Der Katholikentag naht – und noch einmal meldet sich die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) zu Wort, die 2014 mit der Kunstaktion „11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ in Leipzig für Aufsehen sorgte. Damals ging es um die Streitfrage: Wie viel Geld wird die Stadt Leipzig selbst zuschießen, um den Katholikentag zu finanzieren? 1 Million? Eine halbe? 300.000 Euro?
Insbesondere Linke und Grüne hatten eine deutliche Senkung des Zuschusses beantragt. Am Ende war die vierköpfige FDP-Fraktion das Zünglein an der Waage, denn die Abstimmung am 17. September 2014 ging knapp aus: 33 Stadträtinnen und Stadträte stimmten damals dafür, den Katholikentag mit 1 Million Euro zu unterstützen. 26 stimmten dagegen, 5 enthielten sich der Stimme.
Und die FDP-Fraktion hatte sich mit dem mündlichen Versprechen von Oberbürgermeister Burkhard Jung gewinnen lassen, Leipzig würde endlich eine Förderrichtlinie für Großveranstaltungen bekommen.
Dumm nur, dass die vierköpfige FDP-Fraktion nicht beantragt hatte, dieses Versprechen mit in die Beschlussfassung aufnehmen zu lassen. Es steht nicht drin. Und eine solche Förderrichtlinie gibt es bis heute nicht.
Das zeitigte schon im Dezember 2015 (als die FDP nur noch mit zwei Stadträten in der Ratsversammlung saß) seine Folgen: Da hat der Stadtrat die nächste finanzielle Unterstützung für ein Großereignis beschlossen – für die von der evangelischen Kirche getragene Feier zum Jubiläum der Reformation „Kirchentag auf dem Weg“ im Jahr 2017. Ohne Richtlinie.
Und auch 2016 gibt es keine Richtlinie. Die Giordano-Bruno-Stiftung hat extra noch einmal bei FDP und Linksfraktion nachgefragt. Im Ratsinformationssystem steht auch keine Vorlage. Und wäre es nur eine einmalige Angelegenheit, wäre es vielleicht kein Problem. Doch wer die Vorlagen liest, merkt schnell, dass Leipzigs Verwaltung beim Bereitstellen der Gelder immer wieder auf die Tourismusförderung verweist und den hoch bezuschussten Festen eine Wirkung für die Ankurbelung des Stadttourismus zuschreibt, die bislang durch nichts nachgewiesen ist.
Die FDP-Fraktion hatte seinerzeit eine fundierte Analyse zur Umwegrendite eingefordert. Möglicherweise sogar der falsche Ansatz, denn sämtliche Umwegrenditen, die in den letzten Jahren für Leipziger Institutionen erarbeitet wurden, litten an dem simplen Problem, dass sie die Zugkraft einer einzelnen Institution oder eines einzelnen Festes nicht wirklich von der Gesamtausstrahlung der Kulturstadt trennen konnten. Sie täuschten damit eine Wirtschaftlichkeit vor, die eher fiktiv war, als dass sie zur Steuerung der Investitionen oder Subventionen belastbar wäre.
Tatsächlich ist Leipzig mit Festen und Events mittlerweile so vollgestopft, dass das Stadtmarketing mittlerweile eher einem bunten Brei ähnelt, während ein stringentes Tourismuskonzept genauso fehlt wie die Förderrichtlinie für Großveranstaltungen.
Von der Fachförderrichtlinie erhoffte sich die FDP eine Versachlichung der Diskussion um die öffentliche Förderung von Großveranstaltungen. Hierzu müssten objektive Kriterien zur Bewertung der Förderfähigkeit erarbeitet werden. Nur bei positiver Umwegrentabilität hätten Großveranstaltungen danach über die Richtlinie Zuschüsse erhalten dürfen. Genau hieran würden Kirchentage aber scheitern, ist sich David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung sicher: „Die von den Veranstaltern vorgelegten und von den Stadtparlamenten meist unkritisch übernommenen Zahlen stellen eine Milchmädchenrechnung dar.“
Maximilian Steinhaus vom „11. Gebot“ geht davon aus, dass man nie vorhatte, eine solche Richtlinie tatsächlich zu erarbeiten: „Es ging dem Bürgermeister offensichtlich nur darum, sich die Stimmen der FDP zu erkaufen, die er für seine Mehrheit im Rat brauchte. Ansonsten hätte man die ursprünglich beantragte Pflicht zur Erarbeitung der Richtlinie auch in den Ratsbeschluss aufnehmen können. Es bleibt unklar, weshalb die FDP-Fraktion sich mit dem bloßen Versprechen des OBM begnügte.“
David Farago ergänzt: „Der Ratsbeschluss sieht auch vor, dass nach Ende des 100. Katholikentag dem Stadtrat eine Aufstellung der direkt an die Stadt (inklusive der städtischen Unternehmen) zurückgeflossenen Mittel vorgelegt wird. Wir sind gespannt, ob der Oberbürgermeister wenigstens hieran ernsthaft interessiert ist.“
Und weil das alles derart verquickt ist, will die Giordano-Bruno-Stiftung mit ihrer Kunstaktion zum Katholikentag selbst wieder nach Leipzig kommen.
Vom 25. bis zum 28. Mai wollen die Aktiven wieder in der Leipziger Innenstadt Bevölkerung und Presse Rede und Antwort stehen und auf das von ihnen definierte 11. Gebot hinweisen: „Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“
Ergänzt werden soll die Kunstaktion durch eine Veranstaltungsreihe im soziokulturellen Zentrum Die naTo e. V.: Unter dem Motto „Säkulare Tage – Trennt endlich Staat und Kirche!“ will die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung in acht Vorträgen auf zahlreiche Missstände im „säkularen“ Deutschland hinweisen, die trotz der formellen Trennung zwischen Staat und Kirche noch immer bestehen.
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