Da ja nun auch in Kommentaren der L-IZ ab und zu ein paar Diskussionen auftauchen, ob wir denn die richtigen Worte verwenden, nun auch mal ein paar Worte zum Rassismus. Nach einem weiteren gewalttätigen Angriff von vermummten Nazis auf eine antirassistische Demonstration in Dresden, hatte Grünen-Vorsitzender Jürgen Kasek von "rassistisch motivierter Gewalt" gesprochen.

L-IZ-Leser Klaus wollte das so nicht stehen lassen und kommentierte: “Nach meiner Ansicht werden gegenwärtig bei der Problematik Asylpolitik oftmals Begriffe verwendet, die von der Bedeutung her widersprüchlich sind, eigentlich eine andere Bedeutung haben und aus ganz anderen Zusammenhängen entstanden sind. Beispielsweise das Wort ‘Rassismus’. Ich finde das nicht hilfreich und unüberlegt. Beispielsweise muss ein Rassist – der also etwas gegen Menschen mit anderer Hautfarbe (vorwiegend schwarzer) als weiß hat – nicht automatisch ein Ausländerfeind sein. In den USA ist dieser Begriff also wesentlich angebrachter.”

Nein. So ein Begriff ist überall angebracht, wo äußerliche Unterschiede zwischen Menschen dazu genutzt werden, andere zu diffamieren, zu diskriminieren, abzuwerten, auszusondern usw. Wie weit das Feld dessen reicht, was unter dem Begriff des Rassismus gefasst werden kann, bringt Wikipedia zum Beispiel in einen Satz: “Die Folgen von Rassismus reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis zu sogenannten ‘ethnischen Säuberungen’ und Völkermord.”

Das Thema ist noch viel komplexer, betrifft aber nicht nur die USA.

Dass es zum Stammrepertoire aller Nazis weltweit gehört, sollte sich ja mittlerweile herumgesprochen haben. Die Mordserie des NSU ist von Anfang bis Ende mit rassistischen Motiven untersetzt. Der bekannte “Paulchen Panter”-Film, den Beate Zschäpe nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Briefumschlägen an allerlei offizielle Adressen verschickte, ist eine einzige Gesangsorgie des Rassismus. Und kein Magazin, kein Rockkonzert, keine CD rechtsextremer Produzenten kommt ohne den wummernden Unterton eines von Hass erfüllten Rassismus aus.

Eine Frage ist eher, ob man auch Islamophobie und andere religiös bedingte Vorurteile mit unter Rassismus summieren muss. Denn tatsächlich ist es bei der Religion genauso wie bei der Hautfarbe: Sie werden den angegriffenen Menschengruppen einfach stereotyp zugeordnet und gehören zu einem oberflächlichen Feindbild, das sich das nicht gewollte Andere in einfachen Strichen skizziert. Da wird dann von “Moslems” geschwafelt, selbst wenn die angegriffenen Flüchtlinge Christen sind, die eben noch froh waren, in einem scheinbar christlichen Land wie Sachsen Zuflucht gefunden zu haben.

Womit man ziemlich schnell bei Pegida und dem rechtslastigen Organisator Lutz Bachmann und seinen Freunden wäre und ihrer seltsamen Wiederbelebung des Begriffs “christliches Abendland”, in dem sie partout keinen Islam wollen. Das Grundbild stammt übrigens auch aus der Klamottenkiste der deutschen Neonazis, die selbst wieder auf ein altes Stereotyp aus dem Land ihrer unheiligen Großväter zurückgegriffen haben: die “jüdische Weltverschwörung”, die sich nun in einer “Islamisierung des Abendlandes” wiederfindet, genauso inhaltslos, aber als beängstigendes Feindbild für verängstige Provinzbewohner immer noch höchst wirksam.

Man projiziert seine Ängste in einer zunehmend als unsicher empfundenen Welt auf alles, was man als fremd erlebt. Und einige Mächtige tun auch alles dafür, dass die Bürger es genau so empfinden. Auch da werden uralte Ressentiments geschürt – man denke nur an die von deutschen Politikern geschürten Vorurteile gegen Sinti und Roma, die sich immer wieder gern verkleiden in Worthüllen wie “Flüchtlinge vom Balkan”. Was dann gern auch eine Bedrohung durch eine “Balkanisierung Deutschlands” mit assoziieren darf.

