Dieser Planet ist ein Garten, sagt der weise Michy Reincke in einem seiner Lieder. Wenn wir diesen Planeten als eine Gemeinschaft verstehen, dann dürfen wir auch die Augen vor den Sorgen und Nöten anderer Menschen nicht verschließen. Auch nach dem Fernseh-Hype leben Menschen in Nepal. Die Karawane der Aufgeregten zieht zwar ganz schnell weiter, doch Tanner und die Leipziger Internetzeitung schauen weiterhin hin. Daniel Diegmann gab Tanner sein Wissen preis - und somit auch Euch Leserschaften.
Hallo Daniel Diegmann. Fein, Dich hier zu treffen. Wir wollen über den Verein Govinda sprechen. Ihr unterstützt Projekte in Nepal. Warum eigentlich?
Hallo Volly Tanner. Die Freude ist ganz meinerseits. Die Frage ist interessant, aber gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn man sich für eine Sache über lange Zeit engagiert, stellt man sich ja nur selten noch die Frage nach dem warum. Man macht es, weil man es irgendwie für wichtig erachtet, weil man sich damit im Laufe der Zeit identifiziert. Es gehört zu einem dazu und ist nicht so richtig wegzudenken. Die Motivation, gerade die Govinda-Entwicklungshilfe zu unterstützen und damit die Menschen in Nepal, wird sicherlich jedes Vereinsmitglied ein wenig anders beantworten. Bei mir ist es so, dass mich die Region Nepal fasziniert, die religiösen und kulturellen Aspekte genauso, wie die politische Situation und die sozialen Spannungen und Kämpfe, die das Land in den letzten Jahrzehnten gekennzeichnet und gezeichnet haben.
Die Maoistenaufstände und die Abdankung des Königs haben ihre Spuren hinterlassen. Zudem ist Nepal eines der Länder der Welt, mit äußerst niedrigem Pro-Kopf-Einkommen, es ist immer noch von einem strikten Kastenwesen geprägt und trotz, dass viele Touristen die Himalayaregion bereisen, profitieren monetär davon nur wenige Menschen im Land. Das sind alles Gründe, sich für Nepal zu interessieren und in den Projekten von Govinda zu engagieren. Außerdem habe ich die Arbeit im Verein auch immer genossen, weil dort eine Menge netter Menschen zusammenkommen, die nicht nur sehr aufgeschlossen sind und engagiert zusammenarbeiten, sondern auch kritisch und selbstkritisch die eigene Arbeit angehen.
Ich hatte nie das Gefühl von Selbstgefälligkeit im Verein oder, dass schwierige Diskussionen – beispielsweise die Rolle von NGOs im Kontext der Globalisierung oder Fragen rund um neo-kolonialistische Themen – ausgeblendet würden.
Kannst Du ein bisschen etwas – ganz konkret – zu den einzelnen Projekten sagen?
Govinda ist seit fast zwanzig Jahren tätig, hat in der Nähe von Katmandu, der Hauptstadt Nepals, ein Waisenhaus aufgebaut. Dort werden bis zu 50 Kinder betreut, die aus schwierigen sozialen und ökonomisch äußerst prekären Verhältnissen kommen, die ein Elternteil oder beide verloren haben und die keine Familie besitzen, die für sie ausreichend sorgen könnte. Daneben gibt es eine Schule und ein Ausbildungszentrum, die etwa 500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene besuchen, außerdem Reintegrationsprojekte für die Waisenkinder. Wichtig zu erwähnen sind auch die Projekte in der Karnali-Zone, im Westen Nepals.
Diese Region ist ländlich geprägt, sie ist nur schwer zugänglich, weshalb auch nur wenige NGOs dort tätig sind. Die Region ist eine der ärmsten im Land. Die medizinische Versorgung ist verheerend. Ein Arzt ist zum Teil für 86.000 Menschen zuständig. Die Analphabetenrate liegt zum Teil bei 92 %. Die Menschen, die meisten stammen aus niedrigen sozialen Kasten, sind sozial und ökonomisch unterprivilegiert. Im Zentrum der Arbeit von Govinda in der Karnali-Zone stehen Bildungs- und Ausbildungsprojekte, Gesundheitsmaßnahmen, die Unterstützung der Landwirtschaft und ökologischer Projekte, die Vergabe von Mikrokrediten, partizipative Gemeindeprojekte und vieles mehr.
