte Mega-Aufgaben. Nicht dieser lรคcherliche Pรคckchendienst von Amazon oder Mark Zuckerbergs wilde Schwatzbude.

Das wird ohne Re-Regulation nicht gehen. Und auch nicht ohne Politiker, die Staatskunst auch wieder als Ingenieurkunst begreifen.

Sie sehen: Wir streifen schon mal kurz die Serie โ€žProjekt Europaโ€œ, an der wir natรผrlich weiterschreiben mรผssen, weil auch die Europรคer dazu neigen, den groรŸen Zampano zu wรคhlen, der ihnen verspricht, den Laden aufzurรคumen.

Was zwangslรคufig schiefgeht. Das gestehen sich viele Wรคhler einfach nicht ein: Dass der Kerl auf dem Plakat nicht die Bohne mehr weiรŸ รผber das Funktionieren der Welt als sie selbst. Er tut aber so, denn die modernen Parteien mit ihren Eitelkeiten und dem gierigen Fernsehen drumherum, erzeugen ja gerade den Narzissten, der sich kraft seiner Ignoranz und รœberheblichkeit ins Scheinwerferlicht und an die Spitze drรคngelt, wo er losrambazambat, dass man die Opfer nur so schreien hรถrt.

Der Wรคhler ist gut beraten, wirklich nur Leute zu wรคhlen, von denen er weiรŸ, dass sie zumindest begriffen haben, was sie tun.

Sie sehen: Es gibt eine Menge Stoff zum Nachdenken. Aber die Lรถsung fรผr das Problem sind nicht die reichen Zampanos, die es nicht mehr aushalten, mit unsereinem Wand an Wand zu leben, die glauben, wenn sie ihr Geld vor dem โ€žgierigen Fiskusโ€œ auf den Bahamas in Sicherheit bringen, der Menschheit eine Wohltat zu leisten. Denn genau so verkaufen sie ja ihre ganzen รผberteuerten Spielzeuge, die den Kรคufern suggerieren, sie wรคren jetzt โ€ždabeiโ€œ, Teil einer riesigen โ€žcommunityโ€œ. Obwohl sie doch nur einsam vor sich hin daddeln und vรถllig raus sind. Nicht mehr gefragt und nicht mehr gebraucht. Und sie merken es nicht einmal mehr.

Na, schon ein Grundstรผck in Neuseeland gekauft?

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https://www.l-iz.de/bildung/medien/2017/01/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

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Es gibt 2 Kommentare

Was ist denn auf einmal mit dem immerwรคhrenden Wandel?! Bestรคndig sei nur die Verรคnderung?!

รœberteuert sind die Produkte so lange nicht, wie sie gekauft werden und das/die Unternehmen Gewinn machen. Die Produkte sind sogar noch zu billig, wรผrden die Kosten des Ressourcenverbrauchs, der -wiederherstellung und die sozialen Kosten (z.T. erbรคrmliche Arbeitsbedingungen, Altersversorge, Krankheitskosten) eingerechnet.
Abgesehen davon, daรŸ der Kรคufer entscheidet, was er kauft. Was natรผrlich auch gelenkt werden kann. Durch Steuern, Zรถlle, Regeln eben. Man kann sich auch sagen: Gesetze. รœber die sich die Gesellschaft in einem demokratischen Prozess verstรคndigt hat. Was natรผrlich auch im europรคischen Rahmen geschehen kann (und muรŸ).
Das von den Zampanos aus dem Silicon Vally erwarten?! Oder gar denen oder ihren Finanziers รผberlassen?! (Die Idee mit der โ€œneuenโ€ Gesellschaft auรŸerhalb der existierenden Staaten auf riesigen Schiffen auf dem Meer gibt es schon.)
Natรผrlich nicht!
In gewisser Weise besteht diese Situation doch schon schon. Wer stรผrzt den tausendfach in den Regierungsfluren in Berlin und Brรผssel rum und โ€œhilftโ€ den angeblich heillos รผberforderten Beamten (die wahrscheinlich gerade von der Hรผtewiese gekommen sind) beim verfassen dieser Regeln (auch Gesetze genannt). Wie war das gerade mit Justizminister MaaรŸ(SPD) , der um die 7.000 โ‚ฌ pro Stunde kostet?!
Genau das ist (nicht โ€œwรคreโ€ , โ€œkรถnnteโ€ โ€“ sondern โ€œistโ€) der Job der gewรคhlten Volksvertreter, des Parlaments. Die haben die Vorgaben zu geben, nach denen die Regeln verfasst werden. Nicht die Handlanger der Wirtschaft. Doch die sitzen ja selbst bei den Volksvertretern auf dem SchoรŸ.

In dieser gesellschaftlichen Diskussion wรคre auch zu klรคren, wie das Leben der Menschen zu finanzieren ist, deren Beteiligung am gesellschaftlichen Gewinn.
Bis hin zu Arbeitszeiten (die ja angeblich immer lรคnger werden mรผssen), Grundeinkommen, der Stellung von Arbeit im Leben der Menschen selbst. Heute wird die Arbeit an und mit Maschinen und der Finanzierung ihrer Entwicklung und Betrieb erheblich mehr bezahlt, als fรผr die Arbeit am und mit dem Menschen.
Das heiรŸt dann โ€œUmverteilungโ€ und wird von den Menschen gehaรŸt, wie vom Teufel das Weihwasser. Weil im Menschen die Gier verankert ist.

Hierzu โ€œGeschichtenโ€ zu erzรคhlen, ist nicht der Job der Ingenieure und Banker.
Das ist der Job von Politik. Fรผr die Menschen. Nicht fรผr Profit und nicht fรผr Macht.
Dieser Politik haben sich die Ingenieure und Banker, so, wie alle anderen auch, unterzuordnen. Dann ist es scheiรŸegal, ob diese Narzisten รผber Empathie verfรผgen oder was sie herstellen und wo sie ihr Domizil aufschlagen.

Es erzรคhlt kein Politiker Geschichten, das kรถnnen die gar nicht mehr, denn sie sind wohlfeile Pragmatiker. Und die Narzisten sagen den Pragmatikern, wie die Welt zu funktionieren hat.
Die neue Lichtgestalt der magentafarbenen Pragmatikergesellschaft ist natรผrlich auch einer. Deshalb steht er jetzt an der Spitze.

Was wollen die paar Reichen und Abgehobenen auf einer einsamen Insel, wenn alle anderen Menschen nicht mehr da sind, die eigentlich die Gesellschaft durch ihre Arbeit aufrechterhalten. Dann kรถnnen sie nur noch ihr Geld fressen und daran ersticken! Die Leute im Silikon Vallay sind doch nur Fachidioten, die haben die ganze Welt nicht verstanden! Was ist das fรผr ein Leben, wenn alles nur noch durch Algorythmen bestimmt wird und Maschinen dann die Menschen beherrschen? Wie bekloppt sind die eigentlich? Was habe ich fรผr einen Mehrwert, wenn ich z. B. ein Paket erst morgen bekomme, durch einen Postboten, statt heute durch eine Drone. Das hat damit nichts zu tun, dass ich nicht fรผr Arbeitserleichterungen und Modernisierungen bin, aber wie oben schon erwรคhnt, dann sollten diese Leute auch mal daran denken, welche Aufgaben die รผberflรผssigen Arbeitnehmer statt dessen machen sollen!

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