Eigentlich wollte die Stadt Leipzig darauf verzichten, Geflüchtete in Zelten unterzubringen – vor allem in den Wintermonaten. Weil sie jedoch keine andere Möglichkeit sieht, macht sie es nun dennoch – obwohl es statt der ursprünglich einmal prognostizierten 5.400 Zuweisungen nur noch 4.270 sind. Am Mittwoch sollen die ersten 130 Asylsuchenden in die nahe der Deutschen Nationalbibliothek gelegenen Zelte einziehen.
„Es ist der erste Standort dieser Art in Leipzig.“ Mit diesen Worten begrüßte Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst Journalisten und interessierte Lokalpolitiker zum Rundgang durch die Zeltanlage in der Straße des 18. Oktober. Noch bis Ende des Jahres sollen hier etwa 350 Geflüchtete unterkommen. Die Kapazität liegt bei 408 – diese möchte man jedoch möglichst nicht ausschöpfen. Die Zeltlösung ermögliche es der Stadt, die Verteilverpflichtung des Freistaates zu erfüllen, so Kador-Probst.
Voraussichtlich knapp 4.300 Asylsuchende wird Leipzig bis Ende des Jahres aufgenommen haben. Noch vor zwei Monaten lag die Prognose bei 5.400. Die Menschen leben in großen Zelten, die über mehrere Zellen mit jeweils sechs Schlafmöglichkeiten verfügen. Wenn möglich sollen Familien zusammenwohnen und religiöse Hintergründe berücksichtigt werden. Den Geflüchteten stehen morgens und abends ein kaltes sowie mittags ein warmes Buffet zur Verfügung. Sie dürfen so viel essen wie sie wollen.
Eine Bietergemeinschaft übernimmt soziale Betreuung, Bewirtschaftung und Wachdienst. Schon beim Rundgang waren die Zelte gut beheizt. „Auch bei minus 15 Grad ist es hier drin immer noch schön kuschelig“, verspricht Falk Johne, der die Bietergemeinschaft vor Ort vertritt. Mit Billard- und Kickertischen sowie Fernsehern soll den Bewohnern die Langeweile vertrieben werden. Acht Stunden pro Tag sollen Dolmetscher vor Ort zur Verfügung stehen. Sozialamtsleiterin Kador-Probst betonte die gute Lage der Einrichtung. Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten befinden sich nur wenige Minuten entfernt.
Der „Initiativkreis Menschenwürdig“ kritisiert dennoch die Unterbringung von Geflüchteten in Zelten. In einer Anfang des Monats veröffentlichten Pressemitteilung heißt es: „Die erhöhte Zahl der Geflüchteten war der Stadt Leipzig seit August bekannt und auch vorher war diese Erhöhung absehbar. Seitdem bestand die Möglichkeit, sich engagiert um eine menschenwürdige Aufnahme der bis zum Jahresende in Leipzig ankommenden Menschen zu kümmern und die Zusage des Oberbürgermeisters, auf Zelte verzichten zu wollen, einzuhalten.“ Dass Geflüchtete zu Beginn des Winters in Zelten leben müssten, sei ein Skandal. Geht es nach der Initiative, sollten die Menschen vor allem in eigenem Wohnraum leben können.
Weitere Aktivitäten der Stadt sind in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten. Laut aktueller Prognose werden der Stadt jedoch bereits im Januar 2016 mehr als 1.000 weitere Geflüchtete zugewiesen. Dann sollen auch die Objekte in der Rosenowstraße und in der Gustav-Mahler-Straße ihren Betrieb aufnehmen. Beide verfügen jedoch lediglich über eine Kapazität von etwa 50 Personen. Größere Objekte mit mehreren hundert Plätzen sollen laut derzeitigen Planungen erst ab März zur Verfügung stehen. So ist schon jetzt absehbar, dass auf die Verantwortlichen der Stadt gleich zu Beginn des neuen Jahres wieder viel Arbeit zukommen wird.
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