Tanner ist Kleingärtner. Als er Punkrocker war, hätte niemand gedacht, dass er jemals Komposthaufen wenden würde. Trotzdem macht er das jetzt. Es gibt aber auch andere Versionen des Lebensmittelanbaus in der Stadt. Und irgendwann werden diese Anbaumethoden auch lebenswichtig sein fürs Stadtmenschsein. Tanner traf Richard Hagedorn, einen Vorwärtsblickenden mit einer Idee, die Schule machen darf.
Guten Tag Richard Hagedorn. Du kannst ja Ideen haben. Dein Start-up Unternehmen heißt “ernte-mich”. Was hast Du Dir denn dabei gedacht?
Ich wollte einen aussagekräftigen Namen schaffen und habe auch lange überlegt. Ich möchte die Menschen auffordern, sich zu bewegen und gutes Gemüse nicht einem Unbekannten zu überlassen, sondern hinschauen, selbst machen, selbst ernten.
Bei ernte-mich kann man nachhaltig ein Gemüsebeet bewirtschaften, handgezogenes Gemüse, Obst und Pflanzen kaufen. Sozusagen ein Selbsternte-Erdbeerfeld für Obst und Gemüse. Dabei wird auf der Anbaufläche nur natürlicher Dünger wie Kompost, Pferdemist und Gesteinsmehl aufgebracht, abgerundet durch Gründüngung in Form von Leguminosen. Das trägt neben der Mischkultur und schonenden Bodenbearbeitung dazu bei, dass die Bodenlebewesen sowie die Artenvielfalt gefördert wird, anstatt diese mit einem großen Pflug zu zerstören. ‘Mit der Natur gärtnern’ ist also nicht nur ein Slogan.
Es ist die einzige Möglichkeit, Lebensmittel im Einklang mit der Umgebung zu erzeugen, das macht das Konzept so einzigartig und besonders. Aber eben auch arbeitsintensiv.
Bei Deiner Idee geht es ja auch um eine Alternative zum Schrebergarten, ein gemeinschaftlicheres Gärtnern. Wie kommunizierst Du mit den Interessierten? Da ziehen ja bestimmt nicht alle an einem Strang und ein gewisses Regelwerk muss doch trotzdem sein, oder?
Mittlerweile hat sich der Garten sogar zum besseren Schrebergarten entwickelt. Denn hier gibt es mehr Raum für Freizeit, für die Natur und es haben auch mehr Menschen auf der Fläche Platz. Zusätzlich wirtschaftet der Garten durch die gemeinsame Ressourcennutzung (Geräte) wesentlich ökologischer als eine Kleingartenanlage. Das möchte ich auch vielen neuen Gärtnern an die Hand geben. Bei ernte-mich gibt es nur eine Auflage, alles was man zum Gärtnern braucht, ist schon da! Ein vorbereiteter Boden, gedüngt und zum Bepflanzen bereit, Geräte, Wasser und natürlich alles Pflanz- und Saatgut in großer Auswahl. Um mehr braucht sich ein Gärtner bei ernte-mich auch nicht kümmern, denn die Grün- und Erholungsflächen, Bäume und Hecken werden von mir gepflegt.
Da kann man die durchschnittlich 330 Euro, die ein Kleingärtner zahlt, lieber in ein 40 m² großes Mischkulturbeet investieren (360 Euro) und spart sich viel Zeit und Arbeit und bekommt Tipps und Hilfe für eine bessere Ernte.
Wo hast Du Dir Dein Know-How angeeignet? Es gibt doch bestimmt kein Studium, welches nachhaltiges Gärtnern, Kommunikation und betriebswirtschaftliches Denken zusammenführt? Wie war Dein Weg zum “ernte-mich”?
Zu Beginn braucht man die Leidenschaft für das Thema. Ich wollte für mich schon immer einen Garten haben und bin mit mehreren Gärten aufgewachsen. Die Arbeit liegt mir deshalb auch sehr gut. Im Bauingenieurstudium und während meiner Offizierslaufbahn lernte ich dann noch alles, was man zur Planung und dem Betriebswesen braucht. Und da ich während des Studiums ohnehin in der Bibliothek saß, konnte ich mich auch gleich in die Landwirtschaftsbücher und Selbstversorger-Ratgeber einlesen.
Die Idee zu ernte-mich kam mir dann gemütlich sitzend auf der Couch, als ich darüber sinnierte, wann und wie ich einen eigenen Garten bekomme. Ich dachte, wenn ich schon das Fachwissen für einen nachhaltigen Gemüseanbau zusammen habe, kann ich dieses auch teilen und mit anderen Interessierten eine Fläche nutzen. Aus dieser Grundidee entwickelte ich dann ein Konzept.
Es geht auch darum, denke ich, landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu sichern, bevor die großen Landgrabber alles aufkaufen und mit der Monsanto-Gen-Keule plattmachen. Könnte Deine Idee Schule machen? Gibt es Vernetzung zu anderen Projekten? Gibt es eine Organisationsform, in der Du Dich tummelst?
Tatsächlich ist der Grundstücksmarkt, vor allem in den Großstädten, sehr angespannt. Nicht, weil es keine Flächen gibt, sondern weil viele selbst brachliegende Flächen lieber zurückhalten und auf steigende Preise spekulieren. Deshalb würde ich mich freuen, wenn weitere Engagierte und Landwirte sich für den nachhaltigen Anbau in der Stadt interessieren. Im Leipziger Gartenprogramm gibt es eine gute Zusammenfassung von allen Projekten, die sich bereits jetzt stark für die Natur einsetzen und an denen man sich regelmäßig beteiligen kann.
Bei “ernte-mich” wachsen ja auch Produkte. Wie vermarktest Du das Gewachsene, das Essbare? Wo trifft man Dich?
Bei ernte-mich gibt es tatsächlich alles, vom Saatkorn bis zur fertigen Frucht, natürlich Bio. Ich ziehe Pflanzen vor und baue diese Gemüsepflanzen an. Beides verkaufe ich auf dem Markt, jedoch hauptsächlich zur Selbsternte im Garten.
Wer mehr wissen möchte kann gern bei erntemich.de oder Facebook nachschauen. Demnächst läuft auch eine neue Crowdfunding-Kampagne zur Gänsehaltung. Im Oktober trifft man mich noch regelmäßig im Garten und auf dem Markt in der Innenstadt.
Danke, Richard. Und weiterhin genug fruchtbaren Boden. Bokashi rockt!
ernte-mich
Großpösnaer Str.
04288 Leipzig
Mail: Richard.Hagedorn@erntemich.de
Web: http://www.erntemich.de/
FB: https://www.facebook.com/erntemich
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