„Das polizeiliche Einsatzkonzept der Deeskalation hat sich bewährt.“ So die Polizeidirektion Leipzig offiziell zur Silvesternacht 2014/15 am 1. Januar 2015. Nicht ganz neu, aber quasi die frischeste Wortmeldung der Leipziger Polizei zum Thema Silvester und das „böse Connewitzer Kreuz“. Man hatte eine Spontandemonstration von 300 Menschen nach einigen Metern beendet und zwei Mülltonnen waren angezündet worden. Wie auch in diesem Jahr gab es keinen Alkohol in dieser Nacht rings ums Kreuz zu kaufen. Nun jedoch versuchen es die Behörden mit einem Silvester-Versammlungsverbot von 23 bis 6 Uhr im Leipziger Süden.

Dabei schließe das Verbot für das gesamte Gebiet „zwischen Richard-Lehmann-Straße, Arthur-Hoffmann-Straße, Zwenkauer Straße, Meusdorfer Straße, Wolfgang-Heinze-Straße, Brandstraße sowie Windscheidstraße einschließlich des mit diesen Straßennamen bezeichneten Verkehrsraums (Fahrbahnen und Gehwege) …auch jegliche Art von Ersatzversammlungen unter freiem Himmel ein“, so die Stadt Leipzig. Was letztlich bedeutet, findet man sich am 31. Dezember nach 23 Uhr in einer Gruppe Menschen wieder, könnte man ohne weiteres polizeilich „aufgelöst“, also zum Auseinandergehen aufgefordert werden.

Natürlich geht es nicht wirklich darum, wie Silvester 2014/15 verlaufen war, die Rückschau auf den letzten Jahreswechsel ergäbe keine solche Gefahrenprognose, wie sie nun vorliegen soll. Erst recht keine, welche dazu führen könnte, ein grundgesetzliches Recht zur Versammlung aufzuheben – zumal zu Silvester, wo das Versammeln auf den Straßen und Plätzen ein fundamentaler Bestandteil der Jahresend- und Anfangsfeier ist.

Dennoch, so die Stadt in der Begründung zum Verbot am heutigen Tage: „Grund sind die `unangezeigten` Versammlungen der Vorjahre und deren Verlauf sowie die Lageeinschätzung der polizeilichen Behörden.“ Bevor sie zum Kern vorstößt: „Darüber hinaus wird auf zurückliegende organisierte Gewalt gegen die Polizei und staatliche Institutionen verwiesen.“

Eher zurückhaltende Polizeipräsenz Silvester 2014/15 am Connewitzer Kreuz. Foto: Alexander Böhm
Eher zurückhaltende Polizeipräsenz Silvester 2014/15 am Connewitzer Kreuz. Foto: Alexander Böhm

Mit Silvester 2014/15 hat das nicht viel zu tun

Der 12. Dezember 2015 steckt also den Leipziger Behörden noch in den Knochen, soviel kann man bereits bei der bisherigen offiziellen Begründung des Verbotes sicher konstatieren. Wochenlang hatten im Vorfeld in ganz Deutschland linksextreme Gruppen mobilisiert und an jenem Samstag die Südvorstadt mit bis zu 1.000 gewaltsuchenden Menschen in ein Schlachtfeld gegen die Polizei verwandelt. Seither jubeln die wenigen, welche tatsächlich glauben, ein solcher Übergriff sei Teil des linken Kampfes und schwadronieren von „Leipzig-Randalemeister 2015“, während sich der allergrößte Teil der Leipziger Bevölkerung bis weit hinein in linke Kreise angewidert angesichts des autonomen Steinhagels, der polizeilichen Tränengasgeschosse und brennender Barrikaden auf der Karli abwandte.

Die etwa 1.600 Polizisten dieses Tages hingegen waren sichtbar überrascht worden, die Beamten selbst fanden sich vor Ort in der Defensive wieder und Leipzigs OBM Burkhard Jung und Sachsens oberster Verfassungsschützer Gordian Meyer-Plath überzogen sich gegenseitig mit Vorhaltungen. Der eine habe nicht angemessen reagiert, der andere nicht genug gewarnt. 69 verletzte Beamte lautete das Fazit des Tages selbst.

Am 12. Dezember Zentrum der Ausschreitungen auf der Karli: der Südplatz. Foto: L-IZ.de
Am 12. Dezember Zentrum der Ausschreitungen auf der Karli: der Südplatz. Foto: L-IZ.de

Wahr ist wohl bis heute: Die Leipziger Polizeidirektion mit Bernd Merbitz an der Spitze hatte die Lage einzuschätzen, eine Gefahrenprognose zu erstellen und der Verfassungsschutz nach Rathaus-Informationen gegenüber der L-IZ nur geliefert, was jeder Google-Nutzer vor dem 12. Dezember öffentlich im Netz finden konnte. Tiefere Einblicke in eine an diesem Tag deutschlandweit nach Leipzig gereiste autonome Szene hatten die Schlapphüte scheinbar wirklich nicht im Vorfeld des Gewaltexzesses.

