Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig präsentiert noch bis zum 20. März ein Fotoprojekt zum Thema „Flucht, Asyl, Protest? Wir müssen reden!“. Der Eintritt ist frei. Mehr oder weniger bekannte Leipziger äußern sich darin zu der Frage „Schaffen wir das mit den Flüchtlingen?“. Einer der Befragten ist von zweifelhafter Prominenz: Es ist Legida-Gründer Silvio Rösler.

Schaffen wir das? Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Herbst diese Frage mit Ja beantwortete, scheint die Gesellschaft vollends gespalten. Die eine Gruppe zeigt sich optimistisch, die andere widerspricht vehement. Und dann gibt es noch jene, die es nicht einmal versuchen möchten. Unklar bleibt bis heute, wer genau „wir“ sind, was exakt „das“ ist und wann eigentlich der Punkt erreicht ist, an dem „wir“ feststellen werden, „das“ geschafft zu haben – oder eben nicht.

Nachdem annähernd jeder Politiker auf Bundes- und Landesebene zu dieser Frage Stellung beziehen durfte, findet sich nun im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig ein Fotoprojekt, das neben einigen Prominenten vor allem einfache Bürger zu Wort kommen lässt. Männer und Frauen, Alte und Junge, in Deutschland Geborene und Zugezogene, quer durch alle Berufe und sozialen Schichten – die Bandbreite der persönlichen Hintergründe ist denkbar weit. Ebenso breit ist das Spektrum an Meinungen.

Da gibt es jene, die Deutschland in fünf Jahren komplett islamisiert sehen, und jene, die so lange gar mehr warten möchten und schon vorher emigrieren wollen. Andere behaupten: „Die“, also die Geflüchteten, „bekommen alles bezahlt und alles umsonst. Die sind auch noch undankbar.“ Den Personen, die die zentrale Frage klar mit „Nein“ beantworten, stehen viele gegenüber, die Zuversicht verbreiten, an die Menschlichkeit appellieren und selbstlos argumentieren. Ein 15-Jähriger verbreitet mit einer schlichten Formulierung viel Mut: „Klaro, wir schaffen das.“

Auch die prominenten Stimmen äußern sich optimistisch, darunter Oberbürgermeister Burkhard Jung, Thomaspfarrerin Britta Taddiken und „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel. Polizeisprecher Andreas Loepki hingegen sieht einen Zuzug aus „komplett anderen Kulturen“, der die Ordnungsbehörden „noch Jahrzehnte beschäftigen“ werde.

Neben all diesen mehr oder weniger bekannten Gesichtern sticht ein weiteres deutlich heraus. Es gehört einem 52-jährigen Kaufmann – zumindest bezeichnet er sich selbst so. Dieser ist sich zu „100 Prozent“ sicher, dass „wir“ „das“ nicht schaffen. Seine Forderungen: Grenze zu und abschieben. Das deutsche Sozialsystem sei eine „Hängematte für die Welt“, die Bundesrepublik eine der DDR ähnliche Diktatur und die sogenannte Lügenpresse „vorn mit dabei“.

Was die Fotoausstellung nicht verrät: Bei diesem besorgten Bürger handelt es sich um Silvio Rösler, also jenen Mann, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich die politische Debatte seit mehr als einem Jahr unaufhaltsam nach rechts radikalisiert. Rösler war bis zum Sommer Chef bei Legida, gründete dann die mittlerweile in der Versenkung verschwundene „Offensive für Deutschland“ und trat zwischendurch als Redner auf NPD-nahen Veranstaltungen auf. Alexander Kurth, der sächsische Landesvorsitzende der Neonazipartei „Die Rechte“, zählt zu seinen engsten Verbündeten. All diese Informationen erhält das Publikum nicht.

„Es geht uns nicht darum, die Person Röslers zu dokumentieren oder ihm gar eine Plattform zu bieten“, erklärt Henrike Girmond, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zeitgeschichtlichen Forum. „Herr Rösler selbst hat sich in seinem persönlichen Statement als ‚Kaufmann‘ bezeichnet.“ Eine zusätzliche Erklärung hätte ihm eine vermehrte Aufmerksamkeit verliehen, die nicht erwünscht sei, ergänzt Girmond.

Der mediale Umgang mit Rechtsradikalen ist in Deutschland ambivalent. Einerseits diskutieren die Moderatoren der öffentlich-rechtlichen Sender über die Asylthematik lieber mit den Rassisten der AfD als mit den Geflüchteten selbst. Andererseits ist eine Neonazipartei wie die NPD weitgehend aus der medialen Debatte verbannt; nur wenige Journalisten lassen sie überhaupt in irgendeiner Form zu Wort kommen. Irgendwo zwischen AfD und NPD ist in dieser Hinsicht Silvio Rösler zu verorten, der nicht als Nazi bezeichnet werden möchte, aber „augenzwinkernd“ bedauert, dass es in Deutschland „keine richtige rechtsradikale Partei“ gebe.

