Ein LEGIDA-freier Montag, zwei entspannte Demonstrationen und eine Debatte über das Modelabel „Yakuza“. So lässt sich wohl recht vereinfacht der 1. August 2016 auf dem Leipziger Richard-Wagner-Platz umschreiben. Die Antifa-Kampagne „a monday without you“ nahm sich das „Yakuza“-Geschäft „BLOW“ im Brühl 4 als Gegenstand antifaschistischer Kritik vor und wollte damit rechte Strukturen offenlegen. Die Argumentation jedoch bewegt sich auf ziemlich wackliger Grundlage.
Die Marke „Yakuza“ glänzt in seiner Außendarstellung mit einem Rowdy- und Proll-Image. Es ist öfters bei LEGIDA-Anhängern zu sehen, was allerdings auch auf andere Marken zutrifft. Im „Antifaschistischen Infoblatt“ (AIB) 108 wurde Anfang Oktober 2015 ein Text veröffentlicht, der die Marke als “rechts-offen” einordnete. Die Leipziger Antifa-Kampagne „a monday without you“ schloss sich dem Urteil am Nachmittag des ersten Augusts bei seiner Demonstration vor dem „BLOW Yakuza-Store“ im Brühl an.
Kurz nach dem Erscheinen des belastenden Artikels im AIB widmete Martin Schöler in der LEIPZIGER ZEITUNG 21 dem Thema einen Artikel und setzte sich mit Anschuldigungen auseinander. Der Beitrag wird bei L-IZ.de aus dokumentarischen Zwecken und zur Einordnung der Anschuldigungen noch einmal veröffentlicht. An den Fakten hat sich bis heute nichts geändert.
Ist „Yakuza“ das neue „Thor Steinar“?
Die Streetwear-Marke aus dem Raum Bautzen ist insbesondere in den neuen Bundesländern angesagt. Das „Antifaschistische Infoblatt“ (AIB) wies Anfang Oktober 2015 auf Verstrickungen der Betreiber ins rechtsradikale Milieu hin. Doch was ist an den Vorwürfen gegenüber dem Modelabel wirklich dran?
Das provokante Modelabel existiert seit 2004. Begonnen als Garagenvertrieb im sächsischen Bautzen, ist die Kleidung heute überregional erhältlich. Seit 2012 wird das Sortiment von der Babagna Production GmbH mit Sitz in Schlungwitz (LK Bautzen) vertrieben. Geschäftsführer sind Markus Eisold (39) und Bertram Krause (43).
In Leipzig ist die Marke in fünf Läden erhältlich. Eine Boutique am Brühl fungiert als sogenannter „Flagship-Store“: Dort wandert nichts anderes als Yakuza-Kleidung über den Ladentisch. Das Geschäft boomt: Für das Jahr 2013 weist der Jahresabschluss rund 436.000 € Gewinn aus; im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um über 50 %. Zu aktuellen Zahlen macht das Unternehmen keine Angaben.
Eisold und Krause machen seit Jahresbeginn auch im Fernsehen Karriere. Die Mode-Unternehmer bereisen für den Sender „sixx“ auf der Suche nach „Horror Tattoos“ die Republik. Krause modelt außerdem in eigener Mission: Der Geschäftsführer präsentiert seine Produkte auf zahllosen Fotos im Internet der interessierten Kundschaft.
Das „Antifaschistische Infoblatt“ nennt die Marke in ihrer aktuellen Ausgabe in einem Atemzug mit Labels wie „Thor Steinar“ oder „Label 23“, die in rechtsextremen Kreisen großen Anklang finden. Bei „Thor Steinar“ ist der Fall eindeutig: Zwar wehrt sich das Label seit seiner Gründung mit Händen und Füßen gegen die Behauptung, ein rechtsextremes Unternehmen zu sein. Die Beliebtheit in der rechten Szene kommt allerdings nicht von ungefähr: Die Marke bedient mit der Abbildung von Runen, Schusswaffen, Anspielungen auf unrühmliche Kapitel der deutschen Geschichte und nordischer Mythologie gezielt modische Präferenzen dieser Zielgruppe.
