Etwa 350 Menschen folgten am Mittwochabend der Einladung der Stadtverwaltung zur Informationsveranstaltung über eine geplante Asylunterkunft im Waldstraßenviertel. Neben Besorgten und Unterstützern äußerte sich auch ein lokaler Rechtsaußenpolitiker der AfD.

Sozialbürgermeister Thomas Fabian und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Immer wenn es darum geht, Nachbarn und potentielle Helfer über die genauen Details einer neuen Geflüchtetenunterkunft ins Bild zu setzen, stehen sie in einem brechend vollen Raum und erklären in aller Ruhe die Sachlage.

Zuletzt hatten sie dabei leichtes Spiel, denn weder in der Südvorstadt noch in der Tarostraße mussten sie sich rassistisch gefärbte Fragen zu den geplanten Notunterkünften in ungenutzten Schulgebäuden gefallen lassen – im Gegenteil: Besorgt war man dort allenfalls um das Wohlergehen der Geflüchteten. Bei einer Bürgerveranstaltung im Waldstraßenviertel mit etwa 350 Teilnehmern war das Publikum nun jedoch deutlich gemischter.

Den Anfang machte wie immer Fabian, der über die allgemeinen Fakten und Bedingungen sprach. „Wenn Sie täglich Zeitung lesen oder Fernsehen schauen, dann wissen Sie, dass derzeit viele Menschen auf der Flucht sind und versuchen, zu uns zu kommen“, eröffnete Fabian. Bereits dies kommentierte eine ältere Frau leise mit den Worten: „Nur zu uns!“ Der Bürgermeister erläuterte das Konzept der dezentralen Unterbringung, an das sich die Stadt weiterhin gebunden fühlt, das aufgrund der zuletzt stark gestiegenen Flüchtlingszahlen jedoch nur noch schwer umzusetzen sei. Die professionelle Betreuung in jeder Unterkunft betrachtet Fabian als den „entscheidenden Standard“ in Leipzig. „Über ehrenamtliche Hilfe freuen wir uns natürlich auch.“

Wohl um bestimmten Anmerkungen bereits vorweg zu greifen, erklärte er: „Ich hinterfrage nicht die Gründe, warum Menschen zu uns kommen. Das ist Sache der großen Politik. Aber man muss es immer wieder sagen: Niemand begibt sich ohne Grund auf eine gefährliche Flucht.“ Ebenso wie später Kador-Probst erhielt Fabian für seine Ausführungen viel Applaus.

Die Sozialamtsleiterin ging anschließend ins Detail: Bis zu 270 Geflüchtete werden ab Dezember in dem jetzt noch als Alterspflegeheim genutzten Gebäude in der Waldstraße wohnen. Die Senioren sollen schon im November in einen Neubau in der Goyastraße umziehen. Fünfeinhalb Stellen stehen für die Sozialarbeit zur Verfügung und maximal zwei Menschen teilen sich ein Zimmer. „Mit guten Wohnbedingungen können wir Konflikten entgegen wirken“, erklärte Kador-Probst wohl vor allem mit Blick auf die teils gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Massenunterkünften. Ein Betreiber für die Einrichtung stehe noch nicht fest, die Ausschreibung laufe jedoch bereits. „Wir achten in Leipzig darauf, dass die Träger Erfahrungen vorweisen können.“ Diese Aussage lässt darauf schließen, dass Johanniter, Malteser, Deutsches Rotes Kreuz und der Verein Pandechaion auch diesmal zur engeren Auswahl zählen dürften.

Aus dem Publikum kamen im Anschluss an die Ausführungen der beiden Verwaltungsmitarbeiter viele Fragen, die auch auf früheren Bürgerveranstaltungen schon gestellt wurden: Wie es um die Sicherheit der Kinder und Frauen bestellt sei, ob die Geflüchteten überhaupt wüssten, wo und unter welchen Regeln und Gesetzen sie leben, und ob sie nicht auf dumme Gedanken kämen, wenn sie sich die ganze Zeit langweilen. Ein Besorgter fragte sich gar, ob ihm in Anbetracht der weiterhin steigenden Flüchtlingszahlen die baldige Beschlagnahmung der eigenen Wohnung drohe. Kador-Probst antwortete gelassen, dass noch sehr viel geschehen müsse, damit das im Grundgesetz verankerte Recht auf Eigentum dermaßen ins Wanken geraten könnte.

Die ältere Dame, die bereits zu Beginn behauptete, Deutschland würde alle Flüchtlinge der Welt bei sich aufnehmen, kommentierte auch im weiteren Verlauf des Abends fleißig weiter. Eine Aussage Fabians, Geflüchtete seien weder bessere noch schlechtere Menschen als die schon Hierlebenden, veranlasste sie zu der Bemerkung: „Aber sie müssen Regeln einhalten.“ Zumindest bei dieser Frau scheinen die großkoalitionären Aussagen der vergangenen Tage also gefruchtet zu haben.

Neben vielen Sorgen und Ängsten, die häufig auf rassistischen Stereotypen beruhten, aber zumindest meist sachlich vorgetragen und dementsprechend beantwortet wurden, gab es auch zahlreiche Willkommensinitiativen und Plädoyers für eine gute Nachbarschaft. Ein junger Mann (O-Ton der älteren Frau: „Student, ist doch klar“) legte beispielsweise eine Liste vor, in der sich mehr als 100 Bewohner des Waldstraßenviertels für das Geflüchtetenheim aussprachen. Insbesondere Bürgermeister Fabian zeigte sich hocherfreut: „In den vergangenen Jahren habe ich viele Unterschriftenlisten erhalten. Das ist die erste für Flüchtlinge. Vielen Dank.“

Ein anderer Mann richtete sich vor allem an jene, die Ängste wegen der Geflüchteten äußerten, und plädierte für ein herzliches Zusammenleben von Alteingesessenen und Neuankömmlingen: „Ich habe einen Freund aus Ägypten gefragt, wie wir am Besten mit der Situation umgehen können. Gute Nachbarschaft ist die Lösung für uns. Denn in den Ländern, aus denen diese Menschen kommen, respektiert man seine Nachbarn.“

Am Ende fand Fabian schließlich noch Gefallen an einem Vorschlag aus dem Publikum: Wenn die Geflüchteten erst einmal im Waldstraßenviertel untergekommen sind, sollte es eine weitere Veranstaltung geben, auf der die Sorgen und Ansichten beider Seiten zum Ausdruck kommen sollten. „Das können wir machen“, entgegnete Fabian. „Für diese Zusage gibt es ja nun mehrere hundert Zeugen.“

Den Lacher des Abends verursachte jedoch ein anderer. Auf die provokante Frage eines älteren Mannes, ob es für die Schüler im Waldstraßenviertel wegen der muslimischen Flüchtlinge bald Kleidungsvorschriften gäbe, antwortete Kader-Probst trocken: „Der Jahreszeit entsprechend.“ Jener Mann war übrigens Roland Ulbrich, Mitglied der AfD, Sympathisant von Legida und Burschenschaften sowie Mitbegründer der Patriotischen Plattform und Sprecher des sächsischen Landesvorstandes. Vielleicht sollte er seine Frage einfach mal einem Neonazi stellen. Für Silvio Röslers nächsten OfD-Aufmarsch am 17. Oktober hat er auf Facebook schließlich schon zugesagt.

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