Bewohner und Funktionsträger der Stadt Leipzig machen es Legida zu einfach, seine menschenfeindlichen Ansichten zu verbreiten. Das behauptet das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“, das für kommenden Mittwoch, 16 Uhr, zur Kundgebung vor dem Neuen Rathaus aufruft. Im zweiten Teil des Interviews mit der L-IZ spricht Irena Rudolph-Kokot (SPD) über die jüngsten Vorfälle in Clausnitz und Bautzen, die Rolle der sächsischen Landesregierung und die Voraussetzungen für das Prädikat „weltoffen“.
Seit „Leipzig nimmt Platz“ seine Pressemitteilung mit der Demoankündigung veröffentlicht hat, haben sich die rassistischen Ereignisse in Sachsen überschlagen. In Clausnitz wurden Geflüchtete von einem pöbelnden Mob bedroht und einzelne Personen, darunter Kinder, gewaltsam von der Polizei in die Unterkunft geschleift. In Bautzen brannte ein geplantes Heim; Passanten sollen dies lautstark bejubelt und beklatscht sowie den Einsatz der Feuerwehr behindert haben. Nun wird klar, es handelt sich um Brandstiftung.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Berichte über solche Ereignisse verfolgen?
Diese Wut muss man erst einmal verarbeiten. In Sachsen ereignet sich so etwas leider fast jeden Tag. Die Ereignisse in Clausnitz haben eine neue Dimension mit bundesweiter Ausstrahlung, weil dort das Handeln eines Polizisten zu sehen war. Auch die anschließende Pressekonferenz der Polizei sorgte für Empörung, weil dort nicht ansatzweise Einsicht oder Wille zur Aufarbeitung erkennbar waren. Es handelt sich hierbei um ein strukturelles Problem in Sachsen. Gerade die Sicherheitsbehörden scheinen auf dem rechten Auge blind zu sein. Innenminister Markus Ulbig hat das nicht im Griff.
In Ihrer Funktion als stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt forderten Sie Ulbig (CDU) kürzlich zum Rücktritt auf. Eine Koalition, die durch die „Unfähigkeit ihres Innenministers belastet“ werde, sei aus Ihrer Sicht „nicht haltbar“. Falls Ulbig im Amt bleiben darf, muss die sächsische SPD die Koalition dann verlassen?
Wir als Bundesgremium sehen nach Ereignissen wie in Freital und Heidenau keinen Spielraum für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Innenminister. Deshalb haben wir diese Aussage formuliert. Die Entscheidung liegt natürlich bei der SPD in Sachsen.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) bezeichnete die Taten in Clausnitz und Bautzen als „widerlich“ und „abscheulich“. Das sind erfreulich klare Worte, oder?
Das Problem bei ihm ist, dass die Reaktionen immer sehr spät und vermutlich nur auf äußeren Druck erfolgen. Daher kann ich diese Äußerungen und jene zu anderen Vorfällen nicht mehr ernst nehmen. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich über das Vorgehen der Polizei entsetzt zeigt und Aufklärung fordert. Das wären klare Worte gewesen.
Nicht nur, aber vor allem in Sachsen scheint sich die Lage immer mehr zuzuspitzen. Wachsen da nicht die Zweifel, ob das Engagement überhaupt etwas zum Besseren verändert?
Nein, denn offensichtlich ist Sachsen mit dieser Entwicklung relativ isoliert. Wir müssen es schaffen, den Fokus der anderen Bundesländer und des Bundes stärker auf Sachsen zu richten. Wenn Grundrechte eingeschränkt werden, ist die Bundesregierung dazu aufgefordert, politischen Druck auszuüben.
Welche konkreten Möglichkeiten hat die Bundesregierung dabei?
Im Bund und in Sachsen regieren dieselben Parteien. Darüber lässt sich ein gewisser Druck ausüben. Aber auch über die zuständigen Minister: Ich erhoffe mir sehr viel von Bundesjustizminister Heiko Maas, der demnächst die Justizminister der Länder zusammenrufen wird, um über das Thema Rechtsextremismus zu reden. Ich wünsche mir ein klares Zeichen, solche Straftaten schneller aufzuklären, dem sich dann hoffentlich auch Sachsen anschließen wird. So kann man das auch in anderen Ressorts handhaben. Auch die Innenminister könnten sich auf einen gemeinsamen Weg machen, was die Übergriffe und den Umgang mit Geflüchteten betrifft. Von Bundesinnenminister Thomas de Maizière erwarte ich allerdings nichts.
Kommen wir zum Ausgangspunkt des Interviews zurück: Leipzig sei keine weltoffene Stadt. Was müsste passieren, damit Leipzig zu einer weltoffenen Stadt wird?
Ich wünsche mir, dass sich alle zivilgesellschaftlichen Kräfte klar positionieren und menschenverachtende Ansichten in der Stadt gar keinen Platz haben. Eine solche Positionierung muss sich durch die gesamte Stadtgesellschaft ziehen, doch so etwas fehlt bislang. Das betrifft nicht nur die Geschäftsleute, sondern auch andere Akteure, die sich positionieren könnten. Der Einzige, der regelmäßig Haltung zeigt, ist der Oberbürgermeister. Bei den anderen Bürgermeistern vermisse ich das.
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