Es wirkt fast wie abgestimmt: Erst verlangt der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Feist, die finanzielle Förderung der antirassistischen Amadeu-Antonio-Stiftung zu beenden; kurz darauf folgt seine Partei- und Parlamentskollegin Bettina Kudla mit einem ähnlichen Vorstoß in Bezug auf das Conne Island. Die Angegriffenen reagieren empört bis genervt.
Die gemeinnützige Amadeu-Antonio-Stiftung gibt es mittlerweile seit fast 20 Jahren. Benannt ist sie nach Amadeu Antonio Kiowa, einem Todesopfer rassistischer Gewalt kurz nach der Deutschen Einheit. Die Stiftung engagiert sich auf vielfältige Weise gegen Rassismus und Antisemitismus, zuletzt unter anderem mit einer Hilfestellung für die Hooligans gegen Satzbau – und erlebt derzeit ihre wohl schwierigste Phase.
Seit Anfang des Jahres machen rechte Akteure massiv gegen Gründerin Anetta Kahane und ihre Mitstreiter mobil. Mal geht es dabei um die Stasi-Vergangenheit von Kahane, mal um Tweets der Redakteurin Julia Schramm im Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Die Aktionen reichen von Angriffen auf die Homepage der Stiftung, über eine Blockadeaktion der „Identitären Bewegung“, bis hin zu Aufrufen, die Wohnadressen der Mitarbeiter zu veröffentlichen. Ein aktueller Anlass für die anhaltenden Aktivitäten gegen die Stiftung sind deren Bemühungen, diskriminierende Hasskommentare im Internet kenntlich zu machen und entfernen zu lassen.
Waren es zu Beginn vor allem Gruppen und Medien der extremen Rechten, die Stimmung machten, springen mittlerweile auch immer mehr Personen auf, die sich selbst im bürgerlich-konservativen Lager verorten. Viel Aufmerksamkeit erregten etwa die Artikel des Journalisten Rainer Meyer, der für die FAZ unter dem Pseudonym „Don Alphonso“ bloggt. Er unterstellte der Stiftung Zensur und Verbindungen zu „Linksextremisten“.
Auf diesen Zug sind nun auch CDU-Politiker aus Leipzig aufgesprungen.
Der Bundestagsabgeordnete Thomas Feist behauptete Ende August in einer Pressemitteilung, dass die Stiftung zuletzt mehrfach dadurch aufgefallen sei, „dass Linksradikale sie als Plattform für Denunziationen und zur Ankündigung von Gewalttaten genutzt hatten“. Zudem hätten „Partner“ der Stiftung einen Angriff auf das Wahlkreisbüro von Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt und zu Störaktionen gegen die Einheitsfeier in Dresden aufgerufen. Das Bundesfamilienministerium solle die Förderung der Stiftung deshalb „schnellstmöglich einstellen“.
Konkrete Nachweise für seine Anschuldigungen bleibt Feist auf Nachfrage schuldig. Er bezog sich in seinen Antworten lediglich auf no-nazi.net, ein Jugend-Projekt der Stiftung. Dieses hatte vor mehreren Jahren für eine Veranstaltung des kommunistischen „ums Ganze“-Bündnisses geworben, auf der unter anderem diskutiert werden sollte, wie man die derzeitige Ordnung aus Kapitalismus, Staatlichkeit und Politik „kippen“ könne. Jenes Bündnis zählt aktuell zu den Gruppen, die dazu aufrufen, die Einheitsfeierlichkeiten in Dresden zu stören. Inwiefern „ums Ganze“ die Stiftung „genutzt“ hat und als deren „Partner“ anzusehen ist, erklärt Feist jedoch nicht.
