Manchmal trifft man sich einfach. So geschehen, als der Tanner bei einer Hochzeit einrauschte, um den Getränken zu huldigen und dem Brautpaar zu applaudieren. Und dann sah er übers Glas gelunst ein bekanntes Gesicht und kam mit dem Mann am Gesicht ins Gespräch. Diesmal: Ingo Sasama, ein tanzender Derwisch.
Hallo Ingo Sasama. Schön, Dich hier bei einer Hochzeit privat zu treffen. Wir feiern im TANZHAUS Leipzig. Ich war hier noch nie – und Deine Mitarbeiterin erzählte mir gerade, dass hier ja auch immer das Restaurant des Herzens seine Tore öffnet. Und Du bist hier der Chef vom Ganzen. Kannst Du den frisch nach Leipzig gezogenen Leserschaften und denen, die es noch nicht wissen, mal bitte kurz erzählen, was das Restaurant des Herzens eigentlich ist?
Ganz so ist es ja nun nicht! Der “Restaurant des Herzens e.V.” ist ein eigenständiger gemeinnütziger Verein, der sich um sozial benachteiligte Menschen kümmert und mit dem wir uns als Nachbarn den Saal teilen. Jeden Samstag und Sonntag gibt´s hier für Bedürftige kostenlos ein warmes Essen, Kaffee und Kuchen. Auch mal was aus der Spielzeug- und Kleiderkammer, Zeit für ein Gespräch und manchen guten Rat und Hilfestellung. Oder auch einfach nur mal ein Lächeln … für viele Einsame und Benachteiligte ein wirklicher Ort der Herzenswärme. Frau Glinkowski als der gute Geist “vons Janze” kümmert sich wirklich rührend auch oft um Einzelschicksale. Engagement, eine Spende oder auch einfach mal nur persönliches Helfen sind hier immer gerne gesehen und hoch willkommen… Und am Abend kommen dann wir Tänzer…
Eben, ihr Tänzer, da muss ich mal genauer ran. Der normale Geschäftsbetrieb hier im Tanzhaus hat so Schmankerln in petto wie Tanzpartys für Jung und Alt und den legendären Workshop “Wiener Walzer Fleckl” am 05.09. – was ein Wiener Walzer ist, weiß ich ja – aber was ist Wiener Walzer Fleckl? Und wer macht das und warum und für wen? Und bist Du auch ein Walzerist?
Das TANZHAUS ist ja nur formell ein Geschäft – wir sind hier eher ein Freundeskreis. Es ist – immer Samstag Abend – eine ganz “normale” Diskothek, jede/r kann kommen. So richtig mit DJ, Sound- und Lichteffekten, Bedienung und so. Es gibt non stop Musik aus den 70-ern, den 80-ern und aus den aktuellen Charts. Hier tanzen aber eben vor allem Leute, die irgendwann mal in einer Tanzschule etwas tanzen gelernt haben. Bei uns verödet man nicht wie woanderns den ganzen Abend bei ewig gleicher Diskomusik, sondern kann das ganze Tanzprogramm tanzen. Ohne Muss, ohne Zwang. Ob Diskofox, Cha-Cha, Walzer oder Rock`n Roll, vom Super-Oldie bis zum Chartbreaker – wir haben sie alle! Egal ob man 17 oder 70 Jahre alt ist – und das ist keine Floskel.
Und eben auch den Wiener Walzer mit seinem “Fleckl” – dem Tanzelement, wo man den Wiener Walzer mal kurz auf einem “Fleck” tanzt. So, nun hast du wieder was gelernt. In der Woche gibt’s Tanzkurse mit der größten und renommierten Leipziger Tanzschule Jörgens, Blutspendeaktionen, Zumba, Schultheateraufführungen usw.. Oder – wenn der Saal frei ist – kann man ihn auch für eine private Feier mieten. So hat´s dich ja auch mal zu mir getrieben …
In Deinem Universum gibt es einen Topf namens “Freiraum-LE”, darinnen schwimmt das Tanzhaus in der Bornaischen Straße, der Radlertreff am Alten Elsterstausee, das “Haus am See”, Terrassencafé und Bootsverleih am Auensee und die “Alte Schaltzentrale”. Alles, würde ich mal so sagen, gesetzt-gutbürgerliche-unaufgeregte Etablissements. Drängt’s Dich nicht mal zum gastronomischen Experiment? Da gibt’s dann ja auch Anerkennung aus den hippen Szenepostillen. Oder ist dir Trendhopping völlig egal?
