Leben heiรŸt Entwicklung. Und so braucht es auch immer Momente des Erschreckens, wenn sich etwas bewegen soll. Dass Berge von Lebensmitteln weggeworfen oder vernichtet werden, wรคhrend andere Menschen nichts zu essen haben, wissen viele Hiesige. Daraus ein Konzept zu entwickeln, diese Lebensmittel zu retten, ist mรถglich. Und wird gemacht - unter anderem von Tina und ihren Leuten. Tanner fragte nach.

Hallo Tina, schรถn Dich hier zu treffen. Du machst ja in der Organisationsstruktur von Foodsharing Leipzig mit. Was ist das denn?

Hallo Volly, erstmal danke ich dir fรผr die tolle Mรถglichkeit, etwas รผber Foodsharing zu erzรคhlen und uns so wieder mehr Menschen bekanntmachen zu kรถnnen. Foodsharing ist eine Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Lebensmittel vor dem Wegwurf durch Betriebe zu bewahren und sie stattdessen an Menschen zu verteilen, die sie verwerten kรถnnen. Dafรผr verlangen wir keine Gegenleistung in Form von Geld oder Tauschwaren. Dementsprechend ist auch unsere Organisationsplattform http://www.foodsharing.de absolut kostenlos und nicht kommerziell. Mitmachen kann bei uns jeder und wir haben auch ein groรŸes Interesse daran, Menschen jeden Alters, jeder Gesellschaftsgruppe und unabhรคngig von dem ethnischen Hintergrund anzusprechen.

Neben der Rettung der Lebensmittel dient die Initiative der Organisation der Lebensmittelretter in Deutschland, treibt die internationale Bekanntmachung voran und organisiert รถrtliche und bundesweite Treffen. Uns ist es wichtig, als eine seriรถse und gut strukturierte Organisation wahrgenommen zu werden, deshalb handeln wir nach klaren Regeln und pflegen eine bestmรถgliche Vernetzung der Bezirke. Aber รผber allem schwebt das gemeinsame Ziel, ein vermehrtes Bewusstsein รผber Lebensmittelverschwendung in der Bevรถlkerung voranzutreiben und dieser aktiv entgegenzuwirken.

Eine junge Dame, der ich von Euch erzรคhlte, meinte: โ€œAch, das sind doch auch wieder nur so Hippie-Studenten, die damit Kohle sparen, die sie dann bei der nรคchsten Party am Eintritt oder fรผr Getrรคnke ausgeben. Bei den Bedรผrftigen landet das doch nie!โ€. Was sagst Du, um solche Urteile zu entkrรคften? Landet Euer gerettetes Essen nur in Eurer Community oder auch bei wirklich Bedรผrftigen?

Natรผrlich haben auch wir mit solchen Vorurteilen zu kรคmpfen, aber diese entkrรคften sich selbst. Wer so argumentiert, hat unser Konzept und unser Ziel missverstanden. Natรผrlich kann auch jeder Lebensmittelretter einen persรถnlichen Vorteil daraus ziehen, aber wie ich bereits erlรคutert habe, ist Foodsharing so viel mehr als das. Von dem Thema Bedรผrftigkeit mรถchten wir uns jedoch bewusst distanzieren, denn es liegt uns fern, Menschen von uns abhรคngig zu machen. Uns ist es grundsรคtzlich egal, wer die Lebensmittel verwertet, das entscheidet jeder Foodsaver individuell. Jeder volle Magen ist besser als eine volle Tonne. In diesem Punkt unterscheiden wir uns auch von den Tafeln, die es sich zum Ziel gesetzt haben, bedรผrftige Menschen zu versorgen.

Wir sind eine Ergรคnzung zu diesem Konzept, denn wir retten ausschlieรŸlich in kleinen Betrieben und kรถnnen auch spontan vor Ort sein. Natรผrlich sind wir aber bestrebt, insbesondere auch unterstรผtzenswerte Projekte im Sinne bedรผrftiger Menschen zu fรถrdern. Grundsรคtzlich mรถchten wir als Foodsaver eine Kultur zur Achtung dem Essen gegenรผber leben, um gemeinsam mit unseren kooperierenden Betrieben den Lebensmitteln die Wertschรคtzung zukommen zu lassen, die sie verdienen.

Die Idee des Foodsharings ist ja โ€“ konzeptionell so, wie Ihr das macht โ€“ recht neu. Wer hat sich das Konzept denn eigentlich ausgedacht und was ist das fรผr ein Typ?

Die Idee stammt von Raphael Fellmer, der seit 2010 mit seiner Familie im Geldstreik lebt. Er rettete damals Lebensmittel aus den Tonnen von Supermรคrkten. 2011 trat Raphael Fellmer an die Biosupermรคrkte in Berlin heran und bot ihnen an, nicht mehr verkรคufliche aber noch essbare Ware vor dem Wegwurf in die Tonne zu retten. Dabei kam die erste Kooperation mit Georg Kaiser, dem Geschรคftsfรผhrer der Bio Company in Berlin, zustande. Auf der Suche nach einer Idee, wie man die abgeholten Lebensmittel auch weiterverteilen kann, stieรŸ Raphael Fellmer 2012 auf die Crowd-Funding-Kampagne von foodsharing.de von Sebastian Engbrooks.

