Dies darzustellen dürfte dringend … Nein. Alliterativen Spielereien zu Beginn eines normalen Unterrichtstages plus Bildungskomponente fehlen im real existierenden Schulorganismus einfach ein atmosphärisches Spaßenzym. Zu oft wird analysiert, interpretiert, visitiert – dadurch viel zu oft simplifiziert, karikiert, intensiviert und oberflächenbehandelt .
Unserer Bildung fehlt es in ihren Zonen einfach an Tiefgang im Flachwasser. Beide, Lehrer und Schüler kämpfen an einer Front, vergessen viel zu oft, dass sie „Klassenbrüder und -schwestern“ sind. Quod erat demonstrandum. „Was zu beweisen wäre.“ Beim Demonstrieren wird etwas „bewiesen“. Aha.
Die Rückgabe der Geschichtsleistungskontrollen der 5. Klassen in der 1. Stunde eröffnet man am besten mit aufmunternd-pädagogisch einfühlsamen Worten wie „Ihr habt bewiesen, dass Ihr etwas wisst.“ Stimmt tatsächlich. Zwar sehen meine armen Schüler aus, als wären sie einer ehemaligen Militärdiktatur in Südamerika entflohen, aber ihre Blicke bemühen sich zu verstehen. Sie haben verstanden, dass die Urmenschen Fortschritte erzielten, indem sie ihre Jagdwaffen so entwickelten, dass sie effektiver arbeiteten und sie besser leben konnten. Alles teilten sie, sorgten für die mit, die nicht arbeiten konnten. „Sie demonstrierten Gemeinschaftsgeist.“ Sie lächeln auf mein Lob hin zurück.
Eine fast olympische Leistung. Morgens um 8 in Deutschland.
Bei der Einhaltung der „standardsprachlichen Normen“ wird vom normalen Schüler allerdings eine etwas freiere Haltung eingenommen, sorgt zumindest beim zum Lachen nicht in den Keller abtauchenden Fachlehrer für Erheiterung. Hier wird Spaß produziert, pardon, natürlich demonstriert: Die Urmenschen sammelten „Greuder“, jagten „Hörsche“ und hielten später Kühe für die „Mülsch“. Zu den frühen olympischen Disziplinen gehörte der „Hirtenlauf“. Sollte Bildung sich nicht mit dieser Einfachheit einfach mal zufrieden geben? Wer muss denn hier wem was beweisen?
Strenge, pausenlose Fehler (un-) kultur erzeugt doch Angst, dabei wollen wir doch aufrecht gehende Menschen, die Schwächen selbst erkennen – und vor allem, sie selbst abstellen. Oder? Das sind wohl die richtigeren Gedanken, denke ich. „Greuder“ – da muss ich trotzdem noch mal innerlich feixen. (Für die Fachkollegen: Wiederholen Sie konsequent Wortstämme im Unterricht. Kraut=Kräuter)
Klingeln. Pause.
Bei den „Großen“ in der 11. Klasse geht es heute um „Möglichkeiten nicht-kompensatorischer Handlungsweisen im ‚Horror vacui’ am Beispiel von ‚Hamlet’“. Harter Tobak. Ich schreibe das Thema als Überschrift verkürzt an die Tafel. „Können Sie das mal in ‚RTL’ übersetzen?“ grummelt mir Konrad aus der 1. Reihe entgegen. „Wieso sitzt du eigentlich da?“ frage ich ihn vorwurfsvoll-verdutzt. „Na, Sie haben mich doch hier vor gesetzt, weil ich hinten immer einschlafe!“ Rums. Demonstration gleich doppelt. Nicht nur, dass ich mir in diesem Moment mental wie ein vergesslicher Frührentner vorkomme, Konrads lautstarker Protest führt mir auch noch den eigenen didaktischen Anspruch ruinös vor Augen. Augen zu und durch. Oder besser auf im Unterrichtsverkehr.
„Welche Möglichkeiten hat man, um einer Sinnleere in der Gesellschaft zu entgehen, in der zwar Strafgesetze für die Allgemeinheit existieren, es aber Personen gibt, die lediglich moralische Skrupel wahrnehmen und sie gegebenenfalls befolgen müssen?“ Nachdenken. Spannung. Keine Ablenkung. Fast alle sind gedanklich bei der Sache. Irgendwie spürt man das. „Eine Demo.“ Sagt Konrad. Wie? Was hat er gesagt? „Eine Demo. Eine Demonstration, Herr Jopp.“ Stutzen. „Flashmob, Alter, ey!“ Ruft Anna hinterher. Versteckt ihren Kaugummi und zieht dabei die Augenbrauen hoch.
Demonstration fände ich besser, sage ich leise.
(Bei „Flashmob“ muss ich unwillkürlich an einen Haushaltsgegenstand denken, nein, klingt komisch.) Egal. „Und was wollt Ihr demonstrieren?“
„Das interpretieren Sie grammatikalisch inkorrekt, Herr Jopp.“ Belehrt mich Konrad. In mir meldet sich kurz das „Reptilienhirn“; (Ein Begriff von einem befreundeten „Mentaltrainer“. Namen habe ich vergessen). Es lauert auf Zurechtweisung. „Es muss heißen ‚Wofür wollt Ihr demonstrieren’?“ Ja also gut, beruhige ich mich. Na los. Wofür sie denn nun demonstrieren wollen, will ich wissen. „Hamlet macht das falsch“, behauptet Konrad mit einer verblüffenden Sicherheit. Aha. „Der Weg des Zerstörens und der Rache kann niemals Menschen dauerhaft zu Fortschritt bewegen. Es ist ja schließlich eine Tragödie. Steht vorn im Buch. Gar nicht so dumm, der Typ.“ Wer, will ich wissen. Hamlet? „Nein, Shakespeare. Sie sind aber auch langsam, Herr Jopp!“ Gut. Eine Demonstration. Gleich doppelt. Des Wissens und Denkens.
Das Bildungsalphabet erschien in der LEIPZIGER ZEITUNG. Hier von A-Z an dieser Stelle zum Nachlesen auch für L-IZ.de-Leser mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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