Von Pegida hat sich die einstige Frontfrau Tatjana Festerling mittlerweile verabschiedet. Gemeinsam mit Edwin Wagenveld kümmert sie sich nun um den Ableger in Leipzig. Beim ehemaligen Legida-Chef Silvio Rösler und bei Rechtsradikalen sorgt diese Entwicklung für Unmut. Doch auch der durchschnittlich besorgte Bürger scheint bislang nicht allzu beeindruckt vom neuen Spitzenpersonal.

Wer ist Legida und wie lange noch? Seit dem Abschied von Markus Johnke als Orgachef im März dieses Jahres ist den völkischen Nationalisten eine klare Linie abhandengekommen. Einzig die Facebook-Beiträge zeugen noch von einer gewissen Kontinuität, kennen dabei im Prinzip aber nur ein Thema: Antifa. Oder besser gesagt: Alles, was Legida als „Antifa“ bezeichnet.

Häufig gerät dabei Jürgen Kasek, der Vorsitzende der sächsischen Grünen, ins Visier der Anti-Antifaschisten, mal ist es auch der fotografierte No-Legida-Aktivist Marcel Nowicki, der sich als „Führer“ der „linksextremistischen Gegenseite“ bezeichnen lassen muss. Nicht selten landet die tatsächliche oder vermeintliche Antifa bei Legida in einer Reihe mit Gestapo und Stasi. Anlässlich des Tortenwurfs auf Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht hieß es Ende Mai auf Facebook: „Heute fliegen Torten, morgen sind es Kugeln! Nazis und Kommunisten hatten noch nie ein Problem, auch eigene Leute, die nicht auf Linie waren, zu liquidieren!“

Für ein bisschen Kontinuität könnte nun eine Person sorgen, die kürzlich beim Pegida-Original aussortiert wurde: die ehemalige Dresdner Oberbürgermeister-Kandidatin Tatjana Festerling. Diese hatte sich vor gut zwei Wochen öffentlich eine Schlammschlacht mit dem verbliebenen Orga-Team geliefert. Auslöser war ein Facebook-Posting ihres Mitstreiters Edwin Wagenveld. Darin hatte „Ed, der Holländer“, wie er auch genannt wird, mangelndes Engagement von Pegida beim Protest gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden beklagt. Zudem behauptete er, Festerling sei im April ein Auftritt auf der Bühne verboten und zugleich der Ausschluss aus dem Verein angekündigt worden.

Wagenveld (l.) und Festerling geben bei Legida nun den Ton an. Foto: L-IZ.de
Wagenveld (l.) und Festerling geben bei Legida nun den Ton an. Foto: L-IZ.de

Sowohl die beiden Pegida-Aushängeschilder Lutz Bachmann und Siegfried Daebritz als auch Festerling selbst legten nach. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen handelten unter anderem von nicht abgesprochenen Redebeiträgen und fehlender Transparenz im Umgang mit Spendengeldern. Daebritz kündigte an, Festerling wegen ihrer Ausführungen zu verklagen. Bachmann legte auf der folgenden Pegida-Kundgebung ausführlich Rechenschaft über die Verwendung der Spendengelder ab – insgesamt seien mehrere zehntausend Euro ausgegeben worden. So hätten allein die Veranstaltungen mit Geert Wilders und zum einjährigen Geburtstag jeweils etwa 12.000 Euro gekostet. Von seinen Anhängern ließ sich Bachmann per Handzeichen das Vertrauen aussprechen.

Die Zukunft von Festerling liegt somit zum einen in Europa – hier sucht sie mit ihrer „Festung“-Kampagne nach Gleichgesinnten, zuletzt etwa bei militanten Nationalisten an der bulgarisch-türkischen Grenze – und zum anderen in Leipzig. Bei letzterem ist allerdings fraglich, wie lange noch. Waren es Anfang März noch knapp 1.000 Menschen bei Legida, halbierte sich die Zahl der Anhänger nach dem Abschied von Johnke auf maximal 500. Im Mai waren es sogar nur noch 300 Teilnehmer. Ähnlich niedrige Zahlen hatte Legida auch früher schon – beispielsweise vor genau einem Jahr. Seitdem war es immer wieder gelungen, sich zumindest im mittleren dreistelligen Bereich zu stabilisieren.

Aktuell wirkt Legida jedoch so ziel-, plan- und gesichtslos wie nie zuvor. Führungsfiguren wie Silvio Rösler oder eben Johnke sorgten für eine gewisse inhaltliche Kontinuität. Das Reizthema Asyl lieferte beständig die passenden Vorlagen. Doch seit einerseits die Große Koalition unter Mithilfe der Grünen und andererseits die Europäische Union die Weichen auf Abschreckung und Abschottung gestellt haben, sind den Verantwortlichen bei Legida die gemeinschaftsfördernden Horrorszenarien abhandengekommen. Zudem dürften Aktionen wie die Belieferung der Polizeidirektion mit künstlichem Kot selbst eigene Sympathisanten etwas ratlos zurücklassen.

Nur 100 Legida-Teilnehmer wollten mit Kot zur Polizei spazieren. Foto: L-IZ.de
Nur 100 Legida-Teilnehmer machten bei der Aktion mit. Foto: L-IZ.de

Die Irritationen, die Kurs und Personal von Legida aktuell im rechten Lager verursachen, lassen sich beispielhaft am Bündnis „Wir lieben Sachsen/Thügida“ aufzeigen. Dieser Zusammenschluss aus extrem rechtem Personal – darunter Rösler, „Die Rechte“-Landeschef Alexander Kurth und Thügida-Anführer David Köckert [Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung dieses Artikels hatte Köckert einen falschen Vornamen erhalten] – hatte noch im April die „Wiedervereinigung“ mit Legida gefeiert. Zwei Monate später äußerte man sich angesichts des Auftritts von Festerling und Wagenveld auf der vergangenen Legida-Demo enttäuscht.

