KommentarMecklenburg-Vorpommern hat gewählt – und das Wahlergebnis bestätigt die Umfragen aus den letzten Wochen. Doch wie ist zu bewerten, dass die NPD mit drei Prozent nicht mehr im Landtag vertreten sein wird, dafür aber die AfD 21,5 Prozent erreichen konnte? Für Erleichterung darüber, dass die Neonazis abgewählt wurden, besteht wenig Anlass. Denn in zu vielen Ortschaften und in zu vielen Köpfen ist rechtsradikales Denken zur Normalität geworden.
Das ist Folge eines seit über zwei Jahrzehnte andauernden Prozesses, der relativ wenig mit den Flüchtlingen zu tun hat – zumal die Anzahl von Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern äußerst gering ist und die dortige Landesregierung eine durchaus erfolgreiche Integrationspolitik betreibt. Wenn jetzt immer wieder behauptet wird, dass „die Politik“ zu wenig auf den Wähler gehört und dass darum die AfD so viele Stimmen bekommen habe, dann trifft das in einem zu: die Parteien haben viel zu lange die rechtsradikalen Untertöne bei zu vielen Bürgerinnen und Bürgern überhört. AfD-Wähler/innen sind keine Deppen oder Opfer; sie wissen sehr wohl, wem und was sie ihre Zustimmung geben.
Das bedeutet: Der Erfolg der AfD beruht vor allem darauf, dass der Rechtsextremismus eine neue, wählbare politische Partei gefunden und dabei das Reservoir für Fremdenfeindlichkeit und mangelnder Demokratieakzeptanz, das schon immer mit 20 Prozent beziffert wurde, voll ausgeschöpft hat. Der Rechtsextremismus wie der Rechtspopulismus zeichnen sich vor allem durch eines aus: durch die aggressive Ablehnung des Pluralismus. Das steht bei der Wahlentscheidung für die AfD im Vordergrund. Das erklärt auch, warum über Zweidrittel der AfD-Wähler/innen mit ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation durchaus zufrieden sind.
Die AfD ist eben nicht die Partei der Abgehängten, sie ist aber die Partei, die den gesellschaftlichen Pluralismus nicht will und aktiv bekämpft und mit autokratischen Systemen sympathisiert. Darum das Schüren von Fremdenfeindlichkeit und eine deutschtümelnde Volksrhetorik – mit fließenden Grenzen zur Ideologie der Neonazis. Der Pluralismus ist aber eine der Bedingungen für die Demokratie, die andere ist die Anerkennung des Lebensrechtes eines jeden Menschen. Ohne die Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft kann es kein demokratisches Miteinander in der Gesellschaft geben.
Die AfD bedient und fördert aber mit ihrer völkisch-autokratischen Ideologie nur eines: Ausgrenzung des und der Fremden und Ablehnung von Alternativen (es ist absurd: die Partei, die sich „Alternative“ nennt, setzt sich selbst absolut). Gleichzeitig erklärt sich diese Partei ständig zum Opfer: Sie genießt alle Vorteile des demokratischen Systems, will aber alles, was zur Demokratie gehört – das Recht des Fremden auf gleichberechtigter Beteiligung – ausschließen.
Das Wahlergebnis enthält nur eine Botschaft: Der Kampf um Pluralität und Demokratie ist eröffnet und muss offensiv geführt werden.
Zum Thema Populismus siehe auch http://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/05/populismus-politikwissenschaft-jan-werner-mueller-interview
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