Terroristenjรคger sind dumm. Das wird einem dieser Tage wieder bewusst, in denen der Bundesinnenminister den bayerischen Obergrenzer mit Vorschlรคgen fรผr noch hรคrtere Maรnahmen gegen Terroristen ... sorry: Flรผchtlinge zu รผbertrumpfen versucht. Beide Herren werfen einfach das eine mit dem anderen zusammen. Fertig das Bollwerk. Und es wird nichts nรผtzen.
Selbst wenn sie es umsetzen und die Mauern noch hรถher, die Zรคune noch dichter, die Abschiebungen noch brutaler machen. Es wird nichts nรผtzen. Im Grunde nannte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Mittwoch, 4. Januar, den Grund: Echte Terroristen sind eine Minderheit. Sie haben teilweise die unรผbersichtlichen Flรผchtlingstrecks genutzt, um nach Europa zu gelangen. Teilweise aber hingen sie schon lรคnger in ebenso unรผbersichtlichen Aufnahmeverfahren fest, schlรผpften โ wie Anis Amri โ den Behรถrden durch simple Orts- und Identitรคtswechsel durch die Lappen. Oder sie waren schon lange da, lebten in zweiter oder gar dritter Generation in den Banlieues von Paris oder Brรผssel. Ziemlich hoffnungslos, zukunftslos, chancenlos.
Terrorismus ist zuallererst eine Frage der Lebensperspektive.
Dass es dem IS so leichtfรคllt, dutzende junger Mรคnner als Mรถrder und Selbstmordattentรคter zu rekrutieren, hat auch mit dem Wert zu tun, den diese jungen Menschen sich selbst zumessen.
Oder wรผrden Sie einen Terroranschlag begehen?
Einfach so. Haben Sie รผberhaupt schon einmal nachgedacht darรผber, ob Sie dazu fรคhig wรคren?
Wetten, das Ergebnis lautet schlicht: Nein.
Weil Sie zu viel mit diesem Leben, dieser Stadt, ihrer Familie, ihren Kindern und Freunden verbindet. Oder einfach mit dieser Stadt, die fรผr Sie nicht irgendein Zeichen fรผr irgendetwas ist, was Sie hassen sollen, weil es der Lebensstil, die Religion, die Kultur der Anderen ist. Sondern ein Ort, den Sie mรถgen โ auch weil Sie hier Ihre Mรถglichkeiten entfalten kรถnnen.
Sie merken schon: Es geht um ganz simple Gleichgewichte. Ist das, was es mir wert macht, hier zu leben, schwerwiegender als der Hass, den einige Fundamentalisten predigen โ รผbrigens nicht nur in Moscheen? Unsere begnadeten Innenminister vergessen ja gern, dass der Terror auch in unserer eigenen Gesellschaft schon schlimm gewรผtet hat โ man denke nur an die rechtsverwirrte Seele, die auf Utoya gemordet hat, oder an die Bomben, die einige mehr oder weniger bekannte Rechtsterroristen in unserem Land haben hochgehen lassen. Aus Hass. Aber auch aus Sinnlosigkeit.
Deswegen ist dieses Herumtrampeln unserer obersten Sicherheitsexperten gerade auf den Asylsuchenden so feige. Denn bei den selbst gemachten Rechtsterroristen im Land haben sie klรคglich versagt โ und jahrelang weggeguckt. Sie wollten nicht sehen, wie das heranwรคchst. Und sie haben die Hassgesรคnge รผber Jahre ignoriert.
Und gerade dieses lรคcherliche โNSUโ-Trio hat doch gezeigt, wie das kommt: drei gescheiterte Existenzen, drei junge Leute, denen es zu anstrengend war, den mรผhsamen Weg zur Grรผndung einer belastbaren bรผrgerlichen Existenz zu gehen. Frรผh sozialisiert in der Jenaer Nazi-Szene, wo eifrige Prediger aus westlicheren Bundeslรคndern (Abendland โฆ) den Nachwuchs fรผr ihre schmierige Weltsicht gesucht, gefunden und โauf Kursโ gebracht haben.
Es wundert immer wieder, dass unsere einschlรคgigen Sicherheitsexperten die Parallelitรคt dieser Radikalisierungen nicht sehen โ und deren Mechanismen vรถllig ignorieren.