Es erscheint zwar wie ein kleines Universum, ist aber trotzdem nur ein nebenberufliches Hobby. Unsere große Tochter managt den ganzen Laden prima, mein Sohn und meine Schwiegertochter machen WEB und die Werbung, meine Frau die Buchhaltung. Und ich bin zwar nicht mehr Stadtrat der Grünen (nach 26 Jahren sollen ruhig mal die Jungen) aber immer noch deren Geschäftsführer. Und das Ganze hier läuft nebenbei.
Und Apropos Szene: Na Hallo! Was hast du denn für einen schrobeligen Szenebegriff? Szene ist doch mehr als Conne Island, Titanick, Werk II oder das Tanztheater. Das TANZHAUS ist Szene schlechthin. Wir sind DIE Szenelocation für tanzende Menschen. Leider ohne Anerkennung der vermeintlichen “Szenekultur”. Viel zu sehr sportorientiert und damit schon per se jeglicher Verachtung wert. Mehr als die Termin-Ankündigungsleiste ist nicht drin. Witzig übrigens: In der Sportszene ist es genau umgekehrt. Dort sind wir viel zu wenig leistungsorientiert und viel zu sehr Kultur. Igitt, igitt. Und so leben wir im Niemandsland der Szenen und haben unseren Spaß.
Bei uns ist es wie bei Grönemeyer – wir haben ein Einzugsgebiet von Saalfeld bis Dessau, von Magdeburg bis Wurzen. Nur die Ticket- und Getränkepreise sind bei uns moderater, denn für mich reicht es, wenn das Unternehmen schwarze Zahlen schreibt. Mit zunehmendem Alter – wenn eine ausreichende Grundsicherung vorhanden ist – wird Materielles immer unwichtiger. Ich mache das, weil ich Spaß haben will. Und wie heißt es im TANZHAUS immer mal: Hier tanzt der Chef noch selbst.
Ingo, Du verfitzt Dich. Wir wollten doch auch noch was zu den anderen Locations erfahren.
Gut, also: die anderen Locations sind eben einfach auch mal “nur” schön: Die “Alte Schaltzentrale” in einem E-Werk, unverfälscht industriell, der wohl schönste und ausgefallendste Partyraum der Stadt, der “Flotte Radler” am alten Elsterstausee (leider immer noch ohne Wasser) – ein Eldorado für Radler, die es weniger hip und laut mögen und das “Haus am See” am Ufer des Auensees, wo Begegnung von Generationen kein leeres Wort ist. Und wenn dann die Sonne untergeht … einfach nur romantisch.
Solch ein Imperium aufzubauen und zu unterhalten frisst doch immens Zeit, daneben gibt es ja auch den politisch aktiven Ingo Sasama und den Privat- und Familienmensch. Wie organisierst Du Dich? Wie nimmst Du Dir Freizeiten? Gibt es Entspannungsrituale?
Nach 25 Jahren Stadtratsarbeit habe ich 2014 kein Mandat mehr angestrebt. Eine 15 % Partei mit aufgebaut und viele Dinge in der Stadt bewegt zu haben, ist ein stolzes Gefühl. Wir haben viele gute junge Leute in der Partei, die ihre Sache prima machen. Und als Geschäftsführer der Stadtratsfraktion bin ich ja immer noch an Bord.
Man sollte wissen, wann was an der Zeit ist. Ich jedenfalls genieße es, Zeit für meine zwei und bald drei Enkel (“Popa ist der Beste …”) zu haben und mir mal wieder Zeit für mich und für einen schönen Fahrradausflug nehmen zu können. Auch, nicht vier Abende in der Woche als Stadtrat unterwegs zu sein und mal 17 Uhr Feierabend zu machen.
Und dann gibt’s ja noch neue Wünsche und etwas Sport wird mit dem Alter zunehmend auch ganz wichtig. Und da mir so eine Senioren-Rücken-Gymnastikgruppe nun gar nicht liegt, habe ich vor Kurzem meinen Schiedsrichterschein im Handball gemacht und werde Spiele im Kinder- und Jugendbereich pfeifen. Als gelernter Sozialpädagoge und bekennender HCL-er freue ich mich darauf besonders.
Danke, Ingo, für Deine Antworten. Und immer ein bisschen was über am Ende des Monats.
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