Rassismus steckt in jeder, wirklich in jeder Haltung und Äußerung, die Menschen anderer Hautfarbe, anderer Herkunft, anderer Religion und Sprache abwertet. Das Wort Kultur gehört hier auch hin, weil auch ein paar Leute so gern von “christlicher Kultur” schwafeln, die es zu verteidigen gelte, als wäre Kultur in Deutschland schon von Herkunft her religiös. Ist sie nicht. War sie nie. Religion war immer nur ein Teil der europäischen Kultur, nie umgekehrt. Aber die Kirche hat in der Vergangenheit Kultur gern instrumentalisiert, genauso gern, wie es die Politik tat. Denn mit Religion lässt sich gut herrschen, wenn sie eine Gesellschaft und eine Kultur dominiert.

Vielleicht irren wir uns, wenn wir von der schlichten Grundtatsache ausgehen, dass Religion und Kirche weder unsere Gesellschaft noch unsere Kultur dominieren. Außer vielleicht bei Politikern, die dann, wenn ihre Politik fatale Folgen zeigt, in die Kirche rennen und Betroffenheit demonstrieren. Als hätten sie nicht vorher gewusst, was es für Folgen hat, wenn man sich im Hinterzimmer mit Pegida-Vertretern trifft oder schnellere Abschiebung von Asylsuchenden aus Bosnien und Albanien fordert. Und was der Versäumnisse mehr sind.

Und dass sächsische Instanzen Rassismus nicht einmal sehen wollten, wenn er sich auf offener Straße austobte wie seinerzeit in Mügeln, ist fatal genug. Es ist ja nicht so, dass die rassistisch motivierten Umtriebe der sächsischen Nazis erst mit der Asylproblematik 2015 begonnen haben. Morde und Angriffe aus Fremdenhass gehören seit 1990 zur gar nicht so sonnigen sächsischen Geschichte. Das konnten die diversen sächsischen Innenminister immer lächelnd wegstecken, wenn es ihnen die so gern als links verschrieene Opposition vorwarf, denn ihre Kollegen in den Nachbarländern und im Bund waren genauso eifrig am Weggucken und Vertuschen.

Gerade erst hat das Nachbarland Brandenburg die offiziell anerkannte Zahl der als rassistisch motivierten Morde rückwirkend nach oben gesetzt: Laut einer vom Brandenburgischen Innenministerium in Auftrag gegebenen und jüngst veröffentlichten Studie müssen die Zahlen für die Todesopfer rechtsextremer Gewalt dort von 9 auf 18 erhöht werden. Dabei wurden nur strittige Fälle aus dem Zeitraum zwischen 1990 und 2000 untersucht.

Katharina Schenk, Landesvorsitzende der Jusos Sachsen, dazu: “Gerade die jüngten Ereignisse haben wieder belegt: Sachsen hat ein Rassismusproblem. Da gibt es nichts wegzureden – es muss endlich gehandelt werden. Der Sachsen-Monitor ist ein zentraler Baustein. Nur wer weiß wie groß die Probleme sind, kann diese wirksam bekämpfen. – Es ist davon auszugehen, dass nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Sachsen die Zahlen der Straftaten und Gewaltdelikte bis hin zu Mord mit einem rechtsextremen Hintergrund überprüft und korrigiert werden müssen. Für eine Demokratie ist es nicht hinnehmbar, dass diskriminierende und fremdenfeindliche Ãœbergriffe nicht als das erkannt werden, was sie sind. Wir fordern deshalb eine zügige Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten ‘Sachsen-Monitors’, welcher Auskunft über den Stand der Demokratie und Gefährdungsmomente in Sachsen gibt. Zudem ist es notwendig, dass bei den sächsischen Sicherheitskräften die Sensibilität gegenüber rechtsextremen Straftaten geschärft und diese konsequent verfolgt werden. Wenn selbst die Zahlen des Verfassungsschutzes in Deutschland von einem Anstieg rechtsextremer Straftaten um 24 Prozent im vergangenen Jahr sprechen, zeigt dies, dass die Gewalt, die von rechtsextremer Seite ausgeht, nicht unterschätzt werden darf. ”

Mal ganz abgesehen davon, dass der Verfassungsschutz Teil des (Vertuschungs-)Problems ist und nicht der Aufklärung. Und dass die rechtsextremen, rassistisch motivierten Straftaten wieder zunehmen, hat mit der Radikalisierung der rechtsextremen Netzwerke zu tun. Reihenweise ist die NPD aus Länderparlamenten geflogen, auch weil sie den Pakt mit gewaltbereiten Neonazis eingegangen ist. Und die suchen nun ihre Bestätigung wieder in vermehrter Gewalt gegen die Schwächeren in unserem Land – und ganz symbolkräftig in Gewalt gegen Asylsuchende.