Die Präsentation im Zeitgeschichtlichen Forum stammt von der Fotografin Bettina Flitner, die schon seit Jahrzehnten Projekte in ähnlicher Art und Weise umsetzt. Ihre „Reportage aus dem Niemandsland“ widmete sich den Menschen in Ost- und Westdeutschland nach dem Mauerfall. Mit der Fotoserie „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“ sorgte sie für kontroverse Diskussionen. Rechtsradikale Jugendliche durften darin mit Stolz davon berichten, wie sie Ausländer verprügeln und welche angeblichen Vorzüge das Leben im Nationalsozialismus hatte. Gleichzeitig gab Flitner damit Einblick in eine Gedankenwelt, die für gewöhnlich verschlossen bleibt.

„Unserer Meinung nach wird die äußerst negative Verlautbarung von Herrn Rösler durch die überwiegend positiven Äußerungen, die bewusst in unmittelbarer Nähe platziert sind, ins Abseits gestellt und ausgegrenzt“, sagt Forum-Mitarbeiterin Girmond. „Zur Beschäftigung mit der aktuellen Debatte gehört manchmal leider auch die Auseinandersetzung mit unliebsamen, teilweise sogar unerträglichen Meinungen.“

Offen bleibt, wieso es ausgerechnet die des rechtsradikalen Promis Silvio Rösler sein musste.

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Es gibt 8 Kommentare

Vielleicht ist es aber auch eine Möglichkeit, Herrn Rösler ohne den ganzen aufgeladenen Emotionen aus seiner zweifelhaften Berühmheit heraus zu begegnen und somit seine im Schnitt eher fundamentlosen Argumentationsversuche mehr auf sachlicher Ebene entkräften zu können. Das gestaltet sich bei zu viel emotionaler Voreingenommenheit ja oft sehr schwierig.
Aus meiner Sicht ist es viel hilfreicher, auf möglichst sachlicher Ebene öffentlich ins Bewusstsein zu bringen, dass Menschen mit den Vorstellungen und der Geisteshaltung eines Herrn Rösler eine viel größere Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung sind, als es die derzeitigen Zuwanderer sein können, schon ein allein aus der Fehleinschätzung heraus, dass man solche Menschen weit verbreitet für im demokratischen System integriert hält.
Sachen, wie das aktuelle Wahlprogramm der AfD Sachsen Anhält, in dem explizit die Abschaffung der Meinungsfreihheit im Kunst- und Kulturbereich (Pflicht zum positiven Nationalbezug), Verschärfung von sozialem Ungleichgewicht durch wirtschaftliche und insbesondere bildungstechnische Maßnahmen (Erhalt und Ausweitung ungerechter und unsäglicher Systematiken wie der Förderschule) usw. proklamiert wird, gehören in den öffentlichen Diskurs. Und da hilft es nunmal nicht, nur über die Leute zu sprechen, sondern man muss mit Ihnen sprechen und sondieren, nachbohren, herausfinden wie man zu einer dermaßen unseren freiheitlichen Prinzipien entgegenstehenden Einstellung gelangen kann.

Naja, in ein Fettnäpfchen ist der Ausstellungsmacher schon reingetreten, um nicht zu sagen, hat ins Klo gegriffen.

Ohne Juristerei zu betreiben zu wollen, aber Silvio Rösler ist öffentlich bekannt, vielleicht gar eine “Person der Zeitgeschichte” – jedenfalls wurde er von einem Journalisten wiedererkannt.

Mir geht es gar nicht einmal um eine Art Zensur. Von mir aus kann die Meinung dieses Typen gerne im Forum sichtbar gemacht werden – dafür liebe ich unser Grundgesetz. Aber eben nicht mehr mit dem Label “Kleiner Privatmensch”.

Wenn das dem Ausstellungsmacher aber egal sein sollte, hätte er halt auch Angela Merkel mit ihrem “Wir schaffen das!” als Privatperson porträtieren können, indem er stumpf verschweigt, dass sie Bundeskanzlerin und Europapolitikerin ist.

Naja.

Danke für die Antwort.

Wenn das so ist, dann ist nichts zu bemängeln bzw. kritisch anzumerken.

Herr Loch, ist mit dem Beitrag eine Kritik am Zeitgeschichtlichen Forum sowie an Frau Girmond sowie der Fotografin Frau Bettina Flitner verbunden? Das wäre etwas zu viel des Schlechten! Es wäre mehr als fragwürdig.

Diese Frage ist an Herrn Loch und nicht an Herrn Freitag gerichtet!

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