Gestern erreichte uns die traurige Nachricht, dass der in Leipzig geborene Peter Held in den Morgenstunden des 14. September 2016 im Alter von 93 Jahren in seiner zweiten Heimat London gestorben ist. Vor fünf Wochen musste Peter Held aufgrund eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus. Wie seine Frau schrieb, ist er friedlich eingeschlafen. Mit Peter Held hat uns ein außergewöhnlicher Mensch und väterlicher Freund, aber auch ein Repräsentant der von den Nazis vertriebenen jüdischen Bürger Leipzigs verlassen.

Er wurde in Leipzig geboren. Sein Vater war Albert Held, der mit seinem Bruder Moritz das Kaufhaus Held in Leipzig-Lindenau betrieb. Die Kaufleute Held waren schon in den 20er Jahren als sozial engagiert und verantwortlich handelnde Persönlichkeiten bekannt und geachtet. 1936 feierte Peter Held seine Bar Mizwa in der Synagoge. Doch wenige Monate später schickten ihn seine Eltern nach London, nachdem er in der Schule öffentlich diskriminiert wurde und um ihn vor den Nazis zu schützen. Nach dem Krieg handelte Peter Held zunächst mit Schnürsenkeln, dann baute er in London sehr erfolgreich einen Betrieb auf, in dem Gurte hergestellt wurden.

Peter Held und ich sind uns das erste Mal Anfang Dezember 1999 in der Thomaskirche begegnet, ohne uns persönlich kennenzulernen. Er besuchte mit seinem Sohn David Held die Motette in der Thomaskirche, um ihm zu zeigen, wo er als Kind freitags, anstatt in den Synagogengottesdienst zu gehen, dem Thomanerchor gelauscht hat. Wenige Tage später schrieb er mir einen Brief. Er wollte mich unbedingt kennenlernen. Anfang 2000 haben wir uns dann getroffen. Er nahm mich in seinen virtuellen „Club“ auf, bestehend aus Menschen, die ihn interessierten und er um sich scharte. Nach seinen Worten stieg ich im Laufe der Jahre zum „Vorsitzenden“ auf, was mich sehr berührte. Nie werde ich vergessen, wie Peter Held einige Wochen nach dem Tod meiner Frau Dorothea im November 2002 extra nach Leipzig kam und mir im Coffee Baum seine Geschichte erzählte. Wir haben nicht nur am gleichen Tag Geburtstag. Peter verlor seine erste Frau im gleichen Alter wie ich die meine. Auch sie starb an einer Krebserkrankung. Dieses Gespräch war so tröstlich, so stärkend, dass ich mich danach wie neugeboren fühlte und den Lebensmut wiederfand. Als wir uns an diesem Abend verabschiedeten, sagte er zu mir: Es ist, als ob wir uns schon immer kennen würden.

Peter Held hat sich nach der Friedlichen Revolution mit ganzer Kraft für seine Geburtsstadt Leipzig eingesetzt – und das, obwohl seine Familie von den Nazis ihres Eigentums beraubt und vertrieben wurde. Er ermöglichte durch finanzielle Unterstützung viele historische Untersuchungen über jüdische Familien, die Andrea Lorz schrieb. Peter Held hat ganz wesentlich dafür gesorgt, dass das Ariowitsch-Haus in der Hinrichsenstraße 14 als Begegnungsstätte der Israeltischen Religionsgemeinde umgebaut werden konnte. Er hat dies nicht nur durch erhebliche Geldbeträge ermöglicht. Peter Held hat sich auch bei der Landesregierung tatkräftig dafür eingesetzt, dass die Einsprüche gegen den Bau überwunden werden konnten. Peter Held hat aber auch die Thomaskirche und das forum thomanum unterstützt. Warum? Weil er damit das Engagement der Kirchgemeinde St. Thomas für die Förderung des jüdischen Lebens anerkennen wollte. Peter Held war ein großer Freund, nein: ein Liebhaber der deutschen Sprache, Kultur, Literatur und Musik. Da war er ganz zu Hause – trotz der Verbrechen, die die Nazis den Juden angetan haben. 2006 ermöglichte er die Aufführung von Wolfgang Rihms „Deus Passus“ in der Thomaskirche, der ein Symposion mit dem Komponisten vorausging. Viele Bücher füllen meine Regale, die Peter Held mir im Laufe der vergangenen 16 Jahre geschickt hat – immer mit dem Auftrag, diese sofort zu lesen, weil er sich mit mir darüber austauschen wollte. In unzähligen Telefongesprächen oder bei Besuchen in Leipzig und seit 2008 jährlich in London haben wir darüber und vor allem auch über politische Fragen diskutiert.

Im November 2011 hat Oberbürgermeister Burkhard Jung anlässlich eines Besuches in London Peter Held die Ehrennadel der Stadt Leipzig in Anerkennung seiner Verdienste überreicht. Das hat Peter Held sehr gefreut. Unser letztes Telefongespräch Ende Juli drehte sich um den Brexit. Über die Volksabstimmung war Peter Held empört und deprimiert zugleich. Ich habe gespürt, dass ihn das Nein der Engländer zur EU sehr getroffen hat. Denn er war ein Europäer, einer, der nichts lieber wollte als Verständigung und ein friedliches Miteinander. Unzählige, zumeist handgeschriebene Briefe füllen einen ganzen Leitz-Ordner. Sie zeugen von seiner Warmherzigkeit, seiner Bildung, seinem zugewandten Interesse und erinnern an einen ganz großen Menschenfreund und einfühlsamen Ratgeber. Jeder, der Peter Held begegnet ist, kann dafür nur dankbar sein. Wir sind Peter und seiner lieben Frau Diana unendlich dankbar für alles, was sie uns in den vergangenen Jahren – vor allem in London – an Zuwendung geschenkt haben, aber darum auch so traurig. Unsere Gedanken sind bei Diana Held, der wir viel Kraft und Zuversicht wünschen. Wir hoffen darauf, dass Gott, der Ewige, sich Peter Held annimmt. Er selbst wird uns immer lebendig vor Augen bleiben – nicht zuletzt wegen des schönen Porträts, das seine Tochter, die großartige Malerin Julie Held erstellt hat und das nun im Thomashaus zu sehen ist.

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