Frau R. schrieb uns, dass sie uns nicht mehr mag. Sie hat sich alle Mühe gegeben. Seit drei Jahren. Das ist tapfer, wenn man so ganz anderer Meinung ist als wir hier in der L-IZ. Doch nun hat sie uns ihre Liebe aufgekündigt. Weil wir - da staunte auch ich ein paar Bauklötzer – „jetzt genauso wie die Mainstream-Medien schreiben“. Die L-IZ? Mainstream?
Wenn ich nicht aus langer intensiver Beschäftigung mit dem Thema wüsste, dass die „Mainstream-Medien“ mittlerweile der blasse Schatten der „Lügenpresse“ sind, würde ich ja ins Grübeln kommen. Dann wäre ja mit unserer Zeitung etwas passiert, was ich bei aller Dickfälligkeit nicht erwartet hätte, und sie würde jetzt in denselben seichten Gewässern fischen wie die dicken Medien-Elefanten, die in diesem Land die Meinung vorgeben. Meinungsmacht, nennt man das.
Und Meinungsmacht entsteht nicht, weil ein paar Redakteure eine Meinung haben, sondern weil große, dicke Medienhäuser die wichtigsten Kanäle besetzen und die Hirne verstopfen. Mit irgend so etwas wie einer Meinung. Und den Leuten dann noch einreden, das wäre Journalismus, obwohl es bloß breitgetretner Quark ist. Deswegen haben die Fernseh- und Rundfunkanstalten in Deutschland die größte Meinungsmacht. Das sind die eigentlichen Mainstream-Medien.
Weswegen es natürlich verwundert, wenn ein Mann wie Dr. Uwe Krüger – wie derzeit im „Median“-Heft der Metropolregion Mitteldeutschland, über „Mainstream“ redet. Aber er meint das ein bisschen anders, eher schwarmmäßig: All die Medien, die einem Thema hinterherhecheln, das einer der üblichen Verdächtigen in die Welt posaunt hat. Ganz schnell, ohne viel nachzudenken. Entsprechender Blödsinn kam und kommt dabei heraus.
Und weil schon Minuten nach einer so in die Welt posaunten Meldung der ganze Schwarm der Nix-Merker hinterherhechelt, ergibt sich für den braven Michel ein Bild. Das er für richtig hält. Es ist schnell, eingängig, ohne Kanten. Die Welt als Fastfood. Und da rede ich noch nicht von diesen neulichen heutigen Retro-Revoluzzer-Medien, die denselben Brei auch noch Monate und Jahre später erzählen, wenn die anderen was dazugelernt haben. Und dann von „Lügenpresse“ quasseln, weil ja nun augenscheinlich das, was die anderen erzählen, nicht mehr zu dem passt, was sie erzählen.
Da muss ja wohl einer der Lügner sein, oder?
Vielleicht auch nur der Zauberer. So wie in „Mario und der Zauberer“. Eigentlich dachte ich, dass diese Geschichte mal Pflichtlektüre war und auch Frau R. sie kennen sollte. Da hilft aller Mainstream nicht. Über all die Themen haben wir in der L-IZ übrigens schon haufenweise geschrieben.
Ich weiß. Das sind die langen Texte, die immer nur von wenigen unserer Leser auch wahrgenommen werden. Die meisten sind an das schnelle Häppchen gewohnt, die Mainstream-Kost: Unfall, Mord, Totschlag, Skandal. Und sie glauben, dass das alles wichtig ist.
Ist es nicht. Nachdenken ist wichtig. Herausfinden, wie die Dinge wirklich sind. Und – extra für Frau R.: eine Haltung haben.
Das wird uns gern angekreidet. Da kommt dann auch gern mal ein gut bezahlter Angestellter, der uns mit der Weisheit des Häppchenfressers erzählt: „Aber das ist doch jetzt eine Wertung, oder? ICH habe gelernt, dass die in journalistischen Texten nichts zu suchen hat.“
Manchmal deutet er auch an, dass er uns dann die Freundschaft aufkündigt. Dabei ist das Unfug. In jedem veröffentlichten Text steckt eine Wertung. Manchmal nur die Wertung und keine Haltung. Darüber haben wir, das versichere ich, schon oft genug gestritten. Und kommen jedes Mal zum Ergebnis: Ohne Wertung und Haltung geht es nicht. Journalismus ohne Haltung ist eine Sauerei. Erst recht, wenn sie dann in lauter Geschimpfe, Gemäkle und Verächtlichmachung abgleitet.
