LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug aus der Ausgabe 36Die Geschichte selbst ist eigentlich schnell erzählt, doch die Gründe liegen tiefer. Am 7. Oktober 2016 veröffentlichte das „Conne Island“ ein Statement im Netz, dessen Folgen gerade in der ausländerfeindlichen Ecke das „Plenum“ sicher ahnte und welches seither für Gesprächsstoff in der alternativen Szene sorgt. Man hatte als kommunal gefördertes Soziokulturzentrum seit 2015 viele Anstrengungen unternommen, um eine rasche Integration und offene Aufnahme von Flüchtlingen zu gewährleisten. Skateboard- und Fahrradselbsthilfeworkshops, Deutschkurse und mehrsprachige Aushänge zu den Clubregeln sollten das Willkommen erleichtern.
Nahezu einsamer Vorreiter war man bislang auch in Leipzig darin, Flüchtlingen fast kostenfrei Einlass zu gewähren, da man einen Soli-Fünfziger einführte, um die neu Hinzukommenden auch finanziell nicht auszuschließen. Dass all dies auch zu Problemen führen könnte, räumte das „Plenum“ des Vereins unter dem Druck gleich mehrerer Entwicklungen ein. Denn einerseits wurde das Angebot von den jüngeren Flüchtlingen gern angenommen, andererseits seien sie naturgemäß zunehmend in Gruppen aufgetreten.
Dazu das Conne Island in seinem Statement: „Gruppen umherziehender Männer gehören wohl zu den meistgehassten und – unter Umständen – gefürchteten Menschengruppen vieler Frauen, Lesben, Schwulen und Transgender auf der ganzen Welt. Egal ob die Betreffenden Syrer, Connewitzer, Ghanaer, Eilenburger, Leutzscher oder Russen sind, haben sie leider in erschreckend vielen Fällen eines gemein: Es kommt zu sexistischen Kommentaren – egal ob abfällig oder vermeintlich bewundernd – und nicht selten auch zu Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen.“ Und dem Einlasspersonal gegenüber wohl auch, denn auch hier seien Sprachbarrieren und das Auftreten größerer Gruppen, teils angetrunken zum Problem geworden.
Wie umgehen mit den jungen Männern?
Mittlerweile habe man die Security-Anzahl erhöhen und den Sonder-Preis auf einen Euro anheben müssen. Dieser gilt nun auch nur noch nach vorheriger E-Mail-Anmeldung für diejenigen, die ihn in Anspruch nehmen wollen. So versucht man derzeit einer Lage Herr zu werden, welche der Verein so beschreibt: „Die stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter und die Freizügigkeit der westlichen (Feier-)Kultur bilden auch bei uns mitunter eine explosive Mischung. Sexistische Anmachen und körperliche Übergriffe sind in diesem Zusammenhang im Conne Island und in anderen Clubs vermehrt aufgetreten.“
Das Problem spielt sich irgendwo zwischen der antirassistischen Position des Clubs und der Frage ab, dass man doppelte Standards beim Thema Sexismus nicht dulden kann. So würden „sexistisches, homophobes, rassistisches oder antisemitisches Verhalten … nicht akzeptiert“. Auch durch Herkunft oder Sozialisation könne dies nicht gerechtfertigt werden. Doch genau eben jenes sexistische Verhalten soll stattgefunden haben, Frauen wurden belästigt, andere Besucher mussten vermehrt eingreifen, Rauswürfe fanden statt. Die Konsequenz dabei, dass „weibliche Gäste auf Besuche verzichten, um Übergriffen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.“
Die Rede ist hier von „ungewollten Berührung im Schritt oder einem umzingelnden, penetranten Antanzversuch“ und „Gegrapsche“.
Gefangen in der Gesellschaft
Die Reaktion seitens rechter Kreise auf den offenen Umgang des Clubs mit dem Thema Integrationsprobleme war vorhersehbar und ist wohl am besten mit unverhohlener Häme zu beschreiben. Man sieht, aus der selbst gewählten Ferne der Ablehnung heraus, natürlich alle Vorurteile auf einmal bestätigt und konnte sich wohlig zurücklehnen. Unbemerkt blieb dabei natürlich, dass nur irren oder etwas ändern kann, wer sich über Monate, wie das Conne mit den Fragen aktiv auseinandersetzte. Und sich dabei ganz vorn und oft allein an der Spitze der Integration wiederfand. Mit den entsprechenden geballten Zuläufen an der Eingangstür, die andere Leipziger Clubs nicht so freigiebig öffneten, geschweige dass sie Extrapreise einführten.