Die Designs von Yakuza hingegen lassen keine politische Richtung erkennen. Die Marke richtet sich an „punx, tattoo-lovers, gangsters, superstars and wannabes“. Das Böse, das Militante, das Kriminelle zieht sich wie ein designerisches Leitmotiv durch das umfangreiche Sortiment. Der Name ist dem Japanischen entlehnt: Im Land der aufgehenden Sonne bezeichnet „Yakuza“ die dortige Mafia. Einzelne Motive spielen aber mit einem Gewaltfetisch. Bei rechten Veranstaltungen im Raum Leipzig, etwa den wöchentlichen Legida-Demonstrationen, sieht man regelmäßig Teilnehmer in Yakuza-Kleidung mitlaufen. Die Marke hat mit ihren provozierenden, martialischen Designs ihr Outlaw-Image festigen können und wird sicherlich auch deshalb auch von Männern gekauft, die ihre mangelnde Gesetzes- und Verfassungstreue zur Schau stellen möchten.
Anders als Nazimarken wie „Hermannsland“ oder „Consdaple“, spricht Yakuza allerdings nicht direkt Käufer aus rechten Kreisen an. Die Betreiber sind zu ihrer Kundschaft aus dieser politischen Ecke bislang aber auch nicht sichtbar auf Distanz gegangen, wie dies etwa das englische Label „Lonsdale“ seit vielen Jahren zu tun pflegt. Um die Rechtsoffenheit von Yakuza nachvollziehen zu können, lohnt ein Blick auf die Biografien der Geschäftsführer.
Das „Antifa Infoblatt“ berichtet, Eisold habe Anfang der 2000er-Jahre zum Umfeld der 1993 gegründeten neonazistischen „Hammerskin“-Sektion „East Saxon Hammerskins“, später „Saxon Hammerskins“, unter der Führung von Mirko Hesse angehört. Sächsische Behörden ermittelten gegen die Gruppierung zeitweilig wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zu dieser habe auch Martin Schaffrath, ein ehemaliger Anhänger der verbotenen „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS), gezählt. Der Neonazi saß bis 2012 für die NPD in Stolpen im Stadtrat und betreibt in Pirna einen Laden namens „The Store“. Im Netz heißt der angeschlossene Versandhandel immer noch „Crime Store“. Die Namensänderung des Ladengeschäfts rührt wohl daher, dass der Betreiber sein Image aufpolieren wollte. Zum Sortiment zählen Streetwear-Marken wie Yakuza, Vendetta und Label 23.
In Berlin eröffnete Alexander Bahls, ehemaliger Schlagzeuger der Rechtsrock-Band „Spreegeschwader“, den „Herz und Seele Fashionstore“. Auf seiner Facebook-Präsenz umwirbt der Geschäftsmann offensiv den Verkauf von Yakuza-Bekleidung. In Tschechien wird das Label u. a. von dem Rechtsrocker Tomáš Marek aus Plzeň über einen Online-Versand vertrieben.
Der Babagna Production GmbH sind die Vorwürfe bekannt. „Wir möchten klarstellen, dass Yakuza ein absolut unpolitisches Label ist“, betont Unternehmenssprecher Thomas Kliemand. Die Firma werde sich in keine politische Ecke drängen lassen und sich nicht von einem Extrem abgrenzen, indem sie ein anderes gutheiße. Yakuza vertrete allerdings keinerlei menschenverachtende Positionen, weder im politischen noch im religiösen Sinne. „Wir distanzieren uns jedoch strikt von faschistischem, nationalistischem oder sonstigem dümmlichem Gedankengut, denn gegen Faschismus zu sein, egal in welcher Form er existiert, ob bei uns oder anderswo auf der Welt, hat nichts mit einer politischen Einstellung, sondern mit gesundem Menschenverstand zu tun“, stellt Kliemand klar.