Natürlich hassen Rassisten alles, was ihnen fremd ist, was sie nicht verstehen, was ihre ganz simpel gewünschte Welt verkompliziert. Es ist eher erschreckend, wie viele Bürger diese simple Weltsicht für akzeptabel halten und es auch für keineswegs fragwürdig halten, sich als “Christen aus dem Abendland” für etwas Besseres zu halten als den Rest der Welt. Der Bruder des Rassismus heißt übrigens Nationalismus. Und wer sich aktuell umschaut in den Nachrichten, der sieht den Nationalismus in all seiner Hässlichkeit wieder auferstehen.

Ein Kontinent ist gerade dabei, wieder die Schotten hochzuziehen, sich abzugrenzen und auszugrenzen. Damit bekämen wir das “christliche Abendland” wieder. Keine Frage: Einen Kontinent mit lauter abgeschotteten Ländern, die sich gegenseitig übers Ohr hauen und bekriegen, einen Kontinent der Grenzen und Pässe und der eingeschränkten Reisemöglichkeiten, so eine richtige Ursuppe für Feindschaften, Ignoranz, Arroganz und Fremdenhass. Leicht aufzuschäumen, wenn mal wieder ein paar vergreiste Generalstäbler glauben, man müsse mal wieder einen ordentlichen Krieg führen. Gern mit rassistischen Argumenten begründet.

Rassismus muss beim Namen genannt werden, wenn er sich öffentlich zeigt.

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Es gibt 4 Kommentare

Sehr guter Artikel. Wenn nur die meisten so denken würden, dann gäbe es keinen Rassismus. Kein Mensch hat das Recht, sich über andere zu erheben.
Rassismus zieht sich leider durch alle Bevölkerungsschichten durch, auch bei sogenannten “intelligenten” Leuten, die nicht zur bildungsfernen Schicht gehören.
Mir macht es Angst, wenn ich Nazis und Hools sehe. In vielen Ländern Europas und der restlichen Welt sind nationalistische und rassistische Strömungen auf dem Vormarsch. Wir müssen alles dafür tun, damit sich ein 3. Reich nie wiederholt.

Ein wie immer sehr guter Artikel, der sich intensiv mit dem beschäftigt was so ein verqueres “christliche Abendland beschwören” an unmenschlichen, unchristlichen Auswüchsen hervorbringt!

Wo bleibt das zentrale christliche Anliegen: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!

Aber unsere “C” Politiker sind von diesem urchristlichen Ansatz meilenweit entfernter als die meisten anderen “unchristlichen”.

Aber auch unsere Mainstreampresse trägt ein gerüttelt Mass an Schuld an dieser Entwicklung. Wer auch nur Überlegungen anstellt mit diesen Rassisten über die Grundsätze einer demokratischen Verfassung diskutieren zu wollen und auch noch Verständniss für diesen dumpfen Rassismus aufbringt der nähert sich Schritt für Schritt an die Stimmung in der Zeit der Weimarer Republik an.

Wehret den Anfängen!!

Zur Klarheit der Begriffe empfehle ich dringen den Artikel im Spiegel-online von Sacha Lobo.

http://www.spiegel.de/netzwelt/web/hetze-gegen-auslaender-im-internet-nennt-sie-terroristen-a-1045831.html

Danke für diesen behutsamen Artikels, der wenn gelesen, verstanden, verdaut – mit einer Wucht aufgeht, einer Deutlichkeit nachwirkt, dass man sich fragen möchte – hat diese Worte, diese Gedank bisher noch niemand anderer gedacht, geschrieben gelesen?

Mein Kommentar, den ich bewusst als “politisch nicht motiviert” gekennzeichnet hatte, war nun mit Anlaß für diesen Beitrag.

Ich habe mit solchen sachlichen Beiträgen wie diesen keine Probleme. Nach meiner Ansicht werden gegenwärtig manche Äußerungen/Begriffe zu schnell und vor allem zu pauschal verwendet. Nicht mehr und nicht weniger sollte mein Kommentar zum Ausdruck bringen.

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