Diese Plattform sollte allen Haushalten das Teilen von Lebensmitteln ermรถglichen und entwickelte sich nach dem Film โ€œTaste the Wasteโ€ von Valentin Thurn, der das Thema Lebensmittelverschwendung und -wegwurf sehr ins Bewusstsein der Bevรถlkerung rรผckt. Im Jahre 2012 wurde dann mit finanzieller Unterstรผtzung der Bio Company und des Landes NRW der Verein foodsharing e.V. gegrรผndet, dessen Vorstand Valentin Thurn wurde.

Um ins Orgateam aufzurรผcken mรผssen Schwellen รผberwunden werden. Kannst Du da bitte etwas erzรคhlen? Es geht ja auch um Verlรคsslichkeit.

Man kann sich ganz einfach bei uns registrieren unter foodsharing.de. Dann wird man zum Foodsharer und kann รผber die Plattform Lebensmittel abgeben, tauschen und von anderen annehmen. Um Lebensmittel von den Supermรคrkten abholen zu kรถnnen, sollte man dann das Quiz zum Foodsaver machen und sich im Bezirk Leipzig anmelden. Daraufhin wird man von unseren Botschafterinnen begrรผรŸt und bekommt einen Paten zugeteilt, also einen erfahrenen Foodsaver, mit dem drei Probeabholungen in verschiedenen Betrieben zu absolvieren sind.

Hat man diese alle souverรคn und zuverlรคssig gemeistert, werden die angehenden Foodsaver vom Botschafter in Leipzig verifiziert und erhalten einen Foodsaver-Ausweis. Und dann kann man loslegen und sich selbststรคndig bei den verschiedenen Betrieben zu den Abholungen eintragen. Mรถchte man mehr machen, kann man Betriebsverantwortliche/r werden.

Und was muss ich dafรผr tun?

Dafรผr absolviert man das nรคchste Quiz und bekommt dann mit Absprache des Botschafters einen Betrieb zugeteilt. Mรถglich ist auch, neue Betriebe anzusprechen, dafรผr sollte aber erst ein Team stehen, das auch die Abholungen garantieren kann. Denn bei uns ist eine absolute Zuverlรคssigkeit und RegelmรครŸigkeit bei den Abholungen Garantie fรผr die kooperierenden Betriebe. Ist man eine gewisse Zeit dabei, hat eine gewisse Anzahl Vertrauensbananen (ein Zeichen fรผr Pรผnktlichkeit und Zuverlรคssigkeit, die einem von anderen Foodsavern gegeben werden) und immer noch nicht ausgelastet, kann man Botschafter werden. Als Botschafter koordiniert man die Betriebsverantwortlichen und stellt die Ausweise fรผr neue Foodsaver aus.

Zudem organisiert dieser regelmรครŸig stattfindende Infotreffen und reprรคsentiert Foodsharing im jeweiligen Bezirk. Mรถglich ist auch, dass man sich in verschiedenen รผberregionalen Gruppen engagiert, so gibt es zum Beispiel die Gruppe ร–ffentlichkeitsarbeit, IT-Support oder Betriebsketten. Fรผr diese Aufgaben sollte man allerdings lange genug dabei sein und sich schon ausgiebig im eigenen Bezirk engagiert haben.

Und Du selber? Was machst Du eigentlich neben all dem Essen retten und teilen?

Ich bin gerade dabei, mich neu zu orientieren und habe mich entschieden, mein Lehramts-Studium nicht fortzufรผhren. Stattdessen  habe ich mich fรผr einen eher praxisbezogenen Weg im wirtschaftlichen Sektor beworben und bin gespannt, wie es in Zukunft fรผr mich weitergeht. Es wรคre ein Traum von mir, irgendwann fรผr das Zentrum fรผr Umweltforschung hier in Leipzig arbeiten zu kรถnnen, damit ich auch beruflich mein Interesse an Nachhaltigkeit und ร–kologie umsetzen kann.

Wie viele Leute machen denn eigentlich bei Euch mit? Und wie kann jedermensch bei Euch mitmachen?

Wie bereits erklรคrt, kann man sich bei uns ganz einfach anmelden auf foodsharing.de. Insgesamt sind wir um die hundert angemeldete Foodsaver in Leipzig, davon cirka zwanzig Betriebsverantwortliche und drei Botschafter. Allerdings ist leider in allen Stufen die Hรคlfte nicht mehr aktiv, da sie oft nicht mehr in Leipzig ansรคssig sind, sehr eingespannt sind in Uni oder Arbeitswelt oder auch sonst keine Zeit mehr haben. Wir sind auch stรคndig auf der Suche nach neuen aktiven Foodsavern, und freuen uns รผber tatkrรคftige Unterstรผtzung, damit wir noch mehr Betriebskooperationen in Leipzig aufbauen kรถnnen und somit noch mehr Lebensmittel vor dem Wegwurf retten kรถnnen.

Ich hoffe, dass Euer Beispiel Schule macht. Weniger Wegwerfen ist ja schon mal ein Anfang.

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