Und ebenso ignorieren sie, dass diese Radikalisierten nicht einfach so โeinsickernโ ins Land. Das Bild scheinen unsere bรคrbeiรigen Innenminister alle irgendwie zu teilen. Als wenn die Attentรคter nicht zielstrebig vorgehen wรผrden und auch unter anderen Bedingungen ihre Wege suchen wรผrden, um ins Land zu kommen. Man kommt ihnen nicht mit mehr Gnadenlosigkeit gegen Flรผchtlinge bei, nur mit besserer und koordinierter Polizeiarbeit.
Und man nimmt ihnen die Ziele, wenn man auf ihre Kriegsbotschaften nicht eingeht. Denn das genau ist das Anliegen jeden Terrors: den โFeindโ dazu zu bringen, sich in den Kriegszustand zu begeben. Und dafรผr genau das preiszugeben, was ein lebendiges und offenes Land lebenswert macht. Denn jede martialische Gegenreaktion wertet die Terrororganisationen auf, auch weil Staaten, die so handeln, selbst irgendwann zu terroristischen Mitteln greifen. Die Eskalation ist der wichtigste Grund fรผr jeden Terror. Terroristen wollen, dass Gesellschaften aus dem Gleichgewicht geraten. Dann sind sie โ noch angreifbarer.
Genau das, was wir seit 2001 beobachten kรถnnen. Der Terror beherrscht unsere Nachrichten und unsere Kรถpfe. Er hat sich wichtig gebombt. Und hat Diskussionsschleifen erzeugt, die eigentlich alle immer in die Frage mรผnden: Wie kรถnnen wir uns noch besser gegen die Terroristen schรผtzen?
Am Ende steht ein Big-Brother-Staat, hochgerรผstet bis an die Zรคhne, totalรผberwacht. Und die Attentate werden nicht aufhรถren. Denn ihre Ursachen sind nicht beseitigt. Das Heer von jungen, perspektivlosen Mรคnnern, die jedem Prediger hinterherlaufen, der ihnen auch nur etwas anderes verspricht als die alltรคgliche Sinnlosigkeit. Und davon gibt es โ mitten in unseren Gesellschaften โ Hunderttausende. Die Frage nach dem Terror ist also zwangslรคufig die Frage nach Chancen und Teilhabe in unseren eigenen Gesellschaften, der Mรถglichkeiten, โseines eigenen Glรผckes Schmiedโ sein zu kรถnnen. Das hat eher wenig mit Religion zu tun, die mittlerweile zum Popanz aufgeblasen wurde, eher viel mit (fehlender) Offenheit, Gesprรคchsbereitschaft, der Fรคhigkeit unserer Kultur, alle Mitglieder der Gesellschaft daran mitwirken zu lassen.
Da hรถrt man schon, wie unsere nรคrrischen Populisten erschrecken und unter die Bettdecke kriechen: Man kann doch nicht mit Muslimen gemeinsam โฆ
Kann man doch. Sogar mit Katholiken, Protestanten und Buddhisten, manchmal auch mit Wirtschaftsliberalen, Konservativen und Lederhosentrรคgern.
Der andere Weg sorgt nur dafรผr, dass sich die Spirale weiterdreht. Und dass die verdatterten Innenminister beim nรคchsten Mal die nรคchste Verschรคrfung fordern und die Diskussion dominieren und so tun, als wรคre ihr Waffenarsenal die einzige Lรถsung. Wรคhrend die anderen Minister pfeifend in der Ecke stehen, die Decke anstarren und so tun, als hรคtte das mit ihrer Arbeit gar nichts zu tun.
Hat es wohl.
Denn nicht jeder frustrierte Mensch wird ein Attentรคter. Aber wenn eine Gesellschaft immer mehr frustrierte junge Mรคnner erzeugt, dann gibt es ganz logisch โ immer mehr Attentรคter.
Aber Mathematik ist ja keine Zugangsvoraussetzung fรผr Ministerรคmter in Deutschland. Und das ist schlichtweg tragisch.
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So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
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Der Schlusssatz โAber wenn eine Gesellschaft immer mehr frustrierte junge Mรคnner erzeugt, dann gibt es ganz logisch โ immer mehr Attentรคter.โ bietet doch schon die Lรถsung des Problems an. Jedenfalls fรผr die einfach gestrickten Hirne: Geburtenkontrolle, ja gar Geburtenbschrรคnkung fรผr wen auch immer. Es wรคre doch eine einfache mathematische Erklรคrung: je weniger Menschen, desto weniger potentielle Terroristen, desto bessere รberwachung?
Wer Sarkasmus findet darf ihn sich einrahmen