Der Pressesprecher bricht eine Lanze für seinen Chef: Eisold sei nie Mitglied der Hammerskins gewesen. Die Behörden hätten in diesem Zusammenhang auch nicht gegen den Designer ermittelt. Tatsächlich finden sich derlei Anschuldigungen im Netz vornehmlich auf Internetseiten, die der linken Szene zuzuordnen sind. Handfeste Beweise, etwa Auszüge aus Ermittlungsakten oder andere Quellen, die Eisolds Mitgliedschaft belegen könnten, bleiben die Antifa-Aktivisten schuldig.
Das AIB verweist in seiner aktuellen Veröffentlichung nur auf ominöse Szene-Insider und Sicherheitsbehörden, präsentiert seinen Lesern aber keinerlei nachvollziehbare Beweise. Obendrein verschweigt das Blatt die Namen der Verfasser. Eine journalistische Unsitte, die bei dieser Zeitschrift öfter zu beobachten ist, wenn zweifelhafte Informationen im Spiel sind. Ganz offensichtlich haben die Autoren die Einhaltung journalistischer Mindeststandards versäumt. „Investigativer Journalismus ist aller Voraussicht nicht der richtige Begriff für den benannten Artikel“, findet Kliemand. Sein Unternehmen habe vor Veröffentlichung keine Anfrage der Antifa-Zeitschrift erhalten. Gerne hätten wir an dieser Stelle die Linksaktivisten zu Wort kommen lassen. Leider ließ das AIB eine LZ-Anfrage unbeantwortet.
Unstrittig sind indes Eisolds Kontakte zu dem Kopf der sächsischen Hammerskins. „Ja, er hatte Kontakt zu Mirko Hesse, der sich jedoch vorrangig auf seinen beruflichen Part als Tätowierer bezog“, bestätigt Kliemand. Der passionierte Tätowierer stach dem Neonazi seinerzeit sogar ein Hammerskin-Tattoo – er habe die Körperbemalung als seinen Job angesehen. „Nach heutigen Gesichtspunkten würde Markus jegliche politische Tätowierung ablehnen, nicht nur, weil diese moralisch verwerflich sind, sondern v. a., weil sie seinem eigenem Weltbild und Vorstellungen nicht entsprechen“, erklärt der Pressesprecher. „Dies war auch der Grund, dass Markus nach seinem Besuch im Jahr 2002 bei Hesse in der JVA Dresden jeglichen beruflichen als auch eventuell anbahnenden persönlichen Kontakt zu ihm abgebrochen hat.“
Die Geschäftskontakte in die rechte Szene streitet das Unternehmen nicht ab. „Wir beobachten, dass unser Label in verschiedenen Szeneläden oder Online-Shops nachgefragt wird, welche – nicht auf den ersten Blick erkennbar – dem rechten Milieu zuzuordnen sind“, räumt Kliemand ein. „Leider ist es uns nicht immer möglich, alle unsere Händler und Kunden auf ihren politischen Background zu prüfen. Wir haben aber bereits interne Mechanismen geschaffen, um neue und bestehende Händler kritisch zu durchleuchten, zu hinterfragen und gegebenenfalls auszusortieren.“
Nach diesem Verfahren habe man schon 2013 die Geschäftsbeziehung zu SSS-Anhänger Schaffrath und im Juli 2015 zu dem ehemaligen Rechtsrocker Bahls gekappt. Der Webshop des Berliners ist aktuell nicht abrufbar. Schaffrath vertreibt nach wie vor die Modemarke. „Es handelt sich hier ausschließlich um Teile aus den Kollektionen bis zum Jahr 2013. Aber auch dies ist ausdrücklich nicht von uns genehmigt. Wir behalten uns hier weitere Schritte gegenüber Herrn Schaffrath vor“, verspricht Kliemand.
In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“
Keine Kommentare bisher