Anders ist zumindest angesichts des rasanten Aufschaukelns an diesem Tag bis heute nicht erklärbar, wie entweder die Leipziger Polizeidirektion mit 1.600 Beamten haushalten wollte oder eben mal wieder das sächsische Innenministerium der Meinung war – reicht, schaffen die schon, mehr Polizisten braucht Leipzig am 12. Dezember nicht. Spezialisierte Kräfte, wie beispielsweise Beweis- und Festnahmeeinheiten oder das SEK waren zu wenige vor Ort oder gar nicht vorhanden. So auch die Informationen von Einsatzbeamten im Nachgang, welche teils anonym bei der L-IZ und anderen Medien eingingen. Diese fühlten sich schlicht im Stich gelassen.

Eine sich selbsterfüllende Prophezeiung?

Wahr ist wohl auch mit Blick auf Silvester 2014/15 und nun 2015/16: Bislang war keine Mobilisierung aus linksextremen Kreisen nach Leipzig Connewitz für den 31. Dezember öffentlich bekannt. Erst recht keine im Ausmaß wie vor dem 12. Dezember 2015, auch auf den Straßen im Süden gab es dieses Mal keine Plakate, Aufkleber und Zettel, welche noch Anfang Dezember 2015 reichlich vorhanden waren.

In der Begründung zum Verbot kommt die polizeiliche Einschätzung als eine sich selbst bestätigende polizeiliche Einschätzung daher – ohne weitere konkrete Belege für die anstehende Silvesternacht. Ein Teil der ungenannten Begründungen könnte in diesem Jahr auch der verstärkte Einsatz von Polizeikräften rings um Asylbewerberunterkünfte in Leipzig und somit auch die Verfügbarkeit von Beamten allgemein sein. Doch ob sich die Stadt Leipzig mit dem Verbot im Süden einen Gefallen getan hat, ist äußerst fraglich.

Denn das Versammlungsverbot könnte sich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickeln. Und das Connewitzer Kreuz so voll werden, wie seit Jahren nicht mehr. Nach dem Bekanntwerden der Planungen am heutigen Mittwoch und den ersten Absperrgittern am Connewitzer Kreuz sind einschlägige Seiten im Netz wach geworden und auch das linksradikale Portal Indymedia spiegelt die ersten Presseberichte zum Verbot.

Auf Facebook hingegen melden sich immer mehr User, welche nun erst recht ihr Silvester am Connewitzer Kreuz begehen wollen, friedlich, aber eben versammelt. Die meisten, weil sie die Maßnahme schlicht für eine Übertreibung, eine pauschale Diskriminierung ihres Stadtteils und einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit halten.

FDP-Stadtrat René Hobusch hat diese Sicht zur Stunde in einem ersten Statement auf Facebook so zusammengefasst: „So sehr auch ich allen Leipzigerinnen und Leipzigern und den Gästen unserer Stadt einen friedlichen Jahreswechsel wünsche. Chaoten und Feinden unserer freien und offenen Gesellschaft mit einer Einschränkung unserer eigenen Freiheitsrechte zu antworten, halte ich für den falschen Weg! Denn wenn wir uns selbst beschränken, sind Extremisten auf dem besten Weg, ihre Ziele zu erreichen.“

Doch dieser Weg wird gerade gegangen, möchte man antworten. Die Gewalttäter vom 12. Dezember sind dabei, zu beweisen, dass ihre Angriffe zu einer staatlichen Repressions(über)reaktion gegen alle Bewohner im Leipziger Süden führen sollen. Ein ganzes Stadtgebiet wird gerade in Mithaftung für ihre Taten genommen.

Zur Meldung der Stadt Leipzig vom 30. Dezember 2015 auf L-IZ.de

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Es gibt 7 Kommentare

Aber so konnte das zarte Bäumchen auf der Insel am Kreuz überleben. Ist doch schon mal was.

“Meine Bemerkungen dazu am Lesertelefon wurden – wie von mir erwartet – nicht veröffentlicht. Denn nicht nur Herr Rosenthal, sondern auch der Verantwortliche für das Interview (der Lokalchef Herr Meine) hat versagt.”