Und natürlich wussten die Schreiber des Statements um die zu erwartenden Reaktionen, wenn sie formulierten: „Uns zur Problemlage so explizit zu äußern, fällt uns schwer, da wir nicht in die rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU schlagen wollen.“
Doch auch Dr. Thomas Feist, Bundestagsabgeordneter der CDU, konnte sich einen Spruch auf Facebook nicht verkneifen. „Willkommen in der Realität! Schön, dass nun auch das Plenum des Conne-Island erkannt hat, dass Blauäugigkeit die Welt nicht besser macht“, steht da seit dem 10. Oktober zu lesen. Verlinkt wurde die „Achse des Guten“, eine pseudokonservative Netzseite, die es im Beitrag selbst nicht einmal schaffte, sich mit dem offenen Schreiben auseinanderzusetzen. Stattdessen wurde einfach nur der gesamte Wortlaut nochmals publiziert. Die Frage, wie man es besser machen könnte, blieb offen. Im scheinbaren Scheitern des alternativen Clubs erfüllt sich in diesen Kreisen die Hoffnung, den eigentlichen Fragen ausweichen zu können.
Doch wie das kulturelle Aufeinanderprallen der deutsch-deutschen Kultur nach 1989 nicht mal eben ganz flockig vonstatten ging und sich tausende junge Männer aufmachten, alles zu attackieren, was nicht in ihr eingeschränktes Weltbild passte, scheint bei vielen gern vergessen. Obwohl es dazu keinen Anlass gibt. Teils bis heute sorgt dieser Aufprall für Integrationsschmerzen unter anderem in Dresdner Pegida-Kreisen, gibt es praktisch zwei Arbeits- und Lohngebiete in Ost und West und gerade ringen wieder einige Medien mit sich, dies alles mit den so gern gesendeten Bildern von den schön sanierten Gebäuden im Osten übereinzubringen.
Nun stellt sich offenbar fast das gleiche Problem, plus Sprachbarrieren und zuviel Tagesfreizeit bei jenen, die nicht einmal eine Erlaubnis zur Arbeit haben. Und die Frage, wie man sich so in eine Gesellschaft integriert, die bis auf wenige Clubabende und preiswerten Alkohol wenig anbietet?
Nicht seit eben, sondern nun teils seit einem Jahr und länger. Zumindest ist unterdessen was das betrifft ein Anfang gemacht. Erst seit dem 6. August 2016 ist es politische Realität, dass die „Vorrangprüfung befristet für drei Jahre“ bundesweit ausgesetzt ist. „Asylsuchende und Geduldete können in Sachsen nun eingestellt werden, ohne dass vorher geprüft werden muss, ob hierfür auch Deutsche oder EU-Bürger zur Verfügung stehen“, meldete sich dazu am gleichen Tag Daniela Kolbe (Bundestagsabgeordnete SPD) zu Wort.
In Leipzig sind zudem gerade erst die Bemühungen im „Betrieb für Beschäftigungsförderung“ angelaufen, Flüchtlingen neben handwerklichen Fertigkeiten auch verstärkt Sprachkurse anzubieten.
Erste Schritte eines langen Weges. Denn zu glauben, dass ein Leipziger Club glätten könnte, was sonst an Integrationsbarrieren existiert, wäre wohl tatsächlich blauäugig.
Zum vollständigen Statement des Conne Island im Netz
Dieser Artikel erschien am 21.10.16 in der aktuellen Ausgabe 36 der LEIPZIGER ZEITUNG. An dieser Stelle zum Nachlesen auch für L-IZ.de-Leser. Dieses und weitere Themen finden sich in der aktuellen LZ-Ausgabe, welche neben den normalen Leipziger Presseshops hier im Szeneverkauf zu kaufen ist.
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Es gibt 2 Kommentare
Achja, zur CDU: statt immer nur an Menschen rumzunörgeln, die anpacken, könnten die ja vielleicht selbst mal versuchen, “die Welt besser zu machen”. Da würde es von Seiten der CDU tatsächlich schon helfen, nicht immer im Weg zu stehen oder gar die Gegenseite zu befeuern.
Das ist echt Schade, aber kein Grund zum resignieren. Aus Fehlern lernt man und weiß danach zumindest, was man besser machen kann. Ich würd das auch gar nicht blauäugig nennen sondern menschlich. Ich kenn den Club nicht, aber der Ansatz ist gut, wir haben hier etwas ähnliches. Tagüber Deutschkurse, Flüchtlingscafe, Beratungen und sonstige soziale Angebote (alles selbstorganisiert) und Abends an einigen Tagen Tresen oder Veranstaltungen wie Konzerte usw. Soweit ich weiß, bisher (seit ca. zwei Jahren) ohne Probleme. Im Gegenteil, die “herumlungernden Männergruppen” (in diesem Fall viele Schwarzafrikaner) hab ich selbst eher als sehr hilfsbereit erlebt. Es kommt eben immer auf die weiteren Umstände an.
Und zu den sich freuenden Nazi-Deppen: die benehmen sich unter Alkoholeinfluss kein Stück besser als die Jungs, um die es hier geht. Eher im Gegenteil, das rechte Frauenbild ist nun wirklich nichts, worauf man stolz sein kann.
Ich wünsch den Menschen da alles Gute, es gibt bestimmt eine Lösung.