Im Sommer sind auch mal andere Dinge wichtig. Da soll ausgeruht werden und wenn's schön ist, dürfen ein paar Gedanken freigelassen werden zum Selbst und zum Morgen der Welt. Deshalb fragt Tanner Menschen nach ihrer Eigensicht und bringt diese dazu, innezuhalten und darüber nachzudenken. Heute: Ivo Zibulla vom Kreatives Leipzig e.V. und Chef der Agentur Die Ungestalt.
Wohin fahre ich dieses Jahr in den Urlaub?
Ich bin viel unterwegs. Richtig klassischen Urlaub mache ich dieses Jahr gar nicht. Die arbeitsfreie Zeit ist aufgeteilt in Wochenendbesuche von verstreuten Freunden und einigen Seminaren, die i.d.R. eine Woche gehen. Aufgrund dieser Seminare könnten die restlichen Antworten ein wenig eingefärbt klingen.
Welches ist mein Traumort und warum?
Ich glaube, mein Traumort ist überall dort, wo ich einfach sein kann, ohne Erwartungen zu erfüllen, ohne Leistungen bringen zu müssen. Vielleicht eine Mischung aus verantwortungsvollem und zugleich kindlich unbeschwertem Sein gegenüber der Welt? Mein Traumort ist also eher ein Zustand.
Welches Buch liegt derzeit auf meinem Nachttisch und warum? Und um was geht es darinnen?
Da liegen einige. Am Wichtigsten sind mir gerade (mal wieder) die Unendliche Geschichte von Michael Ende und ein Taschenbuch vom Inselverlag mit Skizzen von Goya.
Wenn ich die Möglichkeit hätte, diese Welt gut zu machen, vielleicht sogar zu heilen – und ich würde es auch machen wollen, wie sähe diese Welt ab morgen aus?
Was für eine Frage! Mehr Konzentration auf die eigenen Baustellen und weniger Ablenkung von sich selbst durch Wasauchimmer könnte eine Möglichkeit sein. Und da sollte es als eine Möglichkeit beim Bildungssystem radikales Umdenken geben. Weg vom preußischen Bildungsgehorsam hin zur Förderung der Selbstermächtigung.
An was glaube ich oder an wen und warum?
An die Tapferkeit und die menschliche Eigenschaft, sich aufzuraffen und weiterzuentwickeln, allen Umständen zum Trotz.
Was mag ich an mir und was mag ich nicht an mir? Und warum natürlich!
Gemein. Bei dieser Frage feuern meine Komplexe gleich ganze Salven ab. Doch ich werde es versuchen. Ich mag an mir: Ich sehe gern die Menschen hinter ihren Funktionen. Ich werde besser, mir meine Fehler mit Humor einzugestehen. Ich sehe wenig Grenzen und mehr Potentiale. Ich mag nicht an mir: Ich kann Grenzen schwer einhalten. Ich verfalle hin und wieder in kindlichen Trotz den Dingen gegenüber. Ich mache es mir zu einfach, indem ich Menschen vorverurteile.
Wenn ich mich an meinen letzten Traum erinnere, welche Geschichte war das?
Ich habe lange nicht geträumt. Jetzt sind es Träume, die mich das fürchten lehren. Ich finde das gut. Lieber schlimme Träume als gar keine Träume.
Gibt es ein Motto, nach dem ich mein Leben gestalte? Und wenn ja, welches ist das und warum?
Mein Vater hat mir einmal gesagt: Höre allen Menschen zu mit Respekt und Neugier. Jeder kann etwas besser als du. Lerne mit Freude und lehre mit Milde. Ich finde, dass kann ein ziemlich gutes Motto sein.
Was macht mich traurig?
Es gibt so vieles, was mich traurig macht. Und das ist gut! Traurigkeit ist ein Gefühl und hat seinen Sinn. Leider habe ich festgestellt, dass es mir mit dem Älterwerden schwieriger fällt, traurig zu sein. Das macht mich zu wenig traurig. Ein gefällter Baum, eine überfahrene Katze, ein Park voller Müll – das macht mich traurig. Ein Mensch, der sich nicht traut, seinen Weg infrage zu stellen – das macht mich auch traurig.
Wann und in welchem Zusammenhang hat sich in letzter Zeit mein Mitgefühl geregt?
Seit ich weniger die Medien nutze und mehr in der Natur unterwegs bin, scheine ich wieder mehr Mitgefühl mit den Tieren und Pflanzen zu entwickeln. Oder wenn jemand über seine Grenzen hinauswächst und etwas riskiert – das erweckt mein Mitgefühl.
Was wollte ich schon immer einmal sagen? Aber es passte nie so wirklich – doch, da die Frage ja jetzt hier gestellt wurde, nehme ich die Chance beim Schopfe und sage es allen einfach mal:
Ein Versuch: Keiner hat Recht. Alle haben Recht. Keiner ist vollkommen. Jeder ist vollkommen. Beachtet die Regeln. Brecht die Regeln. Lernt tanzen und vor allem auch, wieder aufzuhören. Das Leben ist unsicher, überraschend und vor allem schön!
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