Ach – nicht nur in der l-iz werden Ihre Kommentare gelöscht, sondern in der LVZ z.B. gar nicht erst veröffentlicht?

Und Sie sehen den Grund dafür weiterhin “bei den Anderen”, Herrn Rosenthal, Herrn Meine, gern auch JG, wenn Sie möchten?

Nicht beim kleinsten gemeinsamen Nenner, dem Herrn Klaus Richard Grün – Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR, bei sich selbst?

Nun ja, egal – ein erkenntnisreiches, neues Jahr auch Ihnen.

Versammlungsbehörde ist die Stadt Leipzig. Das ist nun einmal so. Wir können uns da drehen und wenden wie wir wollen. Das ist zu akzeptieren.

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Polizei außen vor gelassen wird. Besonders nicht in diesem Fall. Das gehört ins Reich der Phantasie.

Dass der Chef der Versammlungsbehörde in Person des Herrn Rosenthal bzw. letztlich des OBM auch hier wieder ein Bild der Hilflosigkeit abgeben, steht auf einen anderen Blatt. Ausgang ungewiss.

Der Herr Rosenthal hat doch längst den Überblick verloren. Ich gehe außerdem davon aus, dass hier parteipolitische Interessen wirken. Traurig, aber wahrscheinlich wahr.

Ich bin außerdem der Ansicht, dass er völlig überfordert mit dieser komplizierten Situation in Leipzig ist und sich andere hohen Damen und Herren tunlichst zurück gezogen haben. Keiner will mehr die Suppe auslöffeln, die viele fleißig gekocht bzw mit gekocht haben. Chefköche waren Tiefensee & Co. und …

Ich bin immer wieder erstaunt, wie sich der Stadtrat die Auftritte des Herrn Rosenthal bieten lässt. Erinnert sei an seinen letzten Auftritt zu den Vorfällen am 12. Dezember.
Schlimm auch das Interview mit ihm vorgestern in der LVZ. Auf einer ganzen Seite (!) hat er es fertig gebracht aufzuzeigen, dass eigentlich in Leipzig aus seiner Sicht alles in Butter ist. Meine Bemerkungen dazu am Lesertelefon wurden – wie von mir erwartet – nicht veröffentlicht. Denn nicht nur Herr Rosenthal, sondern auch der Verantwortliche für das Interview (der Lokalchef Herr Meine) hat versagt.

Wenn wir uns beide darauf einigen könnten, dass in den oberen Etagen der Stadtverwaltung schon längere Zeit eine Hand nicht mehr weiß, was die andere macht, dann sind wir sicher auf einen guten Weg.

Die Bürgerinnen und Bürger Leipzig interessiert es außerdem nicht, was in der Stadtverwaltung für Spiele gespielt werden. Sie wollen “Erfolge” in Connewitz sehen! Ohne wenn und aber! Da sind wir wieder bei meinen Nägeln mit Köpfen! In Leipzig sind Zimmerleute gefragt und keine Personen, die ihre Posten aufgrund ihres Parteibuches erhalten haben und scheinbar weiter erhalten. Nur so ist dieser Teufelskreis zu durchbrechen!

Wünsche guten und unfallfreien Rutsch, Herr Freitag!

“Denn das Versammlungsverbot könnte sich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung entwickeln. Und das Connewitzer Kreuz so voll werden, wie seit Jahren nicht mehr”

Da für alle das Versammlungsverbot gilt bzw. gelten wird, kann sich keiner darauf berufen ein “unschuldig Beteiligter” zu sein. Er muss dann auch mit den Konsequenzen leben.

Und wer sind die Personen, die gegen dieses Verbot bewusst verstoßen wollen?????

“Gewalt suchende Menschen”, welche Verharmlosung!

Die Diskussion sollte eigentlich sein, weshalb ein solches Verbot ausgesprochen wird bzw. werden muss und nicht, ob es vielleicht nicht angemessen ist.
Damit macht man den Bock zum Gärter.

Eins steht unstrittig fest, es müssen in Leipzig endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. So kann und darf es nicht weitergehen.

Sippenhaftung

Die Sippenhaftung, oft auch Sippenhaft genannt, obwohl es sich nicht notwendigerweise um eine Haft handelt, ist eine Form der Kollektivhaftung. Sie bezeichnet das Einstehenmüssen der Familienmitglieder für Taten ihrer Angehörigen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Sippenhaft als Terrormaßnahme gegen politische Gegner und deren Familien angewandt. Bis heute besteht sie in Nordkorea und wird in Russland und Tschetschenien angewendet. […] In der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland wird eine Kollektivhaftung, welche die Sippenhaftung einschließt, als nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar betrachtet und hat daher keine juristische Definition.

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