„Man eroberte sich die Lächerlichkeit zurück“, war im Anschluss auf der Facebook-Seite von „Wir lieben Sachsen/Thügida“ zu lesen. Die beiden Protagonisten bezeichnete man spöttisch als „Zugereiste“, die nach ihrem Abschied von Pegida nun eine Bühne in Leipzig suchten. Für Unbehagen sorgte auch die „einseitige Ausrichtung“ auf den Islam als „Hauptproblem in Deutschland und Europa“. Im April waren Teilnehmer der „Wir lieben Sachsen/Thügida“-Unterstützerdemo in T-Shirts mit Auschwitz-Bezug aufmarschiert und hatten Parolen wie „Nie wieder Israel“ gerufen.

Als Legida auf seiner Facebook-Seite dann erneut Festerling und Wagenveld als Redner ankündigte, diesmal für die Kundgebung im Juli, äußerten die maßgeblichen Protagonisten öffentlich ein weiteres Mal ihre Unzufriedenheit. „Wer oder was entwickelt sich denn gerade hier unter dem Namen Legida?“, wollte etwa Rösler wissen. Einige Tage später kündigte „Wir lieben Sachsen/Thügida“ eine eigene Kundgebung an. Anders als auf der Facebook-Seite von „No Legida“ vermeldet, sollte es sich dabei allerdings nicht um eine Gegenkundgebung zu Legida handeln. Das Ordnungsamt vermeldete am Freitag, dass sich dieser Aufzug der Demo von Legida „anschließen“ soll.

Die Kundgebung, die unter dem Motto „Leipzig hilft sich selbst“ angemeldet wurde, ist laut „Wir lieben Sachsen/Thügida“ jedoch wieder abgesagt. Man wolle stattdessen der Legida-Veranstaltung „beiwohnen“ sowie „verschiedene Verteidigungsaktionen“ durchführen. Was damit konkret gemeint ist, blieb zunächst unklar. Das Vorgehen erinnert jedoch an den 11. Januar dieses Jahres. Damals plante die Vorgängerinitiative „Offensive für Deutschland“ ebenfalls eine Unterstützerdemo für Legida, sagte diese jedoch kurzfristig ab. Am Abend randalierten dann mehr als 200 Rechtsradikale in Connewitz.

Am frühen Samstagvormittag wurde das Bündnis auf seiner Facebook-Seite konkreter. Unter dem Motto „zu Gast bei Freunden“ wollen sich Mitglieder und Sympathisanten von „Wir lieben Sachsen/Thügida“ angeblich unter die Gegendemonstranten mischen, deren „Themen und Sorgen“ notieren sowie Fotos anfertigen. Da von den Teilnehmern „patriotischer Demonstrationen in Leipzig“ bereits viele Bilder existierten, wolle man nun ein „Zeichen gegen diese Ungleichbehandlung“ setzen. Über seinen Twitter-Account teilte „No Legida“ mit, dass diese Ankündigung als „Drohung“ zu verstehen sei.

Laut Ordnungsamt sind am kommenden Montag bislang folgende Demonstrationen gegen Legida geplant:

– Aufzug „Auch in Leipzigs Mitte ist kein Platz für Rassisten! Wir bleiben standhaft – Refugees welcome!“, Shakespearestraße → Karl-Liebknecht-Straße → Peterssteinweg → Petersstraße → Grimmaische Straße → Augustusplatz, 16:45 Uhr – 18:15 Uhr mit ca. 150 bis 200 Personen

– Aufzug „Unsere Antwort heißt Solidarität“, Rabet → Eisenbahnstraße → Rosa-Luxemburg-Straße → Wintergartenstraße → Georgiring → Augustusplatz, 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr mit ca. 100 Teilnehmern

– Fahrradaufzug „Fahrrad fahren statt hetzen“, Alexis-Schumann-Platz → Karl-Liebknecht-Straße → Peterssteinweg → Martin-Luther-Ring → Karl-Tauchnitz-Straße → Friedrich-Ebert-Straße → Jahnallee → Ranstädter Steinweg → Rosentalgasse, 18 Uhr bis 19:30 Uhr mit 100 – 150 Personen

– Aufzug „A Monday without you – Rechte Strukturen offenlegen“, Arno-Nitzsche-Straße → Arthur-Hoffmann-Straße → Scharnhorststraße → Karl-Liebknecht-Straße → Paul-Gruner-Straße → Lampestraße → Harkortstraße → Martin-Luther-Ring / Höhe Neues Rathaus, 18 Uhr bis 21 Uhr mit ca. 100 Personen

– Aufzug „Vielfalt statt Einfalt“, Augustusplatz → Georgiring → Willy-Brandt-Platz → Am Hallischen Tor → Brühl → Hainspitze, 18 Uhr bis 22 Uhr mit ca. 1.000 Personen

– Kundgebung „Nationalismus raus aus dem Bahnhof und den Köpfen – Gegen die Beschlagnahme des öffentlichen Raumes durch Menschenfeinde“, neben dem Eingang zur Westhalle Hauptbahnhof, 18:15 Uhr bis 19 Uhr mit ca. 100 Personen

– Kundgebung „‚Antidemagogie‘ – Mit Aristoteles gegen Sprachverwirrung. Die Kategorienschrift!“, Parkplatz Naturkundemuseum, 18:30 Uhr bis 21 Uhr mit ca. 100 bis 150 Personen

– Kundgebung „Vielfalt leben – Einfalt die kalte Schulter zeigen“, südöstlicher Richard-Wagner-Platz, 19 Uhr bis 22:30 Uhr mit ca. 500 Personen

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