Eigentlich war Australien gar nicht geplant im großen Projekt „Zoo der Zukunft“. Afrika, Asien und Südamerika sollten vorkommen. Dazu Pongoland und Gondwanaland. Aber als 2012 die letzten Bewohner aus dem alten Tieraffenhaus auszogen, kam der Planungsstab des Leipziger Zoos doch schwer ins Grübeln: Wer sollte eigentlich künftig in die denkmalgeschützte Anlage einziehen? Insekten vielleicht?
Das war der ursprüngliche Gedanke. Der dann aber schnell verworfen wurde, denn dazu war das 1901 von Heinrich Rust entworfene Gebäude zu klein, da fehlten die nötigen rückwärtigen Räume. Heinrich Rust hatte auch das neue Gesellschaftshaus für den Zoo entworfen – die heutige Kongresshalle – und auch das Raubtierhaus, das gleich hinterm Tieraffenhaus steht und 1902 in Betrieb genommen wurde. Alles Gebäude, die die neu gegründete Aktiengesellschaft des Zoos finanziert hatte und die beim Betreten des Zoos heute noch als Ensemble zu erleben sind. Auch das Tieraffenhaus grenzt an das neu geschaffene Gelände des Gründergartens. Ein markanter Platz, so dass sich die Mannschaft um Zoodirektor Jörg Junhold auch etwas Markantes ausdenken wollte – eine echte Besucherattraktion. Da wurde über ein Wüstenhaus nachgedacht oder auch ein Schauhaus für die Kaltwüste.
2014 kam die neue Idee aufs Tapet: Warum nicht einsteigen ins weltweite Koala-Zuchtprogramm? Dafür eignete sich das Haus doch. Und der Zoo Leipzig hatte Glück: Er kam mit seinem Wunsch an die Spitze der Anwärterliste für das weltweite Koala-Zuchtprogramm. Ende 2014 begann der Umbau des historischen Tieraffenhauses. Am Mittwoch, 6. April, lud Junhold ein zum ersten Pressebesuch im umgestalteten Gebäude. Das Erste, was natürlich auffällt, ist die Tatsache, dass zwar ein Teil der historischen Gitter erhalten wurde. Aber das Publikum schaut nicht mehr durch Gitter auf Tiere in viel zu kleinen Käfigen. Beim großen Schaukäfig gleich neben dem Eingang wurden die Gitter ganz entfernt (nur das Absperrgeländer für die Besucher soll nach historischem Vorbild wieder aufgestellt werden), die kleine Kletterinsel für die Koalas im Inneren liegt also völlig frei.
„Entwischen können sie trotzdem nicht“, sagt Junhold. Das verhindern die für Koalas unüberwindbaren Mauern im Inneren.
Da, wo früher die Galerie von vergitterten Käfigen für die Tieraffen war, betritt heute der Besucher das Gebäude, kommt in einen in dunkelroten Farbtönen gehaltenen Raum und schaut von dort durch große Glasscheiben ins völlig neu gebaute Reich der Koalas, einen richtigen Klettergarten mit vielen Astgabeln, in denen die nachtaktiven Tiere so richtig abhängen können.
Nachtaktiv?
Stimmt, sagt Junhold. Die putzigen Tiere, die in freier Wildbahn in den Eukalyptuswäldern an der australischen Küste leben, schlafen 15 bis 20 Stunden am Tag. Und sie ernähren sich nur von Eukalyptusblättern.
„Ausschließlich“, betont der Zoodirektor. Und zeigt sich stolz, dass er mit der Garten- und Landschaftsbau Schilling GmbH einen Weg gefunden hat, eine richtige Eukalyptuszucht am nordwestlichen Stadtrand aufzubauen. Womit sich die Versorgung der Koalas mit frischen Eukalyptustrieben aus eigenem Anbau absichern lässt und teure Importe – etwa aus Florida – erübrigen. 23 verschiedene Eukalyptussorten werden in der Nähe von Schkeuditz schon im Gewächshaus herangezogen. Da kann man gespannt sein, ob man den Geschmack der wählerischen Tiere trifft. Zwischen 500 Gramm und 1 Kilogramm frischer Eukalyptusblätter braucht das putzige Beuteltier, das sich von nichts anderem ernährt und auch als einziges Säugetier die richtige Verdauung besitzt, um sich von Eukalyptusblättern ernähren zu können.
Ist es eigentlich schon da?
Noch nicht, betont Junhold. Erst in den nächsten Tagen wird der erste Koala in Leipzig eintreffen: das Koalamännchen Oobi-Ooobi, geboren am 25. Dezember 2013 in Planckendael, einer Filiale des Antwerpener Zoos. Augenblicklich sind die beiden Pflegerinnen, die die Koalas betreuen sollen, zur Ausbildung in einem Zoo, der schon seit Jahren erfolgreich mit Koalas arbeitet. Auch der Zoo-Tierarzt arbeitet sich ins Thema ein. Man will so gut wie möglich vorsorgen, dass alles bedacht ist, bevor der erste Koala eintrifft und sich in den ersten Wochen erst einmal im inneren Teil der Anlage eingewöhnen kann. Wirklich zu sehen bekommen ihn die Leipziger erst am 12. Mai. Dann wird das neue Koala-Haus des Zoo Leipzig eröffnet.
Vielleicht verschläft es Oobi-Ooobi auch einfach, dessen Name eher weniger mit einem Baumarkt zu tun hat, sondern aus der Sprache der australischen Ureinwohner übersetzt „Heiliger Berg“ bedeutet.
Und bis er Gesellschaft bekommt, wird’s noch ein bisschen dauern. 2016 werde man wohl noch nicht mit der Ankunft eines zweiten Koalas rechnen können, sagt Junhold. Aber auf der Warteliste für ein zweites männliches Tier und ein weibliches Tier stehe Leipzig ganz oben. Ansonsten seien die kleinen Beuteltiere auch nicht wirklich gesellig. Selbst die Kletteranlage im Inneren des Gebäudes ist noch einmal durch eine große Glasscheibe getrennt, so dass zwei jeweils 36 Quadratmeter große Einzelreviere entstehen. Und echte Eukalyptusbäume lässt man im Kletterwald auch nicht wachsen, obwohl der Raum durch ein Glasdach im Grunde taghell erleuchtet ist. Die frisch gelieferten Eukalyptuszweige werden in Vasen in die Kletterbäume gehängt, so dass die Baumbewohner in aller Ruhe auswählen und genießen können.
Und selbst wenn die Koalas wohl die meiste Zeit des Tages einfach schlafen werden, verspricht sich Junhold eine Menge Aufmerksamkeit durch die Zoobesucher. Und wenn dann alle drei Tiere da sind, kann man auch so langsam an Zucht denken, könnten dann auch frisch geborene Koalas zu den üblichen Weihnachts-Geburten-Meldungen des Leipziger Zoos gehören. Samt Schilderung des unverwechselbaren Vorgangs, wie die frisch Geborenen in den Beutel der Mutter klettern und dort ein halbes Jahr lang heranwachsen.
Aber das ist noch Zukunftsmusik. Zur Eröffnung des Koala-Hauses am 12. Mai wird’s ziemlich wahrscheinlich ziemlich voll im Zoo. Aber ganz bestimmt braucht man sowieso eine Prise Glück und Geduld, um den Tieren in ihrem Kletterwald beim Schlafen zuschauen zu können.
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