Die Berliner Kondomfirma "Einhorn" sitzt mal wieder in der Tinte. Oder besser - vor Gericht. Sie muss sich nämlich wegen eines besonders gemeinen Täuschungsversuchs verantworten: Auf einer Packung mit sieben Kondomen hatten die hippen Einhörner aus der Hauptstadt nämlich den werbeträchtigen Zusatz "Eine Tüte à 7 Stück entspricht 21 Orgasmen" drucken lassen.
Diese kleine mathematische Schlampigkeit missfiel bedauerlicherweise der Konkurrenz in Köln, die schon einmal – als die Berliner sich wegen ihrer besonders veganen, fairen und nachhaltigen (!) Kondome als Vorreiter der Branche brüsteten – auf die Barrikaden gegangen war. Immerhin: Eine einstweilige Verfügung wegen versuchter Täuschung des Verbrauchers war schnell erreicht. Und zur Stunde sieht alles danach aus, als sei die mit dem Fall befasste Düsseldorfer Richterin ähnlicher Ansicht: Der Slogan sei irreführend und könne zum desaströsen “Mehrfachgebrauch” anregen.
Und so wird vermutlich auch weiterhin nicht zu befürchten sein, dass eines Tages im Mathebuch der Hauptschulen zwischen Moabit und Reinickendorf plötzlich Aufgaben auftauchen wie “Wenn sieben Kondome bis zu 21 Orgasmen entsprechen, wann kommt dann der Arzt?” oder “18 Orgasmen musste der Nachbar bereits mit anhören, wie viele Kondome sind noch in der Packung?”
Keine Frage: Es ist beruhigend, wenn sich die Justiz zunächst harmlos erscheinender, im Detail aber hochbrisanter Probleme unserer Gesellschaft annimmt. Man kann nur hoffen, dass sich dieser Trend etabliert. Auf dem Parkett politischer Wahlversprechen zum Beispiel könnte doch mal richtig gebohnert werden. Rückwirkend, wenn es geht.
Beschaut man sich die Wahlslogans Deutschlands beliebtester Parteien der letzten Jahrzehnte, so war doch sicher so mancher durchaus “zur Täuschung geeignet”
“Hört, hört!”, möchte man zum Beispiel gleich rufen, wenn man ins Jahr 1990 zurückblickt: “Gemeinsam schaffen wir es”, war sich nämlich die CDU damals noch sicher und muss doch heute schon fast Turnhallen in Lazarette umwandeln – für die Schwerverletzten aus ihrem diesbezüglichen innerparteilichen Bürgerkrieg.
Genial dagegen allerdings ihr bereits 1994 versteckter Hinweis auf die Gefahren des Islam (Oder war es doch nur eine verblümte Frisurenkritik in Richtung Thierse?), indem sie glasklar forderte “Politik ohne Bart – sicher in die Zukunft”, während sie 2003 schon wieder schamlos schwindelte: “Besser für die Menschen”.
Um überflüssigen Haarwuchs ging es wiederum auch der grundehrlichen FDP, allerdings den des Haupthaars, an dem sie sich im Jahr 1969 störte: “Wir schaffen die alten Zöpfe ab” und das dann dermaßen gründlich absolvierte, dass sie sich Jahre später (nach einem kleinen Selbstbewusstseinsanfall 1998 “Wir oder die”) fast nahezu selber mit abschaffte. Man hatte sich perfiderweise dann doch lieber für “die” entschieden.
“Die” hatten aber – das muss gerechterweise gesagt werden – auch im Namen der SPD oft einen auf Walter Janka gemacht und ihre “Schwierigkeiten mit der Wahrheit”. Dabei ging es so gut los mit den Sozialdemokraten. Frisch und frei wurde 1949 lostrompetet: “Für Frieden, Freiheit, Sozialismus!, um auch im Jahr des Mauerbaus noch allen weismachen zu wollen “Der Wohlstand ist für alle da!”.
In den folgenden Jahren fing man dann schon an, mit schwammigeren und verwascheneren Gemeinplätzen aufzuwarten. “Neue Besen kehren gut” zum Beispiel wurde dort vier Jahre später behauptet. Man befürchtete fast, dass eine Legislaturperiode später ein “Damit es nachts weiterhin dunkel bleibt” nachgeschoben werden würde.
Nun kann man sicher seitens der Politik argumentieren, wie es übrigens auch die Anwälte der Berliner Kondomfabrikanten versuchen, dies sei alles nur Ironie gewesen. Alles Jux und Dollerei sozusagen. Schließlich habe man ja auch schon nach der Wiedervereinigung von “blühenden Landschaften” gesprochen, das habe doch nun wirklich kein Mensch für bare Münze nehmen können!
Das jedoch hieße, allzu leichtfertig mit dem Problem umzugehen: Wahlkampf geht eben vielfach über visuelle verbale Botschaften ab, so dass man das gesamte Abgesonderte nicht schlichtweg als retinale Kunst bezeichnen kann – etwas, das nur die Netzhaut erreicht.
Bei manchem gehen Slogans eben tiefer.
Deshalb: Keinen ungeschützten Verkehr mit Politikern! Nicht immer gleich mit älteren CSU-Funktionären mitgehen! Nicht jeden Heiratsantrag von SPD-Parteispitzen annehmen! Seid wachsam! Sieben mehrfach gebrauchte Politiker können bis zu 21 Orgasmen verhindern!
Weder Orgasmen noch Gedanken sollte man sich vereiteln oder limitieren lassen! Schon gar nicht mit Gummis, für die leider auch gilt, was auf nicht wenige Politikvertreter zutrifft: Mehr Spaß macht’s ohne.
In diesem Sinne – so long: Man sieht sich auf dem Pariser Platz.
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