Vor Kurzem war Nepal in allen Medien – mittlerweile ist die Aufmerksamkeit der Informationssüchtels schon wieder weitergelenkt worden. Wahrscheinlich ist irgendeine Gräfin schwanger. Wie versucht Ihr, die Wahrnehmung für Nepal und die dortigen Probleme wachzuhalten?
Naja, es ist ja nicht nur so, dass es eine große Konkurrenz um die Medienaufmerksamkeit gibt, bei der stetig das Belanglose sich durchzusetzen scheint. Es gibt nun einmal an unzähligen Orten der Welt Unrecht, Gewalt und Not, die medial thematisiert werden und ein kleines Land wie Nepal ist nur eines unter vielen, das der Solidarität der Welt bedarf. Wir versuchen deshalb, die Situation in Nepal stetig in die Öffentlichkeit zu tragen, veranstalten Lesungen, Vorträge, Filmabende, gehen in Schulen und sind mit Infoständen bei vielen Veranstaltungen in Leipzig und anderen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugegen. Wir informieren auf unserer Website über aktuelle Geschehnisse im Land und haben gerade nach dem Erdbeben im April täglich über die eigene Arbeit und die Katastrophenhilfe berichtet.
Und Du selber? Wie bist Du zur Truppe gestoßen? Und was machst Du genau bei Govinda?
Ich war 2002 in Nepal, habe das Waisenhaus besucht, durfte dort wohnen und konnte ein wenig mit anpacken. Ich habe so den Verein und dessen Mitglieder kennen- und schätzengelernt, war von der Arbeit, die geleistet wird, fasziniert und versuche seitdem so gut wie möglich, dort selbst mitzuhelfen. In Leipzig gibt es außerdem ja auch einen Govinda-Arbeitskreis. In diesen bringe ich mich auch ein. Der AK-Leipzig ist eine tolle, bunte Truppe aus Studierenden, Ärzt_innen, Akademiker_innen, Pädagog_innen und so weiter. Wir haben sehr gute Kontakte zur nepalesischen Community in Leipzig und die meisten Aktionen realisieren wir gemeinsam mit ihnen.
Das ist nicht nur eine sinnvolle Sache, sondern macht auch sehr viel Spaß. Über die Aktionen informieren wir regelmäßig auf der Website von Govinda. Neben dem Westbesuch waren wir gerade auch beim Badewannenrennen mit einem Infostand.
Wie kann konkret geholfen werden? Wie erreicht man Euch?
Am einfachsten und schnellsten erreicht man uns über die Website www.waisenkind.de. Dort finden sich nicht nur Möglichkeiten zur Unterstützung des Vereins, sondern auch viele Informationen über das Land Nepal und die aktuelle Situation. Wer den Govinda-AK-Leipzig kennenlernen und sich einbringen will, ist auch immer herzlich willkommen. Über die Website kann man uns direkt kontaktieren. Wer Spenden oder eine Patenschaft übernehmen möchte, findet dazu ebenfalls Informationen auf der Website. Nach den katastrophalen Erdbeben im April und Mai sind Spendengelder mehr denn je nötig.
Die internationale Gemeinschaft hat zwar Unterstützungsleistungen in Aussicht gestellt. Diese reichen jedoch bei weitem nicht aus, um das Land wieder aufzubauen. Der nahende Monsun stellt eine zusätzliche Herausforderung, insbesondere für die obdachlos gewordenen Menschen, dar. Wir sind angesichts dessen dankbar für jede Form der Unterstützung.
Danke, Daniel, für Deine Antworten.
Danke für die Möglichkeit, Rede und Antwort zu stehen.
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