Und Haltung ist – mal so als Beispiel – wenn wir aus allem Wissen um unsere deutsche Geschichte finden, dass ein reiches Land wie Deutschland moralisch verpflichtet ist, Flüchtlinge aus Kriegsländern aufzunehmen, menschenwürdig unterzubringen und ihnen bei der Integration in unsere Gesellschaft zu helfen.
Diese Haltung haben wir auch schon eingenommen, als die ganzen „Mainstream-Medien“ jeden aufgeblasenen Lederhosenträger zitierten, der ein Ende der „Flüchtlingsflut“ forderte und Deutschland unter dem Ansturm der „Massen“ regelrecht ersaufen sah. Das war übrigens bis Sommer 2015 der Tenor in vielen der fetten, breiten meinungsbildenden Medien, in Funk und Fernsehen. Überall schwappte diese Soße.
Und was hat die L-IZ gemacht? Ihre Haltung bewahrt. Bloß weil überforderte Politiker lieber Mauern bauen, als sich wirklich mit den Problemen der Welt auseinanderzusetzen, heißt das für uns auf keinen Fall, dass wir so eine Prinzipienlosigkeit gutheißen oder gar unkommentiert weitergeben.
Mittlerweile – da hat Frau R. Recht – haben auch die meisten „Mainstream-Medien“ gemerkt, dass sie die ganze Zeit immer nur die Verstärker für ein paar überbezahlte Politikdarsteller waren. Und sie berichten nun seit einem Jahr auch konsequenter über Flüchtlingshelfer, Asylunterbringung, die Sorgen und Anstrengungen der Länder und Gemeinden und – seit ein paar Monaten – auch über die Bemühungen, die angekommenen Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Ich weiß: Integration ist jetzt auch so ein überstrapaziertes Wort. Auch weil es wieder lauter Politikdarsteller gibt, die viel drüber reden aber nichts tun. Aber wie wichtig Integration ist, zeigen ausgerechnet die Silvestervorfälle in Köln und die diversen Terroranschläge in Brüssel und Paris. Denn diese Täter kommen allesamt aus nicht integrierten Milieus. Sie identifizieren sich nicht mit unserer Gesellschaft.
Aber wer sich mit dem Land, in dem er lebt, nicht identifizieren kann, der wird zum Outlaw. Eine Gesellschaft ist also gut beraten, ihre Neuankömmlinge so gut wie möglich zu integrieren. Ihre eigenen Bewohner übrigens auch. Wie Sie sehen, wird so ein Thema sofort recht umfassend. Es zwingt geradezu zu Ausführlichkeit.
Da kann ich nur sagen, liebe Frau R.: So kurz, flach und unreflektiert, wie Sie das vielleicht gern haben möchten, bekommen Sie es bei uns nicht.
Wir sind schlimm. Ich weiß. Wir muten unseren Lesern Gedankenarbeit zu. Ganz schlimm. Lange Texte mit vielen Analysen. Da bekommt man Kopfschmerzen. Ich weiß. Und dann auch noch klare Haltungen, die sich einfach nicht ändern, selbst wenn die „Mainstream-Medien“ herumzappeln wie Lämmerschwänze und trotzdem keine Meinung haben.
Da kann ich auch nix machen. Die L-IZ ist kein Weichspüler und keine Talkshow mit Gästen, denen ich nicht mal meinen Hamster anvertrauen würde. Sie ist anstrengend, keine Frage.
Und mal unter uns: Es gibt Leute, die mögen das. Die werden erst richtig lustig, wenn sie wirklich ein bisschen Futter für ihr Gehirn bekommen. Und die wollen sogar noch viel mehr von dem Zeug. Kaum zu glauben.
Und wenn Sie mal eine kleine Zahl dazu haben wollen: In Leipzig sind das immer so 100.000 Leute und noch ein paar mehr, die immerzu reingucken, jeden Monat. Und immer wieder so Kram finden, nach dem ihre klugen Köpfchen hungern und dürsten.
Aber wie gesagt: Ich kann’s nicht ändern. Schlafen Sie gut.
(Ach ja: Unten haben wir wieder so ein bisschen Kram zum Thema verlinkt. Für die Immer-Hungrigen.)
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Es gibt 2 Kommentare
Achja, zum Thema Haltung und Meinung – ich halte beides für zwingend Notwendig bei einer Zeitung. Sonst könnte man ja auch das bedruckte Klopapier mit den großen Buchstaben lesen.
Ich liebe es, dass man hier zum denken animiert wird. Diese kurzen, unbefriedigenden Texte vieler anderer Zeitungen machen mich eher sauer, man hat das Gefühl, dass mitten im Text die Buchstaben alle waren. Das wichtigste fehlt oft. Hier fühl ich mich wohl.