100 Menschen werden derzeit von den Veranstaltern des Katholikentags in Leipzig vorgestellt - jeden Tag einer. Mit der Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann wurde eine vehemente Kritikerin befragt. Auch bei anderen Porträts wäre es allerdings nicht richtig, von Fans des Katholikentags zu sprechen. So kommt auch manches zur Sprache, was in der Vorbereitung schiefläuft. Jenny Winkler etwa befürchtet, dass das Projekt an den Leipzigern vorbeigeht.
Eines ist der Stadträtin Gabelmann gleich zu Beginn des Gesprächs wichtig: „Im Gegensatz zu dem, was offenbar angekommen ist, habe ich immer gesagt: Es geht mir nicht um die Frage, ob das Katholiken, Protestanten oder Buddhisten sind. Es geht um die Frage, ob ein Staat Religionsgemeinschaften finanziell unterstützen sollte.“ Die Antwort ist aus ihrer Sicht ein klares Nein: „Jeder soll seine Party selbst bezahlen – insbesondere, wenn auf dieser Party eine bestimmte Weltanschauung verbreitet werden soll.“ Der Hauptpunkt ist also, dass der Katholikentag nicht förderungswürdig ist, weil er „das Katholisch-sein feiern und die katholischen Ideen in die Gesellschaft hineintragen“ wolle.
Gabelmann bezweifelt daneben im Interview, dass Arbeitsplätze entstehen oder Hotels und Gastronomie nachhaltig vom „Wanderzirkus“, der alle zwei Jahre woanders ist, profitieren: „Es ist ein Tross, der alle zwei Jahre umzieht. Das heißt, es sind meistens die gleichen Leute dabei, die immer wieder mit umziehen. Hier vor Ort werden dadurch kaum Arbeitsplätze geschaffen.“ Eigentlich fühlt sie sich sogar veräppelt: „Kurz nachdem die Entscheidung für den Katholikentag gefallen war, hat mir der Geschäftsführer des ZdK gesagt: ‚Jetzt müssen wir auch Privatquartiere suchen.‘“ Und ich: „Wieso müssen Sie Privatquartiere suchen? Sie haben doch gesagt, Sie gehen ins Hotel.“ „Ja nee, vielleicht, manche von uns. Ein paar Referenten von uns vielleicht.“ Für mich hieß das zu gut Deutsch: „Verarscht“.
Für das Interview mit dem Katholikentagsbüro nimmt sie auch nochmals das gescheiterte Bürgerbegehren in den Blick. „Dass es nicht geklappt hat, lag an einer Kombination von Hürden: Anzahl der Stimmen, Zeit und keine Möglichkeit, sich im Internet an dem Begehren zu beteiligen. Wenn das möglich gewesen wäre, hätten wir das wahrscheinlich relativ locker eingesammelt.“ Zusätzliches Problem war, dass die Zeichnung des Begehrens in die Vorweihnachtszeit fiel: „Logischerweise sind da christliche Themen in den Vordergrund gerückt, so dass Leute gesagt haben: ‚Ich geh ja Heiligabend in die Kirche, da geht so was dann ja auch nicht.‘ Dabei ist das eine vom anderen völlig unabhängig. Problematisch war die Begründung, mit der einzelne Vereine das Bürgerbegehren verweigerten: ‚Die bekommen Finanzierung von der Stadt und hatten Angst, dass es ihnen nachteilig ausgelegt werden könnte, wenn sie sich gegen eine Stadtratsentscheidung engagieren. Das fand ich krass.‘“
Die Reihe „100 Tage – 100 Menschen“ hatte 100 Tage vor dem Katholikentag mit Ben Becker begonnen, der derzeit mit „Ich, Judas“ durch Deutschland tourt. Am 20. März wird er in der Leipziger Peterskirche auftreten. „Wenn man sagt, da ist irgendetwas da oben über uns, dann finde ich das in gewisser Weise überheblich“, zerpflückt er die Grundüberzeugung der Religion. Am zweiten Tag kam Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Wort, der seit vielen Jahren regelmäßiger Gast auf Katholiken- und Kirchentagen ist. Zur Flüchtlingsfrage sagt er: „Umgekehrt ist aber auch klar, dass sich das politische Problem nicht allein aus einem humanitären Geist heraus lösen lässt. Bei aller Solidarität muss es erlaubt sein, nach Größenordnungen, Aufnahmekapazitäten und Möglichkeiten der Integration zu fragen. Plakative, scheinbar einfache Antworten führen bei dieser komplexen Problematik nicht zum Ziel.“
Im Anschluss an Propst Gregor Giele, der nach dem Kirchenneubau nun den Katholikentag maßgeblich mitorganisiert, kam am vierten Tag der Reihe die Projektmanagerin Jenny Winkler zu Wort. Gläubig ist sie nicht. Gerade deshalb aber war sie wohl in die Vorbereitung des Großereignisses einbezogen. Sie nahm an der AG 100 teil, einer Vorbereitungsgruppe des 100. Katholikentages. „Wie kann man den Katholikentag so öffnen, dass er nicht nur die anreisenden Katholiken, sondern auch die überwiegend nicht-gläubigen Leipziger anspricht?“, sei die Grundfrage gewesen. Sie fand die Arbeit anregend und spannend.
Inzwischen hat sie sich aber zurückgezogen: „So spannend die Arbeit in der ‚AG 100‘ war, so enttäuscht war ich im Nachhinein. Nachdem der Katholikentag seine Geschäftsstelle in Leipzig eröffnet hat, rückten andere Leute mit ihren Vorstellungen in den Vordergrund. Ich hatte den Eindruck, dass unsere Ideen, wie man die Veranstaltung für Nicht-Glaubende öffnen könnte, kaum noch weiterverfolgt wurden. Katholikentags-Business-as-usual hielt Einzug.“ Trotzdem will sie an den kostenlosen Veranstaltungen teilnehmen, weil die Themen grundsätzlich interessant sind.
Weitere Menschen, die vorgestellt werden, liefern ebenso spannende Einsichten. Es lohnt sich, durch die Seiten zu klicken. Die Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann wird wohl teilnehmen: „Ich habe eine Einladung und überlege wirklich, da mal hinzugehen. Und wenn ich da nur gucke, wofür der städtische Zuschuss so ausgegeben wird.“
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