Stattdessen verweist er auf ein Gespräch mit Timo Reinfrank, dem Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung. Darin sei man zu dem Konsens gekommen, dass die Stiftung zukünftig eine größere Sorgfaltspflicht zeigen und ihre Projekte genauer prüfen möchte. Reinfrank sagt dazu auf Anfrage: „Ich bin befremdet davon, dass er die Inhalte unseres vertraulichen Gespräches ohne Rücksprache an die Presse gibt. Er gibt in dem Statement nur seine Sicht der Dinge wieder. Unsere Reaktion auf seine Anwürfe und Vorschläge hat er unter den Tisch fallen lassen.“ Für die Zukunft wünsche man sich, dass Kritik direkt formuliert wird anstatt über Pressemitteilungen zu fordern, dass die finanzielle Unterstützung zu beenden ist.
Zustimmung erhielt Feist aus der Leipziger Kommunalpolitik. Der CDU-Stadtrat Michael Weickert erklärte auf seiner Facebookseite: „Der Staat darf nicht jene Organisationen fördern, die ihn aktiv bekämpfen.“ Auf Nachfrage ergänzte Weickert, dass sich diese Bemerkung auf ein mit der Stiftung verknüpftes Online-Wiki zur „Neuen Rechten“ bezog. Darin waren auch CDU und SPD erwähnt worden, da ehemalige oder aktive Mitglieder dieser Parteien von den Autoren heute der „Neuen Rechten“ zugeordnet werden. Laut Weickert wird damit „in erschreckend faschistoider Weise gegen demokratische Parteien gehetzt“.
Bei Reinfrank stößt diese Wortwahl auf Unverständnis: „Damit relativiert und verharmlost er den echten Faschismus, sowohl den historischen als auch den heutigen Rechtsextremismus.“ Das Portal neue-rechte.net wird derzeit bereits überarbeitet und soll nach einer Prüfung aller Fakten wieder ans Netz gehen.
Neben Feist meldete sich in den vergangenen Tagen auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla zu Wort. Nach einem Teeranschlag auf ihr Büro forderte sie via LVZ, die Subventionierung der linken Szene zu beenden. Als Beispiel nannte sie das Conne Island. Dort zeigt man sich zunehmend genervt von den wiederholten Angriffen aus der CDU und verweist auf die Aussagen des Kulturdezernats im Januar dieses Jahres.
Dieses hatte auf eine Anfrage des CDU-Stadtrats Ansbert Maciejewski mit dem Betreff „Förderung von zentralen Anlaufstellen für Linksextremisten durch die Stadt Leipzig“ geantwortet. Zwar seien gelegentlich Personen dort zu Besuch, die vom Verfassungsschutz als „problematisch“ eingestuft werden – darüber hinaus gebe es jedoch keine Erkenntnisse, die die Förderung infrage stellen müssten. Dabei berief man sich nicht nur auf Gespräche mit Verfassungsschutz und Conne Island, sondern auch auf eine Einschätzung der Polizei.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung und das Conne Island sind zwei Institutionen, die nach Ansicht vieler Menschen und unter dem Eindruck eines erstarkenden Rechtsterrorismus wertvolle Arbeit in den Bereichen Antirassismus und Soziokultur leisten. Doch in der Leipziger CDU scheint weiterhin das zu gelten, was Bettina Kudla einen Tag nach dem Naziüberfall am 11. Januar 2016 in Connewitz auf Twitter formulierte: „Es sind die Linksradikalen!“
In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“
Es gibt 3 Kommentare
schade…hab Thomas Feist vor zig Jahren mal als engagierten Menschen kennengelernt. Und auf seiner Homepage steht diese absurde Forderung ja immer noch ohne jede zusätzliche Kommentierung…schade…
Da bleibt einem eigentlich nur noch übrig, der Ost-CDU mal eine ähnlich kritische Auseinandersetzung mit der eigenen DDR-Vergangenheit zu wünschen, wie dies Frau Kahane getan hat.
Und während sich die CDU voll und ganz an “Linken” festbeisst treten ihr die Rechten in MV so richtig in den Arsch (sorry).
Könnt man fast drüber lachen wenns nicht so traurig wär.